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Der schwerbehinderte erwachsene Kläger macht - vertreten durch seine Eltern als Betreuer - gegen den Landkreis Amtshaftungsansprüche geltend. Nachdem der Kläger bei dem Beklagten Leistungen nach dem Grundsicherungsgesetz geltend gemacht hatte, wurde bei der im Januar 2003 vorgenommenen Bedarfsberechnung im Einklang mit der damaligen Verwaltungspraxis das Kindergeld von monatlich 154,00 € als Einkommen des Klägers mit bedarfsmindernder Wirkung angerechnet, so dass ihm monatlich 172,10 €, ab 01.07.2003 wegen einer Erhöhung 176,15 € bewilligt und ausgezahlt wurden.
Im Juni/Juli 2003 ergingen die Grundsicherungsrichtlinien des Landkreistages und des Städtetages Baden-Württemberg. Nach denen ist Kindergeld regelmäßig Einkommen des Kindergeldberechtigten. Der beklagte Landkreis hat den Kläger bzw. dessen Eltern hierüber nicht informiert und eine den Grundsicherungsrichtlinien entsprechende Bedarfsberechnung - ohne Berücksichtigung des Kindergeldes als Einkommen - erst dem Bewilligungsbescheid vom 01.07.2004 zugrunde gelegt. Mit diesem wurden dann monatliche Leistungen in Höhe von 330,15 € bewilligt.
Die Eltern des Klägers, denen die Richtlinien zuvor nicht bekannt gewesen waren, legten daraufhin noch im Juli 2004 Widerspruch ein. Die Widerspruchsstelle bedeutete ihnen, der Widerspruch sei verspätet und daher unzulässig, daraufhin nahm der zwischenzeitlich beauftragte Anwalt der Eltern den Widerspruch zurück. Nunmehr macht der Kläger wegen Verletzung einer ihm gegenüber bestehenden Amtspflicht Schadensersatz in Höhe von 1.848,00 € (monatlich 154,00 € für die Monate Juli 2003 bis Juni 2004) geltend.
Das Landgericht Offenburg hat der Klage stattgegeben. Die Berufung des beklagten Landkreises zum Oberlandesgericht Karlsruhe - Zivilsenate in Freiburg - blieb ohne Erfolg.
Der Beklagte war verpflichtet, die den Kläger betreffende Bedarfsberechnung und dementsprechend seine Leistungen nach dem Grundsicherungsgesetz mit Wirkung ab Juli 2003 an die in den Grundsicherungsrichtlinien enthaltene Anordnung anzupassen. Danach hätte das Kindergeld nicht angerechnet werden dürfen. Unmittelbar richtet sich die Richtlinie zwar an die Verwaltung, ihre Aufgabe ist es, den Beamten die Amtsausübung zu erleichtern und eine gleichmäßige und gerechte Behandlung der von ihnen erfassten Sachverhalte zu gewährleisten. Sie führen aber zu einer Selbstbindung der Verwaltung, was ihnen in der Praxis die gleiche Wirkung wie der Erlass eines formellen Gesetzes gibt und dazu führt, dass sie auch in der Frage der Drittbezogenheit wie Gesetze und Verordnungen zu behandeln sind. Die gegen das Gleichbehandlungsgebot verstoßende Handhabung des Landkreises, die Richtlinie zunächst nur in Fällen, in denen es beantragt worden war oder in denen es zu einer Bearbeitung der Sache aus anderen Gründen kam, ansonsten aber erst fast ein Jahr nach Erlass der Richtlinie umzusetzen, widerspricht der Rechtslage und stellt daher eine Amtspflichtverletzung dar.
Diese ist auch schuldhaft erfolgt, denn die Anweisung der Amtsleitung war rechtswidrig. Dass die Anordnung einen Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung darstellte, war für den anweisenden Beamten erkennbar. Hinter der Anordnung möglicherweise stehende fiskalische Überlegungen ändern daran ebenso wenig etwas, wie der Umstand, dass eine Überprüfung der zurückliegenden Leistungsfälle mit einem erheblichen Aufwand verbunden gewesen wäre.
Der Kläger hat es auch nicht schuldhaft unterlassen, den Schaden durch Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwenden, weil sich der Kläger gegen die Bewilligungsbescheide gewandt und um deren Änderung gebeten hatte. Dass diese Widersprüche zurückgenommen wurden, schließt eine Ersatzpflicht nicht aus, weil die angefochtenen Bescheide der damaligen Rechtslage entsprochen hatten und ein Widerspruchsverfahren erfolglos gewesen wäre.
© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 28.04.2006
Quelle: ra-online, Pressemitteilung des OLG Karlsruhe vom 12.04.2006
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