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Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 21.08.2023
3 ORs 13/23 -

Strafgefangener darf sich nicht mittels Gewalt gegen rechtswidrig handelnde Voll­streckungs­beamte zur Wehr setzen

Strafgefangener macht sich wegen Körperverletzung strafbar

Gegenüber rechtswidrig handelnden Voll­streckungs­beamten darf sich ein Strafgefangener grundsätzlich nicht mittels Gewalt zur Wehr setzen. Zwar kann eine Strafbarkeit wegen Widerstands gegen Voll­streckungs­beamte (§ 113 StGB) entfallen. Die Strafbarkeit wegen Körperverletzung (§ 223 StGB) bleibt aber bestehen, da insofern eine Notwehr nicht geboten ist. Dies hat das Oberlandesgericht Frankfurt a.M. entschieden.

Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Im April 2021 kam es zu einer versehentlichen Beschädigung einer Fensterscheibe in einem Haftraum, wodurch mehre Scherben auf den Boden fielen. Aufgrund dessen sollte der Strafgefangene den Haftraum verlassen. Da eine Verlegung in eine andere Zelle als zu gefährlich eingestuft wurde, sollte der Gefangene in einen gesondert gesicherten Haftraum verbracht werden. Gegen diese Maßnahmen wehrte sich der Strafgefangene, wodurch es zu einer körperlichen Auseinandersetzung mit den Vollstreckungsbeamten kam. Der Strafgefangene wurde aufgrund des Vorfalls wegen tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte und Körperverletzung angeklagt.

Amtsgericht verurteilte Strafgefangenen, Landgericht sprach ihn frei

Während das Amtsgericht Kassel den Strafgefangenen zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr verurteilte, sprach das Landgericht Kassel den Strafgefangenen frei. Die Vollstreckungsbeamten habe seiner Auffassung nach rechtswidrig gehandelt, da die Verbringung des Gefangenen in den besonders gesicherten Haftraum nicht durch den Anstaltsleiter oder dessen Stellvertreter angeordnet wurde und auch keine Gefahr in Verzug vorlag. Der Strafgefangene habe daher in Notwehr gehandelt. Gegen diese Entscheidung richtete sich die Revision der Staatsanwaltschaft.

Oberlandesgericht bejaht Strafbarkeit wegen Körperverletzung

Das Oberlandesgericht Frankfurt a.M. entschied zum Teil zu Gunsten der Staatsanwaltschaft. Zwar habe sich der Strafgefangene nicht wegen tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte strafbar gemacht, da die Verbringung des Gefangenen in den besonders gesicherten Haftraum rechtswidrig gewesen sei. Der Gefangene könne sich aber nicht mit Erfolg auf Notwehr hinsichtlich der Körperverletzung berufen.

Körperliche Gewalt gegen rechtswidrige Vollstreckungsmaßnahmen nicht geboten

Das Notwehrrecht sei nach Ansicht des Oberlandesgerichts nicht geboten gewesen. Grundsätzlich sei nämlich zu verlangen, dass der Strafgefangene zur Geltendmachung von Rechtsfehlern durch Vollzugsbeamte den Rechtsweg beschreitet. Der Strafgefangene hätte einen Eilantrag stellen oder nachträglich eine Fortsetzungsfeststellungsklage erheben können. Er dürfe seine Rechte aber nicht mit körperlicher Gewalt durchsetzen.

© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 25.10.2023
Quelle: Oberlandesgericht Frankfurt a.M., ra-online (vt/tb)

Vorinstanzen:
  • Amtsgericht Kassel, Urteil
  • Landgericht Kassel, Urteil vom 27.01.2023
    [Aktenzeichen: 7 Ns - 1605 Js 18804/21]
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