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Oberlandesgericht Hamm, Beschluss vom 11.04.2013
15 W 112/13 -

Vorerbin kann durch testamentarische Bestimmung des Erblassers Rechtsstellung einer Vollerbin erhalten

OLG Hamm zur Eintragung eines Nacherbenvermerks im Grundbuch

Die gesetzlichen Beschränkungen einer Vorerbschaft entfallen, wenn der Erblasser testamentarisch verfügt hat, dass die Vorerbin "frei" über den Nachlass verfügen kann, sobald die zu Nacherben eingesetzten pflicht­teil­berechtigten Kinder ihren Pflichtteil verlangen. Dies entschied das Oberlandesgericht Hamm unter Abänderung einer erstinstanzlichen Entscheidung des Grundbuchamtes des Amtsgerichts Kamen.

Dem Fall liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Der im Februar 2006 verstorbene, 68 Jahre alte Erblasser aus Kamen hatte im Jahre 1991 zwei Testamente errichtet, mit denen er seine im Jahr 1948 geborene zweite Ehefrau als Vorerbin und seine drei, in den Jahren 1962, 1963 und 1965 geborenen Töchter aus erster Ehe als Nacherben eingesetzt hatte. Testamentarisch hatte er weiter bestimmt, dass die Vorerbin "frei" über den Nachlass verfügen dürfe, falls mehr als eines seiner Kinder nach seinem Tode den Pflichtteil geltend mache.

Grundbuchamt verweigert Umschreibung eines Grundstücks auf Ehefrau ohne gleichzeitige Eintragung eines Nacherbenvermerks

Im Jahre 2007 hatte seine Ehefrau aufgrund einer notariellen Vereinbarung an jede Tochter 17.000 Euro zur Abfindung ihrer erbrechtlichen Ansprüche gezahlt. Im Anschluss hieran verweigerte das Grundbuchamt die Umschreibung eines zum Nachlass gehörenden Grundstücks auf die Ehefrau als Eigentümerin ohne gleichzeitige Eintragung eines Nacherbenvermerks.

Hintergrund

Anders als ein Vollerbe erwirbt ein Vorerbe den Nachlass nur mit Beschränkungen, damit die Substanz des Nachlasses für den Nacherben erhalten bleibt. So kann der Vorerbe z.B. Nachlassgrundstücke grundsätzlich nicht zum Nachteil des Nacherben veräußern. Deswegen wird im Grundbuch ein Nacherbenvermerk eingetragen.

Ehefrau ist ohne Nacherbenvermerk als Eigentümerin im Grundbuch einzutragen

Das Oberlandesgericht Hamm gab der von der Ehefrau gegen die Entscheidung des Grundbuchamtes erhobenen Beschwerde statt. Mit der notariellen Abfindungsvereinbarung seien die Pflichtteile der Töchter geltend gemacht worden. Die testamentarische Bestimmung des Erblassers hierzu sei so zu verstehen, dass die bedachte Ehefrau in diesem Fall von den Beschränkungen der Nacherbschaft befreit sei, also die Rechtsstellung einer Vollerbin erhalte. Anders könne die testamentarische Bestimmung, nach der sie mit dem Geltendmachen von Pflichtteilsansprüchen frei über den Nachlass verfügen könne, nicht ausgelegt werden. Deswegen sei sie ohne Nacherbenvermerk als Eigentümerin im Grundbuch einzutragen.

© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 04.07.2013
Quelle: Oberlandesgericht Hamm/ra-online

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