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Das Verwaltungsgericht Frankfurt am Main hat eine Untersagungs- und Abwicklungsverfügung der Bundesanstalt für Finanzdienstleitungsaufsicht (Bafin; Beklagte) unter Aufgabe der bisherigen Rechtsprechung der bis zum 31.12.2004 zuständig gewesenen 9. Kammer des Gerichts, welche in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs gestanden hatte, aufgehoben.
Die Klägerin, eine in Frankfurt am Main tätige Aktiengesellschaft, die nach ihrer Satzung die Durchführung von Transaktionen in Finanzinstrumenten im Sinne von § 1 Abs. 1 Kreditwesengesetz (KWG) im eigenen Namen und für eigene Rechnung zur Anlage des eigenen Vermögens zum Gegenstand hat, begründete verschiedene Portfolios. Bestimmte als Namensschuldverschreibungen ausgestatteter Zertifikate konnten von den Anlegern zu einem von der Klägerin festgelegten Ausgabepreis gezeichnet und später "ausgeübt" oder zu einem von der Klägerin festgelegten Rücknahmepreis täglich an diese zurückveräußert werden. Andere als Inhaberschuldverschreibungen ausgestattete Zertifikate konnten zu den von der Klägerin festgesetzten Preisen von Anlegern direkt oder an der Frankfurter Wertpapierbörse erworben werden, wo sie in den Freiverkehr einbezogen waren. Die Anleger nahmen an Gewinnen und Verlusten aus dem Handel mit Finanzinstrumenten in dem jeweiligen Portfolio teil. Die Klägerin stellte ihre Kosten monatlich pauschaliert in Rechnung und erhielt als Provision eine prozentual ausgestaltete Gewinnbeteiligung. Diese Tätigkeit untersagte die Beklagte der Klägerin mit Verfügung vom 19.02.2003 als unerlaubtes Finanzkommissionsgeschäft. Die gegen diese Verfügung erhobene Klage ist noch beim Verwaltungsgericht Frankfurt am Main unter dem Aktenzeichen 1 E 1822/04 anhängig.
Zwischenzeitlich teilte die Klägerin der Beklagten mit, dass sie ihre Geschäfte rekonstruiert habe. Sie habe ihre Hedge-Fondbeteiligungen in eine Gesellschaft mit Sitz in Nassau eingebracht und im Gegenzug eine entsprechende Beteiligung an dem Gesellschaftsvermögen dieser Firma erhalten. Geschäftsführerin dieser Gesellschaft sei eine andere Gesellschaft, die von ihr beraten werde. Ferner habe sie ihre Vola+Value Handelsstrategie abgetreten und Vermögenswerte in der Zusammensetzung des Vola+Value Portfolios auf diese übertragen. Zur Grundlage der Erfolgsmitteilungen würden nicht mehr die Bestände an Vermögenswerten der Klägerin in den verschiedenen Unternehmensbereichen, sondern eine andere Berechnung des Black+White-Index gemacht.
Mit der streitgegenständlichen Verfügung vom 05.04.2004 untersagte die Beklagte der Klägerin, das Finanzkommissionsgeschäft im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 KWG dadurch zu betreiben, dass sie Finanzinstrumente im eigenen Namen für fremde Rechnung anschafft und veräußert. Die Verfügung enthielt weitere Untersagungen bzgl. der Anlegung von Geldern der Anleger sowie der Werbung für Finanzkommissionsgeschäfte. Ferner ordnete die Bafin die unverzügliche Abwicklung der unerlaubt betriebenen Finanzkommissionsgeschäfte an. Ebenfalls sollte die Klägerin die Anleger durch geeignete Hinweise auf ihren Internetseiten über die angeordnete Abwicklung informieren. Nach Zurückweisung ihres dagegen eingelegten Widerspruchs erhob die Klägerin im April 2005 Klage vor dem Verwaltungsgericht Frankfurt am Main. Sie vertrat die Auffassung, die Verfügung der Bafin sei rechtswidrig, denn sie betreibe keine Finanzkommissionsgeschäfte. Zu dieser unzutreffenden Auffassung gelange die Bafin nur deshalb, weil sie den Anwendungsbereich des § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 Kreditwesengesetz abweichend vom Willen des Gesetzgebers ausdehne. Vorliegend fehle es nämlich an der für Kommissionsgeschäfte wesentlichen Eigentumsverschaffung der Finanzinstrumente. Sie betreibe auch kein Investmentgeschäft, denn das Investmentgesetz kenne ausschließlich einen formalen Begriff des Investmentvermögens in den Formen des Investmentfonds und der Investmentgesellschaft.
Dem gegenüber verteidigte die Bafin ihren weiten Kommissionsbegriff. Das Kreditwesengesetz solle die Ordnung in Kredit- und Finanzdienstleitungswesen gewährleisten, die Funktionsfähigkeit des Finanzapparates erhalten und die Institutsgläubiger vor Verlusten schützen. Deshalb sollten nur solche Kreditinstitute Bankgeschäfte betreiben, die vor Geschäftsaufnahme eine Erlaubnis erhalten hätten. Die 9. Kammer des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main habe zu Recht ausgeführt, dass das fehlende einseitige Anordnungsrecht eines Anlegers gegenüber dem Kommissionär den Tatbestand des Finanzkommissionsgeschäftes nicht ausschließe.
In seinem Urteil führt das Verwaltungsgericht Frankfurt am Main aus, es fehle an einer Rechtsgrundlage für die streitbefangene Verfügung der Beklagten, da die Klägerin keine Bankgeschäfte betreibe, für die sie nach § 32 KWG eine Erlaubnis bedürfe. Das Gericht lehne die erweiternde Auslegung des Tatbestandes des § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 Kreditwesengesetz im Wege einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise, wie dies der ständigen Rechtsprechung der früher zuständig gewesenen 9. Kammer und des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs entsprochen habe, ab. Auf der Grundlage der Wertpapierdienstleistungsrichtlinie der Europäischen Union sei der in der Literatur herrschenden Meinung zu folgen, wonach für den Tatbestand des Finanzkommissionsgeschäftes im Sinne des Kreditwesengesetzes das Vorliegen eines Kommissionsgeschäftes im Sinne der §§ 383 f. Handelsgesetzbuch zu fordern sei. Nach Wortlaut und Entstehungsgeschichte der Wertpapierdienstleistungsrichtlinie habe der Richtliniengesetzgeber Kommissionsgeschäfte herkömmlicher Prägung, wie sie in § 383 Handelsgesetzbuch definiert seien, erfassen wollen.
Wörtlich heißt es: "Da das Gericht keine Zweifel bei der Auslegung des Inhalts des Gemeinschaftsrechtes in Gestalt von Anhang Abschnitt A 1 b der Wertpapierdienstleistungsrichtlinie hat, erübrigt sich eine Vorlage an den Europäischen Gerichtshof nach näherer Maßgabe von Art. 234 EG.".
Ungeachtet der gemeinschaftsrechtlichen Bedenken gegen die weite Auslegung des Begriffes des Finanzkommissionsgeschäftes durch die Beklagte habe das Gericht aber auch nach nationalem Recht Bedenken gegen die Ausweitung des Begriffs des Finanzkommissionsgeschäftes im Sinne der Beklagten. Bei den kollektiven Anlegemodellen, die die Bafin erfassen wolle, fehle es aber am Eigentumserwerb (Eigentumszwischenerwerb) des Kommissionärs (als solcher ist gemeint die Klägerin).
Die Klägerin betreibe aber auch kein Bankgeschäft in Form des Investmentgeschäftes. Auch hier halte das Gericht an der früheren Rechtsauffassung, die im Gegensatz zur herrschenden Meinung stehe, nicht mehr fest. Die herrschende Auffassung in der Literatur gehe von einem formellen Investmentbegriff aus, wonach nur die Geschäfte von Kapitalanlagegesellschaften im Sinne von § 6 Abs. 1 Investmentgesetz erfasst würden. Das Investmentgesetz sei wegen seines abschließenden positiven Katalogs der erfassten kollektiven Anlageformen nicht auf andere im Gesetz nicht ausdrücklich genannte kollektive Anlageformen anwendbar.
Nach alledem bedürfe die Klägerin für die von ihr betriebenen Geschäfte keiner Erlaubnis nach § 32 Kreditwesengesetz, weil sie weder Bankgeschäfte in Form von Finanzkommissionsgeschäften noch von Investmentgeschäften betreibe. Die auf der Grundlage des § 37 Abs. 1 Satz 1 Kreditwesengesetz erfolgte Untersagungsverfügung erweist sich daher als rechtswidrig.
Das Verwaltungsgericht hat die Berufung zum Hessischen Verwaltungsgerichtshof zugelassen, weil sein Urteil von der ständigen Rechtsprechung des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs zur Reichweite des Begriffs des Finanzkommissionsgeschäftes abweiche.
Darüber hinaus hat es die Sprungrevision zum Bundesverwaltungsgericht wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zugelassen.
© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 17.11.2005
Quelle: Pressemitteilung Nr. 30/05 des VG Frankfurt/Main vom 07.11.2005
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Dokument-Nr. 1242
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