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Ein ehemaliger inoffizieller Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit muss es sich gefallen lassen, dass im Zusammenhang mit einem historischen Ereignis durch entsprechendes Bildmaterial und auch unter Namensnennung über ihn berichtet wird. Dies entschied das Oberlandesgericht München.
Im zugrunde liegenden Fall war der 1981 Kläger vom Ministerium für Staatssicherheit der ehemaligen DDR im Wege einer so genannten „Druckwerbung“ unter Drohungen als Inoffizieller Mitarbeiter (IM) angeworben worden. In der Folge war der Kläger bis 1989 als so genannter „IMB“ tätig und hatte hierfür nicht unerhebliche Geldzahlungen erhalten. Ein IMB (1989 waren nur 3 % der IM der DDR auch IMB) zeichnete sich dadurch aus, dass er über die Informationsbeschaffung hinaus gemäß dem damaligen Sprachjargon zur Zersetzung, Zerschlagung oder Zurückdrängung von „Feinden“ eingesetzt wurde.
Der Beklagte
Der Beklagte berichtet auf seiner Internetseite über die Aktivitäten der Staatssicherheit in und um Erfurt. Darin ist auch ein Foto zu sehen, das eine im Dezember 1989 aufgenommene Szene zeigt, bei der ein Militärstaatsanwalt Räumlichkeiten des Ministeriums für Staatssicherheit versiegelt. Auf diesem Foto kann man den Kläger schräg hinter einem Militärstaatsanwalt stehend erkennen, wobei neben dem Bild sowohl der Name als auch die Funktion des Klägers als IMB genannt werden.
Dies wollte der Kläger dem Beklagten insbesondere deshalb verbieten lassen, da seine berechtigten Interessen das
Sowohl die Bildveröffentlichung als auch die Bezeichnung des Klägers als IMB, die Nennung seines Decknamens und seines so genannten Klarnamens auf der fraglichen Internetseite hat das Gericht für zulässig erachtet. Die erforderliche Güterabwägung ergebe, dass die Rechte des Beklagten, der sich auf die grundgesetzlich geschützte Meinungs-, Informations- sowie die Wissenschaftsfreiheit berufen kann, die Persönlichkeitsrechte des Klägers einschließlich seines Rechts am eigenen Bild überwiegen.
Zur Begründung führte das Gericht aus, dass das Landgericht zu Recht festgestellt habe, dass es sich bei dem Kläger - trotz dessen dagegen gerichteter Berufungsangriffe - um einen früheren IMB handle. Im Rahmen der Prüfung der Rechtmäßigkeit der angegriffenen Veröffentlichung komme es entscheidend auf die objektiven Umstände, also darauf an, dass der Kläger als IMB - was zutrifft - eingestuft worden war und Tätigkeiten ausgeübt hatte, die dem Aufgabenbereich eines IMB entsprachen.
Der Kläger habe auch eine exponierte Stellung im IM-Gefüge des MfS innegehabt. Der Begriff „exponiert“ bedeute nicht, dass eine öffentlich hervorgehobene Stelle bekleidet oder eine Amtsbezeichnung geführt worden sein müsste. IMB würden unter den verschiedenen IM die höchste und problematischste Kategorie darstellen. Ihrer Funktion nach seien sie auf die inneren und äußeren Feinde der DDR angesetzt gewesen, was anderen IM normativ nicht gestattet gewesen sei. Aus diesem Grund sei deren Anzahl unter den IM auch sehr gering ausgefallen. Angesichts ihrer Bedeutung seien auf Basis der von IMB erbrachten Informationen Verfolgungsziele und Vorgehen des MfS gegen kritische Milieus, vornehmlich in den Kirchen, definiert worden. Es habe per se Konsequenzen für die Betroffenen (bis hin zur Haft) gehabt.
Die Bildveröffentlichung sei nach §§ 22, 23 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 3 Kunsturhebergesetz (KUG) zulässig. Bildnisse einer Person dürften zwar grundsätzlich nur mit Einwilligung des Abgebildeten verbreitet werden. Hiervon bestehe jedoch bei Bildnissen aus dem Bereich der Zeitgeschichte eine Ausnahme. Ohne die erforderliche Einwilligung dürften überdies Bilder von Versammlungen, Aufzügen und ähnlichen Vorgängen, an denen die dargestellten Personen teilgenommen haben, verbreitet und zur Schau gestellt werden. Dies gelte lediglich nicht für eine Verbreitung, durch die ein berechtigtes Interesse des Abgebildeten verletzt werde.
Der Beklagte habe die Fotografie, die auch den Kläger zeigt, zwar ohne dessen Einwilligung verwendet und dadurch in dessen
Bei der erforderlichen Abwägung zwischen dem Interesse des Klägers am Schutz seiner Persönlichkeit und dem vom Beklagten wahrgenommenen
Der Beklagte könne sich außerdem auf das Grundrecht der Wissenschaftsfreiheit gemäß Art. 5 Abs. 3 Grundgesetz (GG) berufen. Die Veröffentlichung habe einen historischen Bezug und verfolge das ernsthafte und planmäßige Anliegen, am Beispiel der Stadt Erfurt die Strukturen und die Arbeitsweise des MfS in Erfurt differenziert darzustellen. Ziel sei es, aufzuarbeiten, welche Orte und welche Personen maßgeblich an das Wirken des MfS erinnern können. Die Abwägung der widerstreitenden Interessen ergebe, dass die Bildveröffentlichung auch einschließlich des neben der Fotografie befindlichen Textes rechtmäßig sei. Der Zeitabstand zwischen der Veröffentlichung und ihrem Gegenstand schränke die Freiheit des Beklagten, frei zu entscheiden, zu welchem Gegenstand er sich öffentlich äußert, grundsätzlich nicht ein Es sei nicht die Aufgabe staatlicher Gerichte, einen Schlussstrich unter eine Diskussion zu ziehen oder eine Debatte für beendet zu erklären. An der Beantwortung der Frage, wie die Inoffiziellen Mitarbeiter in das MfS eingebunden waren und welche Rolle ihnen dabei von der Staatssicherheit zugedacht war, bestehe auch heute noch ein nachhaltiges öffentliches Interesse.
Die Veröffentlichung trage zur Aufarbeitung der Stasi-Vergangenheit auch in ihrer konkreten Gestaltung wesentlich bei. Dabei beziehe sich der Schutz des Grundrechts der Meinungs- und Informationsfreiheit nicht nur auf den Inhalt, sondern auch auf die Form einer Äußerung. Der Beklagte trage nachvollziehbar vor, dass das Foto den Schlusspunkt und das Ende der Bespitzelung der Bevölkerung der DDR durch die Staatsicherheit in Szene setze und den Kläger zeige, wie er sich anschicke, vom Stasispitzel zum Helden zu werden. Das Foto personalisiere den abstrakten Sachverhalt und gebe dem Unrecht quasi ein Gesicht; es mache anschaulich, dass nicht Ideologien allein Träger des Unrechts waren, sondern Menschen, die sich zu Handlangern und Tätern gemacht hätten. Das Landgericht habe zu Recht darauf abgestellt, dass der Kläger, seinerzeit IMB und damit im Gefüge des MfS exponiert, noch in dem Moment, in dem der Militärstaatsanwalt unmittelbar nach dem Fall der Berliner Mauer die Räumlichkeiten des MfS versiegele, diesem über die Schulter blicke. Der Beklagte könne somit zu Recht für sich in Anspruch nehmen, dass die Abbildung mit dem erläuternden Text ein geeignetes und besonders anschauliches Mittel sei, dem Betrachter die Realität des Informantensystems vor Augen zu führen. Entsprechendes gelte hinsichtlich des dem Beklagten zur Seite stehenden Grundrechts der Wissenschaftsfreiheit.
Eine schwere nachhaltige Beeinträchtigung durch die Bildveröffentlichung einschließlich des Textes habe der Kläger, so das Oberlandesgericht, nicht hinreichend belegen können. Dem Kläger werde nicht unterstellt, er sei aus besonders niederen Beweggründen IMB gewesen. Das Portal des Beklagten sei überdies eine authentische und sachlich gehaltene Informationsquelle. Der Kläger sei durch die Abbildung auch nicht an der Basis seiner Persönlichkeit getroffen. Eine Berichterstattung über die Intim-, Privat- oder Vertraulichkeitssphäre liege nicht vor. Vielmehr sei der Kläger lediglich in seiner Sozialsphäre betroffen. Auch von einer ausgrenzenden Stigmatisierung lasse sich nicht sprechen. Die Tätigkeit als Inoffizieller Mitarbeiter des MfS sei ein Massenphänomen gewesen, womit die Behauptung, eine bestimmte Person sei IM gewesen, für sich genommen nicht zu einer nachhaltig ausgrenzenden Isolierung führe. Es sei im Zuge der Forschung auch bekannt geworden, dass die Inoffiziellen Mitarbeiter im Unterdrückungs- und Repressionssystem des MfS über keine eigene Macht verfügten, sondern weitgehend von ihren Führungsoffizieren abhängig waren. Der Kläger habe nicht dargetan und es sei auch nicht ersichtlich, dass sich an dieser Beurteilung bis heute etwas geändert hätte.
© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 18.05.2011
Quelle: Oberlandesgericht München/ra-online
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