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Das Recht zur freien Selbstbestimmung der Persönlichkeit ist ein Grundrecht - Die Verletzung kann Schmerzensgeldansprüche auslösen. Schmerzensgeldklagen wegen unbefugter Veröffentlichung von Bildern beschäftigen regelmäßig die Gerichte. Wegbereiter ist das als "Herrenreiter-Fall" in die Rechtsgeschichte eingegangene Urteil des Bundesgerichtshof (BGH) aus dem Jahr 1958. Die Entscheidung enthält grundlegende Ausführungen zum allgemeinen Persönlichkeitsrecht und zum zivilrechtlichen Ersatz immaterieller Schäden (BGHZ 26,349).
Der Kläger war ein bekannter Herrenreiter (Dressurreiter) auf Turnieren. Die Beklagte war Herstellerin eines pharmazeutischen Präparats, das nach landläufiger Vorstellung auch der Hebung der sexuellen Potenz diente. Zu Werbezwecken verbreitete die Beklagte ein Plakat, auf dem ein Turnierreiter abgebildet war. Der Abbildung lag ein u.a. durch Retuschierung bearbeitetes Originalfoto des Klägers zugrunde. Dieser hatte keine Einwilligung zur Verwendung seines Bildes erteilt. Er verklagte die Beklagte daraufhin auf Ersatz des ihm entstandenen Schadens, den er auf mindestens 15.000 DM bezifferte. Er hätte aufgrund seiner geschäftlichen und gesellschaftlichen Stellung, die ihm solcherlei nicht gestatteten, sowie aufgrund seiner guten Vermögensverhältnisse sein Bild für die Werbezwecke der Beklagten nicht zur Verfügung gestellt, und wenn, dann würde er es nur für ein angemessenes Entgelt getan haben.
Das Landgericht verurteilte die Beklagte zur Zahlung von 1.000 DM an den Kläger, das Oberlandesgericht (OLG) korrigierte den Betrag in der Berufung auf 10.000 DM. Der BGH bestätigte das Urteil des OLG. Allerdings schloss er sich nicht der Begründung der Vorinstanzen an, sondern ging einen neuen materiellrechtlichen Weg. Die Vorinstanzen hatten noch einen Schadensersatzanspruch des Klägers unter dem Gesichtspunkt der entgangenen Lizenzgebühr zugesprochen. Das ist der Betrag, den der Kläger hätte verlangen können, wenn zwischen den Parteien ein Vertrag zu angemessenen Bedingungen zustande gekommen wäre. Dem schloss sich der BGH nicht an.
Denn es könne dann kein Anspruch auf angemessene Vergütung geltend gemacht werden, wenn feststehe, dass der Abgebildete die Verwendung seines Bildes zu Werbezwecken aus besonderen Gründen niemals gestattet hätte. Er habe keinen irgendwie fassbaren Vermögensschaden erlitten. Er verlange in Wahrheit nicht Ersatz eines gar nicht vorhandenen Vermögensschadens, sondern begehre eine fühlbare Genugtuung für einen widerrechtlichen Eingriff in seine durch § 22 Kunsturheberrechtsgesetz und Art. 1 und 2 Grundgesetz geschützte Persönlichkeitssphäre. Er begehre Genugtuung dafür, dass ihn das weitverbreitete Plakat, indem es ihn ohne sein Wissen in der Pose des Herrenreiters für das - auch sexuelle - Kräftigungsmittel der Beklagten werben, man könnte fast sagen: reiten ließ, in eine weithin demütigende und lächerliche Lage gebracht habe.
In diesem Fall bestehe gerade kein Schadensersatzanspruch auf Grund der Fiktion eines abgeschlossenen Lizenzvertrags. Eine solche Art der Schadensberechnung komme nur dann in Betracht, wenn davon ausgegangen werden könne, dass ein Vermögensschaden irgendwelcher Art zugefügt worden sei und nur der oft schwierige Nachweis der Schadenshöhe erleichtert werden solle. Sie scheide aber in den Fällen aus, in denen vermögensrechtliche Belange überhaupt nicht betroffen seien. Sie komme nicht in Betracht, wenn sie - wie vorliegend - dem Kläger ein Verhalten unterstellen müsste, dass er als kränkend und als erneute Persönlichkeitsminderung empfinden müsste. Denn sie müsste unterstellen, dass der Kläger sich für viel Geld doch freiwillig in die unwürdige Lage gebracht hätte, gegen die er sich nun wehre.
Der Kläger, der keinerlei vermögensrechtlichen Schaden erlitten habe, könne jedoch Ersatz des immateriellen Schadens verlangen, der sich für ihn aus der mit der Abbildung seiner Person auf den Werbeplakaten verbundenen Beeinträchtigung seiner Persönlichkeit ergeben habe. Dies folge daraus, dass die durch das Grundgesetz (GG) in Art. 1 und 2 geschützte Unantastbarkeit der Menschenwürde und das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit auch als bürgerlichrechtliches, von jedem im Privatrechtsverkehr zu achtendes Recht anzuerkennen sei. Diesem sogenannten allgemeinen
Art. 1 und 2 GG schützen das, was man die menschliche Personhaftigkeit nenne. Sie schützen damit unmittelbar jenen inneren Persönlichkeitsbereich, der grundsätzlich nur der freien und eigenverantwortlichen Selbstbestimmung des Einzelnen unterstehe und dessen Verletzung rechtlich dadurch gekennzeichnet sei, dass sie in erster Linie sogenannte immaterielle Schäden, die sich in einer Persönlichkeitsminderung ausdrücken, erzeuge. Diesen Bereich zu achten und nicht unbefugt in ihn einzudringen, sei ein rechtliches Gebot, das sich aus dem Grundgesetz selbst ergebe. Ebenso folge aus dem Grundgesetz die Notwendigkeit, bei Verletzung dieses Bereiches Schutz gegen die der Verletzung wesenseigentümlichen Schäden zu gewähren.
Die unbefugte Veröffentlichung des Bildes eines Menschen stelle einen Eingriff in die Freiheit der Selbstbestimmung und der freien Betätigung der Persönlichkeit dar. Dem Abgebildeten werde mit der eigenmächtigen Bildnisveröffentlichung die Freiheit entzogen, auf Grund eigener Entschließung über dieses Gut seiner Individualsphäre zu verfügen. Das Grundgesetz garantiere einen umfassenden Schutz der Persönlichkeit und erkenne die Würde des Menschen sowie das Recht zur freien Entfaltung der Persönlichkeit als einen Grundwert der Rechtsordnung an. Daraus ergebe sich, dass derjenige, der in der Freiheit der Selbstentschließung über seinen persönlichen Lebensbereich verletzt sei, einen Anspruch auf Ersatz des hierdurch hervorgerufenen immateriellen Schadens habe. § 847 BGB sei analog anzuwenden.
Der Schmerzensgeldanspruch erfülle maßgeblich die Funktion des angemessenen Ausgleichs für diejenigen Schäden, d.h. für die Lebens- oder Persönlichkeitsminderung, die nicht vermögensrechtlicher Art seien, sowie die Genugtuungsfunktion, wonach der Schädiger dem Geschädigten Genugtuung für das schulde, was er ihm angetan habe. In vorliegendem Fall wertete der BGH es in Übereinstimmung mit der Vorinstanz als besonders schwerwiegend, dass es sich um Werbung für ein als Sexualkräftigungsmittel geltendes Präparat gehandelt habe, bei dem ein Vergleich mit der Werbung für andere Erzeugnisse gar nicht möglich sei. Auch sei zu berücksichtigen, dass der Kläger sich in einer Gesellschaftsschicht bewege, deren Mitglieder überwiegend miteinander bekannt seien und daher die Gefahr, sich lächerlich zu machen, besonders groß sei.
Die Entscheidung ist aus dem Jahr 1958 und erscheint im Rahmen der Reihe "Urteile, die Rechtsgeschichte geschrieben haben".
KunstUrhG 22; GG Art. 1, 2; BGB § 847
Nachdem durch GG Art. 1, GG Art. 2 das Recht zur freien Selbstbestimmung der Persönlichkeit als ein Grundwert der Rechtsordnung anerkannt ist, ist es gerechtfertigt, in analoger Anwendung des BGB § 847 auch dem durch die unbefugte Veröffentlichung seines Bildes Verletzten wegen eines hierdurch hervorgerufenen, nicht vermögensrechtlichen Schadens eine billige Entschädigung in Geld zu gewähren.
© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 10.02.2011
Quelle: ra-online, Bundesgerichtshof (vt/we)
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Dokument-Nr. 11026
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