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Das Sozialgericht Berlin hat entschieden, dass das Leben in einem Haus der Synanon-Stiftung der Unterbringung in einer stationären Einrichtung entspricht. Es schließt eine Verfügbarkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt grundsätzlich aus. Mitglieder der Selbsthilfegemeinschaft für suchtkranke Menschen haben damit keinen Anspruch gegenüber den Jobcentern auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch („Hartz IV“).
Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Nachdem die Berliner Jobcenter jahrelang auch den suchtkranken Bewohnern der Synanon-Stiftung Leistungen gewährt hatten, haben sie Ende 2012 ihre Praxis geändert und lehnen die ALG II-Anträge seitdem ab. Die Synanon-Bewohner seien in einer stationären Einrichtung untergebracht. Eine Vermittlung in reguläre Arbeit sei nicht möglich. Gemäß § 7 Abs. 4 SGB II seien sie vom Leistungsbezug ausgeschlossen. Demgegenüber halten die Sozialämter, zu deren Aufgaben unter anderem die Unterstützung erwerbsunfähiger Hilfebedürftiger fällt, weiterhin die Jobcenter für zuständig.
Rund 80 Synanon-Bewohner haben daraufhin Anfang 2013 unter Bevollmächtigung einer Anwaltskanzlei vor dem Sozialgericht Berlin Klage gegen die Jobcenter auf Weiterbewilligung von Hartz IV-Leistungen erhoben. Zur Klärung der Zuständigkeitsfrage haben sich die Beteiligten auf die Durchführung einiger Musterprozesse geeinigt, von denen nun einer in erster Instanz entschieden wurde. Bis endgültig geklärt ist, welche Behörde Leistungen bewilligen muss, gewähren die Jobcenter den Synanon-Klägern vorläufig
Der Kläger des vorliegenden Falles lebt seit 2009 in Häusern der Synanon-Stiftung. Gegen die Ablehnung seines Weiterbewilligungsantrags für Februar bis Juli 2013 durch das Jobcenter Berlin Friedrichshain-Kreuzberg erhob er im April 2013 Klage vor dem Sozialgericht Berlin. Bei Synanon handele es sich nicht um eine stationäre Einrichtung, sondern um eine Gemeinschaft suchtkranker Menschen, die sich nach Art einer Lebensschule ohne professionelle Therapeuten Hilfe zur Selbsthilfe geben würden. Es gebe keine formelle Aufnahmeprozedur und keinen Therapieplan. Das Leben sei gänzlich freiwillig ausgestaltet. Soweit es Regeln und Kontrolle gebe, sei dies dem Leben in einer Familie vergleichbar. Herzstück des Lebens sei die Arbeit und Weiterbildung in therapeutischen Zweckbetrieben. Organisation und Konzept der Synanon-Häuser ermöglichten dabei ohne weiteres auch die Aufnahme von Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. Allerdings seien diese Tätigkeiten den Bewohnern wegen der damit verbundenen Rückfallgefahr - also nicht aus strukturellen, sondern aus individuellen Gründen - unzumutbar.
Das Sozialgericht Berlin wies die Klage nach mündlicher Verhandlung ab. Gemäß der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts sei von der Unterbringung in einer stationären Einrichtung auszugehen, wenn deren Träger – wie Synanon – entsprechend seinem Konzept die Gesamtverantwortung für die tägliche Lebensführung und die Integration der Hilfebedürftigen übernehme und diese deswegen dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung stehen. Synanon verstehe sich selbst als Lebensschule, also als eine Einrichtung der Erziehung zu einem suchtmittelfreien Leben. Essentiell für das Hilfekonzept seien das Zusammenleben in der Einrichtung und die Arbeit in den therapeutischen Zweckbetrieben (z. B. im Umzugsgewerbe), weil die Betroffenen noch nicht wieder fähig seien, außerhalb des schützenden Rahmens der Gemeinschaft ohne Rückfall in die Sucht erwerbstätig zu sein. Gerade der Schutz vor einer voreiligen Vermittlung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sei damit Teil des Hilfekonzepts. Dies spreche für eine Zuständigkeit der Sozialämter und Anwendbarkeit des SGB XII (Sozialhilfe).
Wichtige Fertigkeiten der Lebensführung würden - wenn auch auf freiwilliger Grundlage - an die Gemeinschaft delegiert, womit sich die Synanon-Einrichtung deutlich von selbstbestimmteren Wohnformen unterscheide. Die Bewohner eines Synanon-Hauses seien einem von fremder Hand vorgegebenem Kontrollsystem unterworfen, dessen Einhaltung von einem Kollektiv langjähriger Bewohner strikt überwacht werde. Die Gesamtverantwortung des Einrichtungsträgers zeige sich deutlich darin, dass die Bewohner finanzielle Mittel für ihr tägliches Leben nur aus der Hand der Einrichtung ausgezahlt erhielten. Sowohl die Leistungen nach dem SGB II als auch Einkommen aus der Mitarbeit in den Betrieben flössen auf ein Gemeinschaftskonto. Auszahlungen erhielten die Bewohner nur entsprechend ihrer Fähigkeit mit Geld umzugehen, ohne in die Sucht zurückzufallen.
Soweit der Kläger die Schutzbedürftigkeit der Synanon-Bewohner betone, stelle sich im übrigen die Frage, ob überhaupt Erwerbsfähigkeit bestehe. Falls eine Tätigkeit außerhalb der Zweckbetriebe aufgrund der Rückfallgefahr generell unzumutbar sei, deute bereits dies auf eine leistungsausschließende
Leistungen nach diesem Buch erhält nicht, wer in einer stationären Einrichtung untergebracht ist, Rente wegen Alters oder Knappschaftsausgleichleistung oder ähnliche Leistungen öffentlich-rechtlicher Art bezieht.
© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 08.12.2014
Quelle: Sozialgericht Berlin/ra-online
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Dokument-Nr. 19284
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