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Wer in der Nähe eines Weihnachtsbaumes mit einer angezündeten Wunderkerze wedelt, handelt nicht grob fahrlässig. Dass eine angezündete Wunderkerze imstande ist, einen Weihnachtsbaum explosionsartig in Brand zu setzen, gehört nicht zum Allgemeinwissen. Das hat das Oberlandesgerichts Frankfurt am Main entschieden.
Im Fall brannte am zweiten Weihnachtstag (26.12.2002) ein Wohnhaus ab, weil der Weihnachtsbaum durch eine Wunderkerze entzündet wurde, die ein 5-jähriger Junge in dessen Nähe gehalten hatte. Ein Elterteil hatte die Kerze angezündet, die der Sohn hielt und umherschwenkte. Dabei ist er an den Baum geraten, der sofort Feuer fing.
Die Versicherung warf den Eltern vor, grob fahrlässig gehandelt zu haben. Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main konnte in dem Verhalten der Eltern aber keine grobe Fahrlässigkeit erblicken.
Eine grob fahrlässige Schadensverursachung liege vor, wenn die verkehrserforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt werde und schon einfachste, ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt würden und das nicht beachtet würde, was im gegebenen Fall jedem einleuchten müsse, z.B. auch die Außerachtlassung allgemeingültiger Sicherheitsregeln, wenn die Kenntnis dieser Sicherheitsregeln nach dem Grad ihrer Verbreitung allgemein vorausgesetzt werden müsse.
Die Richter kamen nach einer Gesamtschau verschiedener Aspekte zu dem Schluss, dass keine grobe Fahrlässigkeit vorgelegen habe. Sie beriefen sich z.B. auf eine Wunderkerzenverpackung, die auf der Rückseite den Hinweis trug: "wegen der Länge der Wunderkerzen nicht in den Weihnachtsbaum hängen". Dies suggeriere, dass es möglich sei, normal lange Wunderkerzen entsprechend anzubringen und im Weihnachtsbaum abbrennen zu lassen. Ferner sei laut Verpackung "die Abgabe an Personen unter 18 Jahren erlaubt", was wiederum einen Hinweis auf fehlende Gefährlichkeit ergebe. Schließlich müsste sich im konkreten Fall das Gefahrwissen um Wunderkerzen auch darauf erstrecken, dass eine angezündete Wunderkerze imstande sei, einen Weihnachtsbaum sofort explosionsartig in Brand zu setzen.
Ein allgemeinkundiges Gefahrwissen um die Gefährlichkeit von Wunderkerzen konnten die Richter nach allem nicht ausmachen. Daher konnten die Richter auch keine grobe Fahrlässigkeit erkennen.
BGB 276; BGB 278; BGB 280 I; BGB 823 I; VVG 67 I; ZPO 291
1. Nach dem Regressverzichtsabkommen der Feuerversicherer ist der darin festgehaltene Regressverzicht ausgeschlossen, wenn der Regressschuldner den Schaden vorsätzlich oder grob fahrlässig herbeigeführt hat.
2. Grob fahrlässige Schadensverursachung liegt vor, wenn die verkehrserforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt wird und schon einfachste, ganz nahe liegende Überlegungen nicht angestellt werden und das nicht beachtet wird, was im gegebenen Fall jedem einleuchten muss, z. B. auch die Außerachtlassung allgemeingültiger Sicherheitsregeln, wenn die Kenntnis dieser Sicherheitsregeln nach dem Grad ihrer Verbreitung allgemein vorausgesetzt werden muss. Dabei muss auch in subjektiver Hinsicht ein schweres Verschulden vorliegen, wobei in der Regel das Bewusstsein der Gefährlichkeit vorausgesetzt wird. Die grobe Fahrlässigkeit braucht sich in der Regel nur auf den haftungsbegründenden Tatbestand und nicht auf den konkret eingetretenen Schaden zu erstrecken.
3. Die Feststellung der Allgemeinkundigkeit bzw. Offenkundigkeit des Gefahrwissens ist keine Beweiserhebung, weswegen Offenkundigkeit also solche, bzw. ihr Fehlen nicht Gegenstand eines Beweisantrittes sein kann. Das unter Beweis gestellte Vorbringen kann nur dazu dienen, die Überzeugung des Gerichts von der Offenkundigkeit zu erschüttern.
4. Ein besonderes Gefahrwissen um die Gefährlichkeit von Wunderkerzen, das sich darauf erstreckt, dass eine angezündete Wunderkerze imstande ist, an einem Weihnachtsbaum am Abend des zweiten Weihnachtsfeiertages sofort einen explosionsartig sich ausbreitenden Brand auslösen, kann nicht im Rahmen des Allgemeinwissens vorausgesetzt werden.
5. Der für den Fall einfacher Fahrlässigkeit geltende Regressverzicht verliert nicht deshalb seine Geltung, weil der Mieter des Versicherungsnehmers eine Privathaftpflichtversicherung abgeschlossen hat. Der Feuerversicherer hat auch dann keinen Anspruch auf Abtretung der Ansprüche der Mieter gegen ihre Haftpflichtversicherung, wenn diese einen Gebäudeschaden mit erfasst (wie Senat, Urteil vom 15.12.2005, Az. 3 U 28/05; gegen OLG Dresden, VersR 2003, 1391 = ZfS 2004, 127).
© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 19.12.2006
Quelle: ra-online
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Dokument-Nr. 3516
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