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Oberlandesgericht Saarbrücken, Beschluss vom 24.05.2007
6 UF 106/06 -

Ehemündigkeit: Gericht lehnt Eheschließung einer 16-Jährigen ab

Mangelnde persönliche Reife

Eine 16jährige Deutsch-Türkin, die mit einem 21jährigen Türken verlobt ist, hat keine Erlaubnis erhalten, ihren Partner zu heiraten. Dies geht aus einem Beschluss des Oberlandesgerichts Saarbrücken hervor. Das Gericht war der Ansicht, dass die minderjährige Antragstellerin aufgrund mangelnder persönlicher Reife die volle Tragweite des Heiratsentschlusses noch nicht habe erfassen können,

Grundsätzlich soll eine Ehe gem. § 1303 Abs. 1 BGB nicht vor Eintritt der Volljährigkeit eingegangen werden. Jedoch kann das Familiengericht auf Antrag von dieser Vorschrift eine Befreiung erteilen, wenn der Antragsteller das 16. Lebensjahr vollendet hat und sein künftiger Ehegatte volljährig ist (§ 1302 Abs. 1 und 2 BGB).

Sachverhalt

Im zugrundeliegenden Fall wollte eine 16jährige Realschülerin einen 21 Jahre alten türkischen Studenten heiraten, der mit einem Studentenvisum im September zuvor nach Deutschland eingereist war. Das Paar lebte zum Zeitpunkt der Antragstellung bei den Eltern der Schülerin. Die Eltern hatten der geplanten Eheschließung schon zugestimmt.

Gerichtsentscheidung

Das Familiengericht Saarbrücken und das in der Beschwerdeinstanz zuständige Oberlandesgericht Saarbrücken lehnten die Heirat allerdings ab. Zwar lägen die formalen Voraussetzungen vor, jedoch widerspräche, die beabsichtigte Ehe unter den gegebenen Umständen den wohlverstandenen Interessen der 16jährigen Frau. Das Gericht hat die Befreiung vom Erfordernis der Volljährigkeit jedoch zu versagen, wenn der Minderjährige (hier eine 16-jährige Schülerin) aufgrund seiner fehlenden persönlichen Reife die volle Tragweite des Heiratsentschlusses noch nicht erfasst.

Heirat durch die Eltern motiviert - Folgen einer möglichen Elternschaft sind der 16jährigen Frau nicht bewusst

Die Richter meinten, die Frau habe sich mit der nicht fernliegenden Möglichkeit einer alsbaldigen Elternschaft und deren Auswirkung auf ihre künftige Lebensgestaltung bislang nicht hinreichend auseinandergesetzt. Außerdem sei ihr Ziel, vor Vollendung des 18 Lebensjahres zu heiraten, in nicht unerheblichem Umfang von dem Bestreben motiviert, ihrem Verlobten die Wohnmöglichkeit im Hause ihrer Eltern zu erhalten. Dieser müsse ohne die Erlaubnis zu heiraten wieder in die Türkei zurückkehren.

Ohne Heirat darf der Verlobte nicht weiter im Haus wohnen

Hinter dem Wunsch, durch eine rasche Heirat die Beziehung zu ihrem Verlobten zu legitimieren, würde daneben auch der von elterlicher Seite ausgeübte Druck stehen. Die Eltern hielten es nämlich nach eigenem Bekunden "nicht für angebracht", den Verlobten ohne alsbaldige Heirat noch länger in ihrem Haus wohnen zu lassen.

Keine eigene Existenzgrundlage - noch keine Ausbildung

Entscheidend gegen die Erteilung der erstrebten Befreiung spreche weiter, dass es der geplanten Ehegemeinschaft derzeit und bis auf weiteres an jeglicher eigenständiger wirtschaftlicher Existenzgrundlage fehlen würde, da sich beide Partner noch ohne Abschluss in der Ausbildung befinden, ohne dass absehbar wäre, wann einer von beiden in der Lage wäre, in nennenswertem Umfang zum Familienunterhalt beizutragen. Neben der sich hieraus ergebenden wirtschaftlichen Abhängigkeit von den beiderseitigen Eltern bestünde unter diesen Umständen zudem die nicht von der Hand zu weisende Gefahr, dass die beabsichtigte Eheschließung die anstehende berufliche Ausbildung der minderjährigen Antragstellerin ungünstig beeinflussen wird, wenn etwa ein zum Erhalt einer adäquaten Ausbildungsstelle gegebenenfalls erforderlicher Ortswechsel mit Rücksicht auf die konkreten - auch finanziellen - Gegebenheiten der ehelichen Lebensgemeinschaft unterbleiben muss, was bei der vorliegenden Prognoseentscheidung mit zu berücksichtigen ist, auch wenn die Sorgeberechtigten der vorzeitigen Eheschließung - wie hier die Eltern der Antragstellerin - nicht widersprechen. Denn in der heutigen Zeit kommt einer abgeschlossenen Ausbildung ein hoher Stellenwert zu und die Nachteile einer abgebrochenen oder gänzlich fehlenden Ausbildung wiegen im Regelfall schwerer als die Vorteile einer vorzeitigen Eheschließung, wobei die Nachteile insbesondere der Allgemeinheit zur Last fallen.

16jähriger Frau ist es zumutbar mit der Heirat bis zur Volljährigkeit zu warten

Die im zugrundeliegenden Fall noch gut vierzehnmonatige Wartezeit bis zur Vollendung des achtzehnten Lebensjahres sei der Frau unter den gegebenen Umständen zumutbar, entschieden die Richter.

der Leitsatz

Eheschließung einer 16-Jährigen: keine Befreiung vom Erfordernis der Volljährigkeit bei fehlender persönlicher Reife, die Tragweite des Heiratsentschlusses zu erfassen.

© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 17.06.2008
Quelle: ra-online

Vorinstanz:
  • Amtsgericht Saarbrücken, Beschluss vom 09.11.2006
    [Aktenzeichen: 39 F 300/06 SO]
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