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Bundesgerichtshof, Urteil vom 22.06.2016
IV ZR 431/14 -

BGH: Bei inhaltlicher Abweichung zwischen Versicherungsschein und Versicherungsantrag zu Gunsten des Ver­sicherungs­nehmers kommt Ver­sicherungs­vertrag mit Inhalt des Ver­sicherungs­scheins zustande

Voraussetzungen des § 5 Abs. 2 VVG nicht maßgeblich

Weicht der Inhalt des Ver­sicherungs­scheins vom Inhalt des Ver­sicherungs­antrags zu Gunsten des Ver­sicherungs­nehmers ab, so kommt der Ver­sicherungs­vertrag gemäß § 5 Abs. 1 Ver­sicherungs­vertragsgesetzes (VVG) mit dem Inhalt des Ver­sicherungs­scheins zustande. Auf die Voraussetzungen des § 5 Abs. 2 VVG und somit eine Belehrung des Ver­sicherungs­nehmers über die Regelung des Absatzes 1 kommt es in diesem Fall nicht an. Dies geht aus einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs hervor.

Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Im August 2010 begann eine Frau mit der Ausbildung zur Einzelhandelskauffrau. Diese Ausbildung musste sie Ende Januar 2011 aufgrund eines Bandscheibenvorfalls aufgeben. Sie nahm dafür eine Ausbildung zur Bürokauffrau auf. Die Frau beanspruchte aufgrund des Bandscheibenvorfalls und dessen Folgen ihre Berufsunfähigkeitszusatzversicherung. Die Versicherung lehnte jedoch eine Leistung ab. Sie verwies die Versicherungsnehmerin entsprechend einer Ausbildungsklausel im Versicherungsvertrag auf die Ausbildung zur Bürokauffrau. Die Versicherungsnehmerin hielt dies für unzulässig. Zwar sei die Klausel Inhalt des Versicherungsantrags gewesen. Der Versicherungsschein habe sie aber nicht beinhaltet, so dass die Klausel nicht Bestandteil des Versicherungsvertrags geworden sei. Die Versicherungsnehmerin erhob schließlich Klage.

Landgericht und Oberlandesgericht wiesen Klage ab

Sowohl das Landgericht Aachen als auch das Oberlandesgericht Köln wiesen die Klage der Versicherungsnehmerin ab. Die beklagte Versicherung habe die Klägerin wirksam auf den Ausbildungsberuf der Bürokauffrau verweisen dürfen. Denn die entsprechende Klausel sei Vertragsbestandteil geworden. Die fehlende Wiederholung der Klausel im Versicherungsschein sei unerheblich gewesen. Gegen diese Entscheidung legte die Klägerin Revision ein.

Bundesgerichtshof hält fehlende Wiederholung der Klausel im Versicherungsschein für maßgeblich

Der Bundesgerichtshof entschied zu Gunsten der Klägerin und hob daher die Entscheidung der Vorinstanz auf. Die fehlende Wiederholung der Ausbildungsklausel im Versicherungsschein sei maßgeblich gewesen. Denn nach § 5 Abs. 1 VVG komme der Versicherungsvertrag mit dem Inhalt des Versicherungsscheins zustande, sofern dieser vom Inhalt des Versicherungsantrags abweiche und der Versicherungsnehmer der Abweichung nicht binnen eines Monats widerspreche (sog. Genehmigungsfunktion). So habe der Fall hier gelegen.

Belehrung über abweichendes Zustandekommen des Versicherungsvertrags nicht erforderlich

Handelt es sich um eine für den Versicherungsnehmer günstige Abweichung, so der Bundesgerichtshof, werde die Abweichung auch ohne Belehrung gemäß § 5 Abs. 2 VVG Vertragsbestandteil. Die Vertreter der gegenteiligen Auffassung verkennen, dass die Regelung eine Schutzvorschrift für den Versicherungsnehmer darstelle. Es sei kein Grund ersichtlich, weshalb eine Versicherung aus der Verletzung dieser Schutzvorschrift Rechte sollte herleiten können.

Keine Genehmigungsfiktion bei Kenntnis des Versicherungsnehmers vom abweichenden Willen der Versicherung

Nach Ansicht des Bundesgerichtshofs komme die Genehmigungsfiktion des § 5 Abs. 1 VVG nicht zur Anwendung, wenn die Versicherung in Wahrheit etwas anderes wolle und der Versicherungsnehmer dies erkenne. In diesen Fällen sei der wahre Wille der Versicherung maßgeblich.

© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 10.10.2016
Quelle: Bundesgerichtshof, ra-online (vt/rb)

Vorinstanzen:
  • Landgericht Aachen, Urteil vom 07.03.2014
    [Aktenzeichen: 9 O 202/13]
  • Oberlandesgericht Köln, Urteil vom 07.10.2014
    [Aktenzeichen: 20 U 62/14]
Aktuelle Urteile aus den Rechtsgebieten:
Fundstellen in der Fachliteratur:
  • NJW 2016, 2808Zeitschrift: Neue Juristische Wochenschrift (NJW), Jahrgang: 2016, Seite: 2808

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