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Verwaltungsgericht Frankfurt am Main, Beschluss vom 16.03.2021
5 L 623/21.F -

Erfolgreicher Antrag einer Gewerbetreibenden gegen zusätzliche Beschränkungen nach der Corona-Kontakt-Betriebsbeschränkungs­verordnung

CoKoBev verstößt gegen europäisches Recht und Gleich­behandlungs­grundsatz

Das Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main hat mir Beschluss festgestellt, dass die Antragstellerin einstweilen berechtigt ist, ihre Verkaufsstelle ohne zusätzliche Beschränkungen nach § 3 a Abs. 1 Satz 1 Nummer 22 der Corona- Kontakt-Betriebsbeschränkungs­verordnung des Landes Hessen zu betreiben.

Die Antragstellerin betreibt eine Verkaufsstelle zur Ausstellung und Vertrieb von Grills, Grillzubehör sowie Produkten im Zusammenhang mit dem Thema Grillen. Die Antragstellerin verfügt über ein umfassendes Hygienekonzept für ihre ca. 280 m² große Verkaufsfläche. In unmittelbarer Nähe befindet sich ein Garten-/Bau-/Heimwerkermarkt. Die Antragstellerin sieht sich jetzt durch die besonderen Beschränkungen nach § 3 a Abs. 1 Satz 2 Nummer 22 der Corona-Kontakt-und Betriebsbeschränkungsverordnung (im Folgenden: CoKoBeV) in einem erheblichen Wettbewerbsnachteil gegenüber den Garten-Bau- und Heimwerkermärkten, zu denen die Kunden ohne das sogenannte click and meet Verfahren und ohne die strengere Quadratmeterregelung Zugang hätten. Die Antragstellerin hat den Erlass einer einstweiligen Anordnung sowohl gegenüber dem zuständigen Kreis als auch gegenüber der Gemeinde, in deren Gebiet sich die Verkaufsstelle befindet, beantragt.

Verstoß gegen Europarecht und Gleichbehandlungsgrundsatz

Das Verwaltungsgericht hat daraufhin festgestellt, dass die Antragstellerin ihre Filiale ohne zusätzliche Betriebsbeschränkungen betreiben darf. Gegen die zusätzlichen Betriebsbeschränkungen nach § 3 a Abs. 1 Satz 2 Nummer 22 der CoKoBev bestünden erhebliche rechtliche Bedenken. Zur Zulässigkeit des Antrags wird ausgeführt, dass die CoKoBev selbstvollziehend sei und die Antragstellerin nicht erst einen Verwaltungsakt abwarten müsse, um dagegen vorzugehen. Auch sei es ihr nicht zuzumuten, eventuell erst ein Bußgeld abzuwarten, um dann in einem Ordnungswidrigkeitsverfahren eine Überprüfung der Regelung zu erreichen. Das Gericht hat festgestellt, dass der Normbefehl in § 3 a Abs.1. Satz 1 Nummer 22 CoKoBev sowohl gegen Vorgaben des Europarechts wie auch gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz nach Art. 3 des Grundgesetzes verstoße und auch nicht geltungserhaltend ausgelegt werden könne.

Differenzierung zwischen Verkaufsstätten ungerechtfertigt

Durch die Erklärung der Nichtanwendbarkeit von Normen der Datenschutz- Grundverordnung werde gegen europarechtliche Vorgaben, wie sie in der Datenschutz- Grundverordnung ihren Niederschlag gefunden haben, verstoßen. Unter keinen erdenklichen Gesichtspunkten sei die Hessische Landesregierung ermächtigt, Akte der europäischen Gesetzgebung pauschal für nicht anwendbar zu erklären. Es sei auch die Differenzierung der gebildeten Gruppen von Verkaufsstellen in § 3 a Abs. 1.Ziffer 18, 20 und 21 CoKoBev einerseits und in § 3 a Abs.1 Satz 2 Nummer 22 andererseits nicht nachvollziehbar. In der allgemeinen Begründung heißt es dazu, dass Bau- und Heimwerkermärkte nunmehr dem offenstehenden Einzelhandel zugerechnet würden und damit dem erweiterten Versorgungsbedarf der Bevölkerung angesichts der nunmehr bereits zweieinhalbmonatigen Schließung des Einzelhandels dienten. Die 5. Kammer hat dazu ausgeführt, dass diese Argumentation keinen infektionsschutzrechtlichen Bezug aufweise und daher eine Differenzierung im Hinblick auf die unterschiedlichen Verkaufsstätten nicht rechtfertigen könne. Es komme zu Wettbewerbsverzerrungen, da identische Produkte unter unterschiedlichen Konditionen angeboten würden. Im vorliegenden Fall sei die Unterscheidung von Garten-und Baumärkten einerseits und der Verkaufsstelle der Antragstellerin mit dem Grillsortiment andererseits nicht nachvollziehbar. Die Unterscheidung zwischen diesen Betriebsstätten mit unterschiedlichen Auswirkungen auf die Möglichkeiten, die Verkaufsstellen zu betreten, sei nicht rechtsstaatlich begründbar.

Zweifel an Sinnhaftigkeit von "Click and Meet"

In Bezug auf die „aktuelle epidemiologische Situation“ lasse sich auch nicht einmal ansatzweise erkennen, warum bei Gartenmärkten, Blumenläden, Bau- und Heimwerkermärkten einerseits die Regelung gelte, dass „…auf die ersten 800 m² Verkaufsfläche höchstens 1 Person je angefangener Verkaufsfläche von 10 m² und auf die folgenden 800 m² höchstens 1 Person je angefangenen 20 m² …“eingelassen werden dürfe, die Antragstellerin andererseits aber höchstens einer Person je angefangener Verkaufsfläche von 40 m² Zutritt gewähren dürfe. Das Argument der bereits zweieinhalbmonatigen Schließung des Einzelhandels habe keinen infektionsschutzrechtlichen Bezug und sei daher für die getroffenen Differenzierungen sachfremd. Zweifel hat das Gericht auch an der Sinnhaftigkeit des Verfahrens „click and meet“, zumal eine Anmeldung direkt vor Ort nicht ausgeschlossen sei. Auch sei nicht nachvollziehbar, warum die nach § 3 CoKoBev in jedem Fall erforderlichen Hygieneregeln in infektionsschutzrechtlicher Hinsicht nicht ausreichend seien.

© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 22.03.2021
Quelle: Verwaltungsgericht Frankfurt am Main, ra-online (pm/aw)

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