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Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 04.12.1997
2 AZR 799/96 -

BAG: Unmissverständliche und wiederholt bekräftigte Eigenkündigung eines Arbeitnehmers trotz fehlenden wichtigen Grundes und mangelnder Schriftform wirksam

Berufen auf Unwirksamkeit der eigenen Kündigung wegen widersprüchlichen bzw. treuwidrigen Verhaltens unzulässig

Kündigt ein Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis unmissverständlich und wiederholt mündlich, so kann sich dieser im Nachhinein nicht auf die Unwirksamkeit der eigenen Kündigung wegen fehlenden wichtigen Grundes und mangelnder Schriftform berufen. Es liegt insofern ein widersprüchliches und treuwidriges Verhalten vor. Dies hat das Bundesarbeitsgericht entschieden.

Dem Fall lag folgender Sachverhalt zu Grunde: Nach Behauptung des Arbeitgebers habe ein Arbeitnehmer im Rahmen eines Gespräches mit seinem Vorgesetzten seine fristlose Kündigung erklärt. Wörtlich soll er erklärt haben: "Ich höre auf, ich kündige fristlos". Der Vorgesetzte soll noch versucht haben, den Arbeitnehmer von diesem Vorhaben abzubringen. Dieser soll jedoch nochmals bekräftigt haben: "Nein, ich höre auf. Ich kündige fristlos". Kurze Zeit später soll der Arbeitnehmer den Vorgesetzten nochmals aufgesucht und gesagt haben: "Meine Entscheidung steht, ich höre auf". Danach soll er den Arbeitsplatz verlassen haben. Nachdem der Arbeitgeber die fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses bestätigte, erhob der Arbeitnehmer Kündigungsschutzklage. Er bestritt eine Kündigung ausgesprochen zu haben. Zudem sei eine solche Kündigung ohnehin unwirksam, da weder ein wichtiger Grund vorgelegen habe noch das Schriftformerfordernis eingehalten worden sei. Das Arbeitsgericht Hamm wies die Klage ab. Das Landesarbeitsgericht Hamm gab der Klage statt. Es folgte der Argumentation des Arbeitnehmers und hielt die Eigenkündigung für unwirksam. Dabei habe außer Acht bleiben können, ob die Kündigung tatsächlich ausgesprochen wurde. Gegen das Berufungsurteil legte der Arbeitgeber Revision ein.

Eigenkündigung des Arbeitnehmers war wirksam

Das Bundesarbeitsgericht unterstellte zunächst, dass der Arbeitnehmer die Kündigung ausgesprochen habe. Diese wäre auch wirksam gewesen. Denn der Arbeitnehmer habe sich auf die Unwirksamkeit der eigenen Kündigung nicht berufen können.

Fehlender wichtiger Grund unerheblich

Zwar müsse auch bei einer arbeitnehmerseitigen Kündigung ein wichtiger Grund gemäß § 626 BGB vorliegen. Das Bundesarbeitsgericht hielt es aber für treuwidrig im Sinne des § 242 BGB, wenn eine Partei, die eine Kündigung mehrmals, ernsthaft und nicht nur einmalig spontan ausgesprochen habe, sich nachträglich auf deren Unwirksamkeit berufe. Es stelle ein widersprüchliches Verhalten dar, wenn sich jemand zu seinem Vorteil auf Vorschriften berufe, die er selbst missachtet habe. Ein solcher Fall habe hier vorgelegen.

Wichtiger Grund nicht immer erforderlich

Zudem sei ein wichtiger Grund auch nicht für jeden Fall der sofortigen Beendigung eines Arbeitsverhältnisses erforderlich, so die Bundesrichter weiter. Denn die Parteien seien befugt durch Aufhebungsverträge ein Arbeitsverhältnis sofort zu beenden. Grundsätzlich könne der Arbeitnehmer daher aufgrund der Vertragsautonomie über das "Ob", das "Wie" und das "Wann" einer Vertragsbeendigung entscheiden.

Einseitige Rücknahme der Kündigung nicht zulässig

Das Berufen auf die Unwirksamkeit einer eigenen Kündigung sei auch deshalb unzulässig, so das Bundesarbeitsgericht weiter, da dieses Vorgehen mit der einseitigen Rücknahme einer Kündigung vergleichbar sei, die ebenfalls unzulässig sei. Würde man darüber hinaus den Arbeitnehmer gestatten, sich auf die Unwirksamkeit seiner eigenen Kündigung zu berufen, müsse dies auch für den Arbeitgeber gelten. Dies werde ihm aber im Hinblick auf das Verbot des widersprüchlichen Verhaltens verwehrt. Was jedoch dem Arbeitgeber nicht zuzubilligen sei, könne auch nicht dem Arbeitnehmer gewährt werden. Selbst wenn dies aus Arbeitnehmerschutzgesichtspunkten erfreulich wäre.

Mangelnde Schriftform unbeachtlich

Weiterhin könne sich der Abreitnehmer nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts nicht auf die mangelnde Schriftform seiner Eigenkündigung berufen, da dies ebenfalls ein rechtsmissbräuchliches Handeln darstellen würde. Das Schriftformerfordernis diene unter anderem dazu, übereilte bzw. unüberlegte Handlungen zu verhindern. Einmalige Momentaktionen sollen keine Rechtsgültigkeit erlangen und damit wirksam werden. Hier habe der Fall aber anders gelegen. Der Arbeitnehmer habe sich nicht spontan und übereilt geäußert. Es habe sich vielmehr um eine abschließende Entscheidung gehandelt.

Berufungsurteil wurde aufgehoben

Da sich der Arbeitnehmer nicht auf die Unwirksamkeit seiner eigenen Kündigung berufen habe könne, sei es auf die Frage, ob er eine solche Kündigung tatsächlich ausgesprochen habe, angekommen. Das Bundesarbeitsgericht hob daher das Berufungsurteil auf und wies den Rechtsstreit an das Landesarbeitsgericht zur Neuentscheidung zurück.

© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 05.04.2013
Quelle: Bundesarbeitsgericht, ra-online (vt/rb)

Vorinstanzen:
  • Arbeitsgericht Hamm, Urteil vom 08.03.1996
    [Aktenzeichen: 2 Ca 2224/95]
  • Landesarbeitsgericht Hamm, Urteil vom 04.11.1996
    [Aktenzeichen: 19 (14) Sa 773/96]
Aktuelle Urteile aus den Rechtsgebieten:
Fundstellen in der Fachliteratur:
  • BAGE 87, 200Sammlung: Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts (BAGE), Band: 87, Seite: 200
  • MDR 1998, 542Zeitschrift: Monatsschrift für Deutsches Recht (MDR), Jahrgang: 1998, Seite: 542
  • NJW 1998, 1659Zeitschrift: Neue Juristische Wochenschrift (NJW), Jahrgang: 1998, Seite: 1659
  • NZA 1998, 420Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht (NZA), Jahrgang: 1998, Seite: 420

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