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Amtsgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 03.03.2017
31 C 117/17 (16) -

"Wilder Streik": Flugverspätung aufgrund massenhafter fingierter Krankmeldungen des Personals begründet Ausgleichsansprüche der Fluggäste

Fluggesellschaft kann sich nicht auf außergewöhnliche Umstände berufen

Kommt es zu einer Flugverspätung, weil massenhaft Personal eine Arbeitsunfähigkeit vortäuscht ("Wilder Streik"), liegt kein außergewöhnlicher Umstand im Sinne von Art. 5 Abs. 3 der Flug­gast­rechte­verordnung (VO) vor. Den von der Verspätung betroffenen Fluggästen steht damit eine Ausgleichszahlung nach Art. 7 VO zu. Dies hat das Amtsgericht Frankfurt a.M. entschieden.

In dem zugrunde liegenden Fall musste ein Flug von Frankfurt a.M. nach Fuerteventura im Oktober 2016 um einen Tag verschoben werden, da sich Cockpit- und Kabinenpersonal in Scharen unter Vortäuschung einer Arbeitsunfähigkeit krankmeldeten und nicht zur Arbeit erschienen. Hintergrund dessen war, dass das Personal eine von der Fluggesellschaft geplante Umstrukturierung verhindern wollte. Aufgrund der erheblichen Ankunftsverspätung des Fluges machten zwei Fluggäste mit einer Klage Ausgleichszahlungen geltend. Die beklagte Fluggesellschaft weigerte sich zu zahlen, da sie sich auf außergewöhnliche Umstände berief.

Anspruch auf Ausgleichszahlung

Das Amtsgericht Frankfurt a.M. entschied zu Gunsten der Kläger. Ihnen stehe nach Art. 7 VO ein Anspruch auf Ausgleichszahlung zu. Auf außergewöhnliche Umstände habe sich die Beklagte nicht berufen können.

Unerwarteter Personalausfall begründet keinen außergewöhnlichen Umstand

Nach Auffassung des Amtsgerichts begründe ein unerwarteter Ausfall von Personal keinen außergewöhnlichen Umstand. Dadurch verwirkliche sich vielmehr das Unternehmerrisiko. Die ganz gravierende Fehleinschätzung des eigenen Personals in Sachen Vertragstreue, Aufrichtigkeit, Verlässlichkeit und Loyalität gegenüber dem Arbeitgeber treffe den ureigenen Verantwortungsbereich des Unternehmers und dessen Betriebsorganisation. Es seien keine Anhaltspunkte ersichtlich, dass die Verordnung dieses Unternehmerrisiko auf die Fluggäste verlagern wolle. Die Beklagte könne den für den massenhaften Arbeitsausfall Verantwortlichen in Regress nehmen. Auch die Massivität und die Unvorhersehbarkeit des Personalausfalls ändere nichts an der Beurteilung. Denn nicht jeder Umstand, der den Arbeitgeber überrascht, sei ein außergewöhnlicher Umstand.

"Wilder Streik" nicht gleichzusetzen mit Streik als Arbeitskampfmaßnahme

Zwar könne ein Streik als Arbeitskampfmaßnahme einen außergewöhnlichen Umstand begründen, so das Amtsgericht. Ein solcher habe hier hingegen nicht vorgelegen. Die massenhafte Vortäuschung von Arbeitsunfähigkeit sei keine legale, durch einen Aufruf von Arbeitnehmervertretungen initiierte Arbeitskampfmaßnahme und mit einer solchen auch nicht gleichzusetzen.

© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 28.06.2017
Quelle: Amtsgericht Frankfurt a.M., ra-online (zt/RRa 2017, 129/rb)

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