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Wer Soft-Air-Pistolen mit einer Bewegungsenergie von mehr als 0,08 Joule bis 0,5 Joule an Minderjährige verkauft, kann sich strafbar machen. Dies hat das Oberlandesgericht Karlsruhe jedenfalls für den Fall entschieden, dass solche Federdruckpistolen nicht entsprechend der europäischen Spielzeugrichtlinie mit einem CE-Kennzeichen versehen sind.
Im Ausgangsverfahren hatte das Amtsgericht die Inhaberin eines Waffengeschäftes aus dem nordbadischen Raum mit Urteil vom 27.4.2006 vom Vorwurf des Verstoßes gegen das Waffengesetz (WaffG) freigesprochen, obwohl diese im Juli 2005 zwei Soft-Air-Pistolen an zwei Minderjährige verkauft hatte. Die hiergegen eingelegte Revision der Staatsanwaltschaft hat das Oberlandesgericht Karlsruhe nunmehr verworfen und damit den Freispruch des Amtsgerichts im Ergebnis bestätigt. Der Senat ist dabei jedoch davon ausgegangen, dass die Angeklagte mit dem Verkauf der beiden Soft-Air-Pistolen an Minderjährige objektiv gegen das WaffG verstoßen hatte (§§ 52 Abs. 3 Nr. 7, 34 Abs.1 Satz 1 WaffG).
Bei den von der Angeklagten verkauften Soft-Air-Pistolen handelte es sich um Federdruckpistolen, die von ihrem äußeren Erscheinungsbild echten Schusswaffen nachgebildet waren. Mit ihnen konnten Rundkugeln aus Weichplastik oder aus hartem Kunststoff mittels Federkraft mit einer Bewegungsenergie von mehr als 0,08 Joule bis 0,5 Joule verschossen werden. Diese Pistolen waren nicht mit einem CE-Kennzeichen versehen. Das Amtsgericht hat angenommen, dass diese Pistolen an sich nach dem WaffG verboten seien, weil sie von dessen Anwendung nur dann ausgenommen werden, wenn sie zum Spiel bestimmt sind und aus ihnen nur Geschosse mit einer Bewegungsenergie von nicht mehr als 0,08 Joule verschossen werden können. Es ist jedoch davon ausgegangen, dass sich diese Rechtslage durch einen Feststellungsbescheid des Bundeskriminalamtes vom 18.6.2004 geändert habe. Unter Berufung auf die sog. Europäische Spielzeugrichtlinie vom 3.5.1988 hatte dieses hierin die Energiegrenze für Spielzeugwaffen allgemein auf 0,5 Joule angehoben. Nach diesem Bescheid wäre der Verkauf von Soft-Air-Pistolen mit einer Bewegungsenergie von bis zu 0,5 Joule allgemein erlaubt.
Anders nun der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Karlsruhe. Dieser ist dabei zunächst davon ausgegangen, dass aufgrund des Wortlauts des Feststellungsbescheides des Bundeskriminalamtes vom 18.6.2004 die Energiegrenze für Spielzeugwaffen ohne jede Differenzierung allgemein auf 0,5 Joule angehoben und deshalb der gesetzlich festgelegte Energiegrenzwert von 0,08 Joule für alle Spielzeugwaffen (vgl. hierzu die abgedruckte Anlage 2 Abschnitt 3 Unterabschnitt 2 Nr. 1 zu § 2 WaffG) modifiziert werden sollte. Durch diesen Bescheid konnte aber das WaffG nicht geändert werden. Der Gesetzeswortlaut sei insoweit eindeutig und einer Auslegung nicht zugänglich. Bei der Neufassung des WaffG durch das Gesetz zur Neuregelung des Waffenrechts vom 11.10.2002 habe sich der Gesetzgeber wegen der bestehenden gesundheitlichen Risiken bei der Verwendung von Spielzeugschusswaffen bewusst für eine Absenkung des Energiegrenzwertes von vormals 0,5 Joule auf 0,08 Joule entschieden. Das Bundeskriminalamt sei nach den Vorschriften des WaffG (§§ 2 Abs. 5 i.V.m. 48 Abs.3 WaffG) aber nur zur Klärung bestehender Zweifel ermächtigt, ob ein bestimmter Gegenstand von den Regelungen des WaffG erfasst wird oder wie dieser nach den Regelungen des WaffG einzustufen ist. Solche Zweifel lägen aber wegen der eindeutigen Rechtslage nicht vor, denn nach dem WaffG seien Soft-Air-Pistolen mit einer Bewegungsenergie von mehr als 0,08 Joule bis 0,5 Joule eindeutig verboten. Dem Bescheid des Bundeskriminalamtes komme aber keine Gesetzeskraft zu, weshalb er das Waffengesetz nicht abändern könne und für Strafverfolgungsbehörden und Strafgerichte nicht bindend sei.
Für den vorliegend zu entscheidenden Fall kam es danach allein darauf an, dass die Angeklagte entgegen § 34 Abs.1 Satz 1 WaffG eine erlaubnispflichtige Schusswaffe einem Nichtberechtigten überlassen hatte. Obwohl sie dadurch gegen das WaffG verstoßen hatte, ist der Senat vom Vorliegen eines sog. unvermeidbaren Verbotsirrtums (§ 17 StGB) ausgegangen, weil sie auf die Verbindlichkeit des Feststellungsbescheides des Bundeskriminalamt vom 18.6.2004 vertrauen durfte. Der Senat hat deshalb den Freispruch des Amtsgerichts Karlsruhe im Ergebnis bestätigt und die Revision der Staatsanwaltschaft als unbegründet verworfen.
§ 52 Abs. 3 WaffG
Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer
1.-6. ...
7. entgegen § 34 Abs.1 eine erlaubnispflichtige Schusswaffe oder erlaubnispflichtige Munition einem Nichtberechtigten überlässt.
§ 34 WaffG
(1) Waffen oder Munition dürfen nur an berechtigte Personen überlassen werden.
§ 2 WaffG
(1) Der Umgang mit Waffen oder Munition ist nur Personen gestattet, die das 18. Lebensjahr vollendet haben
Anlage 2 Abschnitt 3 Unterabschnitt 2 Nr. 1 zu § 2 WaffG Unterabschnitt 2. Vom Gesetz ausgenommene Waffen:
1. Schusswaffen (Anlage 1 Abschnitt 1 Nr.1.1.), die zum Spiel bestimmt sind, wenn aus ihnen nur Geschosse verschossen werden können, denen eine Bewegungsenergie von nicht mehr als 0,08 Joule (J) erteilt wird, es sei denn,
- sie können mit allgemein gebräuchlichen Werkzeugen so geändert werden, dass die Bewegungsenergie über 0,08 Joule steigt oder
- sie sind getreue Nachahmungen von Schusswaffen im Sinne der Anlage 1 Abschnitt 1 Unterabschnitt 1 Nr. 1.1., deren Erwerb der Erlaubnis bedarf.
... Einstufung von Spielzeugwaffen, hier: Festlegung der Energiegrenze
Aufgrund des § 2 Abs. 5 des Waffengesetzes vom 11.10.2002 ergeht der folgende Feststellungsbescheid:
Zur waffenrechtlichen Regelung von Schusswaffen, die zum Spiel bestimmt sind, wird festgestellt: Als Spielzeug gelten alle Erzeugnisse, die dazu gestaltet oder offensichtlich bestimmt sind, von Kindern im Alter bis 14 Jahren zum Spielen verwendet zu werden. Die Kennzeichnung dieser Erzeugnisse mit dem CE-Kennzeichen kommt eine dahingehende Indizwirkung zu, auf die europäische Spielzeugrichtlinie (Richtlinie des Rates vom 3.5.1988 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Sicherheit von Spielzeug - 88/378/EWG -, geändert durch Richtlinie 93/68/EWG vom 22.7.1993 wird verwiesen.
Die Herabsetzung der Geschossenergie auf 0,08 Joule im Waffenrecht ergibt auf europäischer Ebene Probleme dahingehend, dass Geschossspielzeug, das gemäß den Anforderungen der Spielzeugrichtlinie i.V.m. der DIN-Norm EN 71.1 mit einer Bewegungsenergie bis zu 0,5 Joule ordnungsgemäß in den Verkehr gebracht wird, unter das Waffengesetz fällt und damit von Kindern unter 14 Jahren nicht benutzt werden darf. Durch diese Regelung im Waffenrecht wird das Inverkehrbringen dieser Produkte ein Handelshemmnis i.S.d. Art.4 der Spielzeugrichtlinie aufgebaut.
Vor dem Hintergrund des dargelegten Widerspruchs zwischen Waffenrecht und europäischem Recht in diesem Punkt wird bis zu einer Angleichung des Waffenrechts die Energiegrenze für Spielzeugwaffen i.S.d. Anlage 2 Abschnitt 3 Unterabschnitt 2 Nr.1 zu Art. 2 Abs. 3 WaffG auf 0,5 Joule festgelegt. (Unterstreichungen vom Verfasser)
In der Senat zu entscheidenden Fallkonstellation kollidierte die Annahme, dass die von der Angeklagten verkauften Soft-Air-Pistolen unter das WaffG fallen, bereits deshalb nicht mit der Europäischen Spielzeugrichtlinie, weil diese nicht mit einem CE-Kennzeichen versehen waren. Die Frage, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen eine mit einem CE-Kennzeichen versehene Spielzeug-schusswaffe aus dem Anwendungsbereich des WaffG ausgenommen sein könnte, wenn diese entsprechend der Zweiten Verordnung zum Geräte- und Produktsicherheitsgesetz (Verordnung über die Sicherheit von Spielzeug vom 21.12.1989, zuletzt geändert am 6.1.2004 - 2. GPSGV) in Verbindung mit der Europäischen Spielzeugrichtlinie ordnungsgemäß in den Verkehr gebracht ist, hat der Senat nicht ausdrücklich entschieden.
© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 26.06.2007
Quelle: ra-online, Pressemitteilung des OLG Kralsruhe vom 26.06.2007
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