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Schwerbehinderte können sich nur auf den Sonderkündigungsschutz berufen, wenn ihre Behinderung bereits offiziell anerkannt ist oder aber wenn ihr Antrag auf Anerkennung mindestens drei Wochen vor der Kündigung gestellt worden ist. Das hat das Bundesarbeitsgericht entschieden.
Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines schwerbehinderten Menschen ist nach § 85 SGB IX unwirksam, wenn sie ohne Zustimmung des Integrationsamtes erfolgt. Vom Zustimmungserfordernis erfasst werden jedoch nur Kündigungen gegenüber solchen Arbeitnehmern, die bei Zugang der Kündigung bereits als Schwerbehinderte anerkannt sind oder den Antrag auf Anerkennung mindestens drei Wochen vor dem Zugang der Kündigung gestellt haben (§ 90 Abs. 2a SGB IX). Gleiches gilt für Arbeitnehmer, die einem schwerbehinderten Menschen gleichgestellt sind. Auch sie sind vom Sonderkündigungsschutz ausgeschlossen, wenn sie den Gleichstellungsantrag nicht mindestens drei Wochen vor der Kündigung gestellt haben. Dies hat das Bundesarbeitsgericht am heutigen Tage entschieden und damit einen seit längerem bestehenden Streit um die Auslegung des § 90 Abs. 2a SGB IX beendet. Die Vorschrift war ins Gesetz eingefügt worden, um einer missbräuchlichen Erschwerung von Kündigungen zu begegnen.
Die Klägerin war seit 1995 bei der Beklagten als Arbeiterin beschäftigt. Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin am 6. Dezember 2004, ohne zuvor die Zustimmung des Integrationsamtes eingeholt zu haben. Kurz zuvor am 3. Dezember 2004 hatte die Klägerin bei der zuständigen Behörde einen Antrag auf Gleichstellung mit einem schwerbehinderten Menschen gestellt. Dem Antrag wurde im April 2005 rückwirkend zum 3. Dezember 2004 stattgegeben. Im Kündigungsschutzprozess machte die Klägerin geltend, die Kündigung sei unwirksam, weil sie am 6. Dezember 2004 bereits (rückwirkend) gleichgestellt gewesen sei und somit den Sonderkündigungsschutz nach § 85 SGB IX in Anspruch nehmen könne.
Die Klage blieb vor dem Zweiten Senat des Bundesarbeitsgerichts erfolglos. Nach § 90 Abs. 2a SGB IX stand der Klägerin, obwohl sie bei Ausspruch der Kündigung einem schwerbehinderten Menschen gleichgestellt war, kein Sonderkündigungsschutz zu. Sie hat ihren Gleichstellungsantrag nicht mindestens drei Wochen, sondern nur drei Tage vor der Kündigung gestellt.
1. Die Vorschrift des § 90 Abs. 2a SGB IX (juris: SGB 9) gilt nicht nur für schwerbehinderte Menschen, sondern auch für ihnen nach § 68 SGB IX gleichgestellte behinderte Menschen.
2. Nach § 90 Abs. 2a 1. Alt. SGB IX findet der Sonderkündigungsschutz für schwerbehinderte Menschen dann keine Anwendung, wenn die Schwerbehinderung im Zeitpunkt der Kündigung nicht nachgewiesen ist.
3. Trotz fehlenden Nachweises bleibt der Sonderkündigungsschutz dagegen dann nach § 90 Abs. 2a 2. Alt. SGB IX bestehen, wenn das Fehlen des Nachweises nicht auf fehlender Mitwirkung des Arbeitnehmers beruht. Das Fehlen des Nachweises beruht nach dem Gesetz jedenfalls dann auf fehlender Mitwirkung des Arbeitnehmers, wenn er den Antrag auf Anerkennung oder Gleichstellung nicht mindestens drei Wochen vor der Kündigung gestellt hat. § 90 Abs. 2a 2. Alt. SGB IX enthält insoweit die Bestimmung einer Vorfrist.
© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 01.03.2007
Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 17/07 des Bundesarbeitsgerichts vom 01.03.2007
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