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Verwaltungsgericht Stuttgart, Urteil vom 02.04.2012
A 11 K 1039/12 -

Drohende menschenunwürdige Behandlung: Asylbewerber darf nicht nach Ungarn überstellt werden

Aktuelle „Pro Asyl“-Berichte belegen systemische Mängel des Asylverfahrens für Asylbewerber in Ungarn

Das Verwaltungsgericht Stuttgart hat die Bundesrepublik Deutschland dazu verpflichtet, einen Asylbewerber nicht nach Ungarn zu überstellen, da ihm dort aufgrund systemischer Mängel des Asylverfahrens die Gefahr einer unmenschlichen und erniedrigenden Behandlung droht.

In dem beim Verwaltungsgericht anhängigen Verfahren wehrte sich ein 1987 geborener iranischer Staatsangehöriger gegen eine Rückführung aus Deutschland nach Ungarn. Im Januar 2011 verließ er den Iran und flog nach Budapest/Ungarn; Asyl beantragte er dort nicht. Im Juni 2011 kam er nach Deutschland und stellte einen Asylantrag. Nach der Dublin-II-Verordnung war damit Ungarn für die Prüfung des Asylgesuchs zuständig. Dem Antragsteller wurde daher mitgeteilt, dass er dorthin überstellt würde. Hiergegen wehrte er sich und verwies auf einen Bericht von „Pro Asyl“ vom 15. März 2012.

Misshandlungen durch Polizeikräfte in Hafteinrichtungen in Ungarn an der Tagesordnung

Das Verwaltungsgericht Stuttgart führte zur Begründung seiner Entscheidung aus, dass die Gefahr bestehe, dass der Antragsteller bei einer Rückführung nach Ungarn einer unmenschlichen Behandlung ausgesetzt sei. Nach dem aktuellen Bericht von „Pro Asyl“ vom 15. März 2012 („Ungarn: Flüchtlinge zwischen Haft und Obdachlosigkeit“) lägen systemische Mängel des Asylverfahrens für Asylbewerber in Ungarn vor. Nach diesem Bericht werde die Mehrheit der Asylsuchenden in Ungarn und der auf der Grundlage der Dublin II-Verordnung Überstellten in besonderen Haftzentren inhaftiert. De facto gebe es keine Möglichkeit, gegen die Inhaftierung ein effektives Rechtsmittel einzulegen. Nach dokumentierten Aussagen von inhaftierten Schutzsuchenden würden den Asylsuchenden in den Haftanstalten systematisch Medikamente oder Beruhigungsmittel verabreicht. Außerdem sei bei Befragungen der Inhaftierten durch den UNHCR festgestellt worden, dass Misshandlungen durch Polizeikräfte in den Hafteinrichtungen an der Tagesordnung seien.

Maßnahmen in Hafteinrichtungen stellten unmenschliche und erniedrigende Behandlungen dar

Bei dieser Sachlage bestehe auch im Fall des Antragstellers die tatsächliche Gefahr, im Falle einer Überstellung nach Ungarn einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRCh) ausgesetzt zu werden. Denn gegen den Antragsteller werde nach einer Überstellung nach Ungarn dort ein Ausweisungsbescheid ergehen und er werde infolge dessen in Haft genommen werden. In der Haft drohten ihm aber der Einsatz von Beruhigungsmitteln sowie Misshandlungen. Diese Maßnahmen stellten eine unmenschliche und erniedrigende Behandlung dar.

Hinweis:

Nach der Dublin-II-Verordnung ist für jeden in der Europäischen Union eingereichten Asylantrag grundsätzlich nur ein Mitgliedsstaat zuständig. Wenn ein Drittstaatsangehöriger in einem Mitgliedsstaat Asyl beantragt, der nach der Verordnung nicht zuständig ist, ist ein Verfahren für die "Überstellung" des Asylbewerbers an den zuständigen Mit-gliedsstaat vorgesehen.

© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 30.08.2012
Quelle: Verwaltungsgericht Stuttgart/ra-online

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