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Im Prozess dürfen heimlich gewonnene Informationen nicht verwertet werden, weil dies den Grundsatz des fairen Verfahrens verletzt. Dies entschied der Bundesgerichtshof in einem Fall, in dem eine Frau ihren Mann in der Untersuchungshaft besuchte. Der Besuchsraum wurde abgehört.
Das Landgericht Kempten verurteilte den Angeklagten am 1. August 2008 unter anderem wegen Mordes, begangen aus niedrigen Beweggründen, zu einer lebenslangen Gesamtfreiheitsstrafe. Nach den Feststellungen des Landgerichts heiratete der Angeklagte, ein marokkanischer Staatsangehöriger, im Jahr 2006 seine auch aus Marokko stammende, in Deutschland lebende Ehefrau und zog zu ihr nach Kempten. Dort besuchte er ab Oktober 2006 einen Deutschkurs. Zwischen dem Angeklagten und seiner ebenfalls verheirateten Deutschlehrerin, dem späteren Opfer der Tat, entwickelte sich schon bald eine außereheliche intime Beziehung. Bei einem Treffen am 12. September 2007 in der ehelichen Wohnung des Angeklagten kam es zwischen diesem und der später Getöteten zu einem Streit. Nachdem beide zunächst einvernehmlich miteinander geschlafen hatten, verlangte der Angeklagte plötzlich von ihr, ihren Ehemann zu verlassen und mit ihm, dem Angeklagten, ins Ausland zu gehen. Um seiner Forderung Nachdruck zu verleihen, drohte der Angeklagte, ihren Ehemann von der außerehelichen Beziehung zu unterrichten. Zu diesem Zweck hatte er schon zuvor den einvernehmlichen Geschlechtsverkehr heimlich gefilmt. Die später Getötete wies das Ansinnen des Angeklagten zurück. Für sie kam eine Trennung von ihrem Ehemann unter keinen Umständen in Betracht. Weil der Angeklagte sich hiermit nicht zufrieden geben wollte, rief er am Morgen des 17. September 2007 mehrfach bei ihr an und überredete sie zu einem Treffen auf einem Parkplatz in Kempten. Von dort aus fuhren beide im Pkw des Tatopfers zu einem kleinen Stausee zwischen Börwang und Wildpoldsried. Dort kam es wieder zu einem Streit, weil sich die dann Getötete auch weiterhin weigerte, ihre Familie zu verlassen. Der Angeklagte schlug ihr daraufhin heftig ins Gesicht. Mit einem weiteren kräftigen Schlag gegen den Hals brach er ihr das rechte obere Kehlkopfhorn. Dann entschloss er sich, sein Opfer zur Durchsetzung seines absoluten Macht- und Besitzanspruchs zu töten. Er erwürgte es und legte den Leichnam in einer versteckt liegenden Erdmulde ab. Anschließend fuhr er zurück nach Kempten, wo er zunächst in der ehelichen Wohnung am Computer arbeitete und später seine Ehefrau von der Arbeit abholte.
Der Angeklagte wurde am 21. September 2007 festgenommen. Über die Telefonverbindungsdaten war festgestellt worden, dass die Getötete zuletzt mit dem Angeklagten telefoniert hatte. Bei seiner ermittlungsrichterlichen Vernehmung gab der Angeklagte das Treffen mit der Getöteten auf dem Parkplatz zu, behauptete aber, mit deren Verschwinden nichts zu tun zu haben. Der Angeklagte wurde daraufhin in die
Neben mehreren objektiven Beweisanzeichen (Telefonverbindungsdaten, Blutspuren des Opfers an der Kleidung des Angeklagten, DNS des Angeklagten im Pkw des Opfers) hat die Strafkammer den Inhalt des abgehörten Gesprächs als ein "deutliches Indiz" für die Täterschaft des Angeklagten und den gewaltsamen Tod des Tatopfers, dessen stark verweste Leiche erst im Dezember 2007 entdeckt wurde, gewertet.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat das Urteil des Landgerichts Kempten auf die Revision des Angeklagten hin aufgehoben.
Die Revision des Angeklagten hatte mit einer Verfahrensrüge Erfolg. Der Inhalt des abgehörten Gesprächs durfte nicht als Beweismittel verwertet werden. Zwar verletzt die Anordnung der Abhörmaßnahme weder die Vorschrift des § 100 f StPO noch stellt sie einen Eingriff in den verfassungsrechtlich geschützten Kernbereich privater Lebensgestaltung dar, weil der Besuchsraum in einer Haftanstalt nicht einer Wohnung gleichsteht und weil Gespräche über Straftaten, wie sie der Angeklagte mit seiner Ehefrau im vorliegenden Fall geführt hat, ohnehin nicht zum Kernbereich privater Lebensgestaltung gehören. Das Vorgehen der Ermittlungsbehörden verstößt im vorliegenden Fall aber gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens (Art. 6 Abs. 1 MRK). Bei dieser Wertung war zum einen die besondere Situation des Angeklagten in der
Angeklagten schon vor dem Hintergrund des verfassungsrechtlich verankerten Verbots eines Zwangs zur Selbstbelastung ("nemo tenetur se ipsum accusare") bedenklich. Zudem nähert sich die von normalen Abläufen in der
Auch ohne Wissen der Betroffenen darf außerhalb von Wohnungen das nichtöffentlich gesprochene Wort mit technischen Mitteln abgehört und aufgezeichnet werden, wenn bestimmte Tatsachen den Verdacht begründen, dass jemand als Täter oder Teilnehmer eine in § 100 a Abs. 2 bezeichnete, auch im Einzelfall schwerwiegende Straftat begangen oder in Fällen, in denen der Versuch strafbar ist, zu begehen versucht hat, und die Erforschung des Sachverhalts oder die Ermittlung des Aufenthaltsortes eines Beschuldigten auf andere Weise aussichtslos oder wesentlich erschwert wäre.
(4) 1Die Maßnahme darf nur angeordnet werden, soweit auf Grund tatsächlicher Anhaltspunkte, insbesondere zu der Art der zu überwachenden Räumlichkeiten und dem Verhältnis der zu überwachenden Personen zueinander, anzunehmen ist, dass durch die Überwachung Äußerungen, die dem Kernbereich privater Lebensgestaltung zuzurechnen sind, nicht erfasst werden. 2Gespräche in Betriebs- oder Geschäftsräumen sind in der Regel nicht dem Kernbereich privater Lebensgestaltung zuzurechnen. 3Das Gleiche gilt für Gespräche über begangene Straftaten und Äußerungen, mittels derer Straftaten begangen werden.
© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 29.04.2009
Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 90/09 des BGH vom 29.04.2009
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Dokument-Nr. 7797
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