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Das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht hat mit zwei Eilbeschlüssen zwei Anträge auf vorläufige Außervollzugsetzung der in § 10 Abs. 1b Satz 1 der Niedersächsischen Corona-Verordnung (im Folgenden: Corona-VO) angeordneten Schließung bestimmter Verkaufsstellen des Einzelhandels abgelehnt.
In dem einem Verfahren hatten sich drei Betreiber von Elektronikfachmärkten und in dem anderen Verfahren die Betreiberin eines Schuhfachgeschäfts an das Gericht gewandt. Beide hatten geltend gemacht, dass die Schließungsanordnung unverhältnismäßig sei und sie in ihren Rechten verletze.
Das OVG hat die Anträge nach einer sogenannten Folgenabwägung abgelehnt. Für den Senat sei derzeit offen, ob § 10 Abs. 1b Satz 1 Corona-VO in einem Hauptsacheverfahren für unwirksam zu erklären sei. Der Senat gehe zwar davon aus, dass unter Berücksichtigung des aktuellen Infektionsgeschehens die Voraussetzungen für den Erlass infektionsschutzrechtlicher Schutzmaßnahmen weiterhin erfüllt seien. Es sei aber zweifelhaft, ob die streitgegenständlichen Betriebsschließungen in Gänze noch erforderlich und angemessen seien.
Auch wenn dazu im Eilverfahren keine abschließenden Feststellungen getroffen werden könnten, sei nicht ausgeschlossen, dass mildere, aber hinreichend effektive andere Mittel zur Verfügung stünden. Dafür kämen etwa ein verbessertes betriebliches Hygienekonzept (z.B. mit Nachweisen der Infektionsfreiheit vor Zugang zum Geschäft, mit besonderen Anforderungen an die zu tragenden Mund-Nasen-Bedeckungen, mit Maßnahmen zur Kontaktdatennachverfolgung und mit technischen Maßnahmen zum Austausch oder zur Reinigung der Raumluft) einhergehend mit einer Verbesserung der staatlichen Überwachung und des Vollzugs angeordneter Schutzmaßnahmen, zu denen auch eine Beschränkung der Kundenzahl pro Flächen- oder Zeiteinheit gehören könne, in Betracht. Auch im Hinblick auf das gebietsbezogene Infektionsgeschehen erscheine es nicht ausgeschlossen, dass mildere, in ihrer Wirkung ähnlich effektive Mittel ergriffen werden könnten. Möglich erscheine insbesondere ein noch aktiveres Handeln staatlicher Stellen bei der Pandemiebekämpfung, etwa durch die Intensivierung der Erforschung von Infektionsumfeldern und die Effektivierung der Kontaktnachverfolgung, sowohl durch Stärkung des öffentlichen Gesundheitsdienstes als auch durch Verbesserung technischer Instrumente.
Daher erscheine es zweifelhaft, ob der Verordnungsgeber die nun bereits mehrere Monate andauernde Entwicklung des Infektionsgeschehens durch in erster Linie bloße Verlängerungen der Geltungsdauer begleiten dürfe. Angesichts der damit verbundenen immer gewichtiger werdenden Nachteile für die von den Betriebsschließungen Betroffenen und die gesamte Volkswirtschaft sei derzeit im Rahmen eines Eilverfahrens auch nicht abschließend zu klären, ob die streitgegenständlichen Betriebsschließungen in Gänze noch angemessen seien.
In Bezug auf die Schließung der Schuhgeschäfte sei auch zu berücksichtigen, dass Schuhe insbesondere bei Kindern infolge des Wachstumsprozesses häufig ersetzt werden müssten, so dass die vollständige Schließung der Schuhgeschäfte allenfalls noch für einen kurzen Übergangszeitraum als angemessen angesehen werden könne.
Eine willkürliche
Im Rahmen der wegen der offenen Erfolgsaussichten vorzunehmenden Folgenabwägung überwiege derzeit aber noch das Interesse an der Vermeidung von Infektions-, Erkrankungs- und Todesfällen. Ohne die streitgegenständlichen Betriebsschließungen könnte sich die Gefahr der Ansteckung mit dem Virus, der Erkrankung zahlreicher weiterer Personen, der Überlastung der gesundheitlichen Einrichtungen bei der Behandlung schwerwiegender Fälle und schlimmstenfalls des Todes von Menschen noch weiter erhöhen. Im Rahmen der Folgenabwägung werde auch berücksichtigt, dass die Corona-VO zeitlich befristet sei und damit sichergestellt sei, dass sie fortlaufend an neuere Entwicklungen der Pandemie angepasst werden müsse.
© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 08.03.2021
Quelle: Oberverwaltungsgericht Lüneburg, ra-online (pm/ab)
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