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Das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz hat entschieden, dass die erkennungsdienstliche Behandlung eines Beschuldigten durch Aufnahme von Lichtbildern, Fingerabdrücke und ähnliche Maßnahmen auch im Falle einer Einstellung des staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahrens mangels hinreichenden Tatverdachts zulässig sein kann, wenn ein sogenannter Restverdacht fortbesteht. Sie ist jedoch nicht notwendig und daher unzulässig, wenn die erkennungsdienstlichen Unterlagen zur Förderung künftiger Ermittlungen nicht geeignet sind, wovon bei etwaigen künftigen gleichgelagerten Straftaten im rein privaten Raum auszugehen ist.
Im ersten Fall wurden gegen den Kläger im Zeitraum von 2011 bis 2017 vier strafrechtliche Ermittlungsverfahren wegen des Vorwurfs von Sexualstraftaten geführt, die alle mangels hinreichenden Tatverdachts nach § 170 Abs. 2 Strafprozessordnung (StPO) eingestellt wurden. Gegen die polizeiliche Anordnung seiner erkennungsdienstlichen Behandlung erhob der Kläger Klage, der das Veraltungsgericht Neustadt an der Weinstraße stattgab. Auf die Berufung des beklagten Landes wies das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz hingegen die Klage ab.
Zur Begründung führte das Gericht aus, die angeordnete erkennungsdienstliche Behandlung sei rechtmäßig. Erkennungsdienstliche Maßnahmen dürften vorgenommen werden, soweit es für die Zwecke des Erkennungsdienstes notwendig sei. Die Notwendigkeit bemesse sich danach, ob der festgestellte Sachverhalt nach kriminalistischer Erfahrung Anhaltspunkte für die Annahme biete, dass der Betroffene künftig mit guten Gründen in den Kreis potentieller Beteiligter an einer noch aufzuklärenden strafbaren Handlung einbezogen werden könnte und dass die erkennungsdienstlichen Unterlagen die dann zu führenden Ermittlungen fördern könnten. Insoweit bedürfe es keiner strafgerichtlichen Verurteilung, um ein strafrechtlich erhebliches Verhalten bei der zu erstellenden Gefahrenprognose als Anlasstat zu berücksichtigen. Auch eine Verfahrenseinstellung nach § 170 Abs. 2 StPO mangels hinreichenden Tatverdachts lasse die Notwendigkeit einer erkennungsdienstlichen Behandlung nicht zwangsläufig entfallen, sondern nur dann, wenn die Verdachtsmomente gegen den Betroffenen vollständig ausgeräumt seien oder der festgestellte Sachverhalt keinen Straftatbestand erfülle. Sei der Tatverdacht hingegen nicht völlig ausgeräumt, sondern bestehe ein Restverdacht hinsichtlich der Anlasstat fort, so könne eine erkennungsdienstliche Behandlung des Beschuldigten notwendig sein. Dies sei hier der Fall. Die staatsanwaltschaftlichen Einstellungen beruhten darauf, dass der Tatverdacht nicht zu einem hinreichenden Tatverdacht, der eine Verurteilung als wahrscheinlich ansehen lasse, habe erhärtet werden können. Sie seien jedoch nicht geeignet, von einem vollständig ausgeräumten Restverdacht auszugehen. So habe die Staatsanwaltschaft in einer der Einstellungsverfügungen selbst ausgeführt, dass die Einstellung nicht bedeute, dass die Unschuld des Klägers bewiesen und die Belastungszeugin der Lüge überführt wäre. Damit sei die Staatsanwaltschaft selbst von einem fortbestehenden Restverdacht ausgegangen. Die angeordnete erkennungsdienstliche Behandlung erweise sich auch unter dem Gesichtspunkt der Wiederholungsgefahr als notwendig. Sowohl die dem Kläger zur Last gelegten Sexualstraftaten, bei denen statistisch betrachtet regelmäßig eine höhere Rückfallgefahr bestehe, als auch seine Persönlichkeit rechtfertigten die Annahme, er könne in Zukunft als Beschuldigter einer Sexualstraftat in den Kreis möglicher Tatverdächtiger einbezogen werden.
Im zweiten Fall wurde der Kläger wegen gefährlicher Körperverletzung rechtskräftig verurteilt, weil er nach den Feststellungen des Strafurteils sein zwei Monate altes Kind aus Verärgerung über dessen fortwährendes Schreien oder aus Überforderung so lange und intensiv geschüttelt hatte, dass es eine lebensbedrohliche Gehirnblutung erlitt. Gegen die polizeiliche Anordnung seiner erkennungsdienstlichen Behandlung erhob dieser Kläger ebenfalls Klage, der das Verwaltungsgericht Neustadt an der Weinstraße stattgab. Das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz bestätigte diese Entscheidung und wies die hiergegen eingelegte Berufung des Beklagten zurück.
Die Anordnung der erkennungsdienstlichen Behandlung sei rechtswidrig. Die erkennungsdienstliche Behandlung sei nicht notwendig, weil die Annahme, die erkennungsdienstlichen Unterlagen könnten künftig gegen den Kläger zu führende Ermittlungen fördern, nicht vertretbar sei. Die Eignung erkennungsdienstlicher Unterlagen zur Förderung künftiger Ermittlungen scheide in der Regel aus, wenn davon auszugehen sei, dass der Betroffene zwar erneut strafrechtlich in Erscheinung treten werde, aber auch ohne die gewonnenen Erkenntnisse ohne weiteres als potentieller Täter in Betracht gezogen werde. Hiervon sei im vorliegenden Fall im Hinblick auf etwaige zukünftige gleichgelagerte Straftaten im rein privaten Raum auszugehen. Für die Annahme, dass der Kläger zukünftig gleichgelagerte Straftaten in der Öffentlichkeit - etwa ein mit Gewaltanwendung einhergehender Kontrollverlust bei einem Einkauf im Supermarkt - begehen könnte, deren Ermittlung durch erkennungsdienstliche Unterlagen gefördert werden könnte, fehlten hinreichende Anhaltspunkte.
© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 15.11.2018
Quelle: Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz/ra-online
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