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Bundesgerichtshof, Urteil vom 25.03.2015
VIII ZR 243/13, VIII ZR 360/13 und VIII ZR 109/14 -

Wohnungs­eigen­tümer­gemeinschaft ist als Verbraucher gemäß § 13 BGB anzusehen

BGH zur Verbraucher­eigen­schaft einer Wohnungs­eigen­tümer­gemeinschaft

Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass eine Wohnungs­eigen­tümer­gemeinschaft als Verbraucher gemäß § 13 BGB anzusehen ist. Die Wohnungs­eigen­tümer­gemeinschaft ist im Interesse des Verbraucherschutzes der in ihr zusammen­geschlossenen, nicht gewerblich handelnden natürlichen Personen regelmäßig einem Verbraucher gleichzustellen, nämlich immer dann, wenn ihr wenigstens ein Verbraucher angehört und sie ein Rechtsgeschäft zu einem Zweck abschließt, der weder einer gewerblichen noch einer selbständigen beruflichen Tätigkeit dient.

Der Bundesgerichtshof hatte sich in den zugrunde liegenden Verfahren mit der Frage zu befassen, ob eine in einem Gaslieferungsvertrag enthaltene formularmäßige Preisanpassungsklausel (Spannungsklausel), nach der sich der Arbeitspreis für die Lieferung von Gas zu bestimmten Zeitpunkten ausschließlich in Abhängigkeit von der Preisentwicklung für Heizöl ändert, bei ihrer Verwendung gegenüber einer Wohnungseigentümergemeinschaft der Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 BGB standhält. Ähnliche formularmäßig vereinbarte Preisanpassungsklauseln wie die hier verwendete hatte der Senat bereits in früheren Urteilen bei einer Verwendung gegenüber Unternehmern als wirksam erachtet (vgl. Bundesgerichtshof, Urteil v. 14.05.2014 - VIII ZR 114/13 und VIII ZR 116/13 -), bei einer Verwendung gegenüber Verbrauchern jedoch entschieden, dass sie der Inhaltskontrolle nicht standhalten, soweit sie künftige Preisänderungen betreffen (vgl. Bundesgerichtshof, Urteil v. 24.03.2010 - VIII ZR 178/08 und VIII ZR 304/08 -).

Wohnungseigentümergemeinschaften sehen sich selbst als Verbraucher an und halten Preisanpassungsklausel daher für unwirksam

In den verhandelten Verfahren machten die Wohnungseigentümergemeinschaften geltend, dass sie als Verbraucher anzusehen seien. Deswegen sei die Preisanpassungsklausel unwirksam, so dass sie die vom Versorgungsunternehmen verlangten erhöhten Beträge nicht schuldeten beziehungsweise ihnen ein Rückforderungsanspruch zustehe, soweit sie die verlangten Beträge gezahlt hätten. Im Verfahren VIII ZR 243/13 geht es dabei um einen Betrag von 184.736,56 Euro für einen Lieferzeitraum von 2 ½ Jahren. Das Berufungsgericht hatte in allen Verfahren ein wirksames Preisanpassungsrecht bejaht und deshalb zugunsten des Versorgungsunternehmens entschieden.

BGH: Wohnungseigentümergemeinschaft ist Verbraucher gleichzustellen

Der Bundesgerichtshof hat die in Literatur und Rechtsprechung umstrittene Frage, ob die Wohnungseigentümergemeinschaft als Verbraucher gemäß § 13 BGB anzusehen ist, nunmehr bejaht. Die Wohnungseigentümergemeinschaft ist im Interesse des Verbraucherschutzes der in ihr zusammengeschlossenen, nicht gewerblich handelnden natürlichen Personen regelmäßig einem Verbraucher gleichzustellen, nämlich immer dann, wenn ihr wenigstens ein Verbraucher angehört und sie ein Rechtsgeschäft zu einem Zweck abschließt, der weder einer gewerblichen noch einer selbständigen beruflichen Tätigkeit dient.

Wohnungseigentümergemeinschaft handelt in der Regel nicht zu gewerblichen Zwecken

Als entscheidend sah der Bundesgerichtshof an, dass eine natürliche Person ihre Schutzwürdigkeit als Verbraucher nicht dadurch verliert, dass sie - durch den Erwerb von Wohnungseigentum kraft Gesetzes (zwingend) - Mitglied einer Wohnungseigentümergemeinschaft wird. Hinzu kommt, dass die Wohnungseigentümergemeinschaft beim Abschluss von Rechtsgeschäften mit Dritten in der Regel - und damit auch bei Energielieferungsverträgen, die (wie hier) der Deckung des eigenen Bedarfs dienen - zum Zwecke der privaten Vermögensverwaltung ihrer Mitglieder und damit nicht zu gewerblichen Zwecken handelt. Dies gilt auch dann, wenn die Wohnungseigentümergemeinschaft bei Vertragsschluss durch eine gewerbliche Hausverwaltung vertreten wird. Denn für die Abgrenzung von unternehmerischem und privatem Handeln im Sinne der §§ 13, 14 BGB kommt es im Falle einer Stellvertretung grundsätzlich auf die Person des Vertretenen an.

BGH geht von Unwirksamkeit der streitgegenständlichen Preiserhöhungen aus

Unter Anwendung dieser Grundsätze ist in den Verfahren VIII ZR 360/13 und VIII ZR 109/14 nach den vom Berufungsgericht bereits getroffenen Feststellungen und im Verfahren VIII ZR 243/13 nach dem revisionsrechtlich zugrunde zu legenden Sachverhalt von einer Verbrauchereigenschaft der Wohnungseigentümergemeinschaften und damit von einer Unwirksamkeit der den streitgegenständlichen Preiserhöhungen zugrunde liegenden Vertragsbestimmungen auszugehen.

Der Bundesgerichtshof hat die Berufungsurteile deshalb aufgehoben und die Verfahren zurückverwiesen, damit die erforderlichen Feststellungen zu dem jeweils geschuldeten Arbeitspreis - sowie im Verfahren VIII ZR 243/13 zur personellen Zusammensetzung der Wohnungseigentümergemeinschaft - nachgeholt werden können.

§ 13 BGB Verbraucher

Verbraucher ist jede natürliche Person, die ein Rechtsgeschäft zu Zwecken abschließt, die überwiegend weder ihrer gewerblichen noch ihrer selbständigen beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden können.

§ 14 BGB Unternehmer

(1) Unternehmer ist eine natürliche oder juristische Person oder eine rechtsfähige Personengesellschaft, die bei Abschluss eines Rechtsgeschäfts in Ausübung ihrer gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit handelt.

(2) [...]

§ 307 Inhaltskontrolle

(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist. [...]

(3) Die Absätze 1 und 2 [...] gelten nur für Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. [...] Urteile vom 24. März 2015 VIII ZR 243/13 LG Hamburg - Urteil vom 22. Februar 2013 - 318 O 35/12 OLG Hamburg - Urteil vom 17. Juli 2013 - 4 U 38/13 VIII ZR 360/13 LG Hamburg - Urteil vom 1. April 2010 - 309 O 99/09 OLG Hamburg - Urteil vom 12. November 2013 - 7 U 59/10 VIII ZR 109/14 LG Hamburg - Urteil vom 31. März 2011 - 316 O 89/09 OLG Hamburg Urteil vom 6. März 2014 - 5 U 108/11

© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 25.03.2015
Quelle: Bundesgerichtshof/ra-online

Vorinsatzen zu VIII ZR 243/13:
  • Landgericht Hamburg, Urteil vom 22.02.2013
    [Aktenzeichen: 318 O 35/12]
  • Oberlandesgericht Hamburg, Urteil vom 17.04.2013
    [Aktenzeichen: 4 U 38/13]
Vorinstanzen zu VIII ZR 360/13:
  • Landgericht Hamburg, Urteil vom 01.04.2010
    [Aktenzeichen: 309 O 99/09]
  • Oberlandesgericht Hamburg, Urteil vom 12.11.2013
    [Aktenzeichen: 7 U 59/10]
Vorinstanzen zu VIII ZR 109/14:
  • Landgericht Hamburg, Urteil vom 31.03.2011
    [Aktenzeichen: 316 O 89/09]
  • Oberlandesgericht Hamburg, Urteil vom 06.03.2014
    [Aktenzeichen: 5 U 108/11]
Aktuelle Urteile aus den Rechtsgebieten:
Fundstellen in der Fachliteratur:
  • GE 2015, 660Das Grundeigentum - Zeitschrift für die gesamte Grundstücks-, Haus- und Wohnungswirtschaft (GE), Jahrgang: 2015, Seite: 660
  • MDR 2015, 575Zeitschrift: Monatsschrift für Deutsches Recht (MDR), Jahrgang: 2015, Seite: 575
  • WuM 2015, 373Zeitschrift: Wohnungswirtschaft und Mietrecht (WuM), Jahrgang: 2015, Seite: 373

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