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Das Landessozialgericht Sachsen-Anhalt in Halle/Saale hat die Rechte von schutzbefohlenen Minderjährigen, die Opfer eines sexuellen Missbrauchs geworden waren, deutlich gestärkt. Das Gericht hatte zu entscheiden, ob die Klägerin rückwirkend Ansprüche auf Entschädigung nach dem Opferentschädigungsgesetz (OEG) geltend machen kann. Auf Antrag erhält derjenige Leistungen nach diesem Gesetz, der Opfer einer vorsätzlichen, rechtswidrigen Gewalttat wurde und auf Dauer erhebliche Gesundheitsstörungen davongetragen hat.
Die Klägerin war zwischen ihrem 4. und 15. Lebensjahr regelmäßig von ihrem Stiefvater sexuell schwer missbraucht worden und hatte dadurch eine Persönlichkeitsstörung erlitten. Erst nach Abschluss des Strafverfahrens gegen den Täter, der nach seinem Geständnis zu einer Haftstrafe verurteilt worden war, hatte ihre Mutter für die zu diesem Zeitpunkt 17jährige den Antrag auf Leistungen nach dem OEG gestellt. Das beklagte Land bewilligte Leistungen ab Antragstellung; das Landessozialgericht verurteilte es hingegen, Leistungen rückwirkend für einen Zeitraum vor Antragstellung zu gewähren.
Das Gericht hat dies damit begründet, der Klägerin könne ein Versäumnis bei der Antragstellung nicht vorgeworfen werden, weil sie noch nicht volljährig gewesen sei. Dies gebiete der besondere Schutz, den die Rechtsordnung Minderjährigen zubillige. Auch ein schuldhaftes Versäumnis ihrer gesetzlichen Vertreterin, der vom Landessozialgericht als Zeugin vernommenen Mutter, könne ihr nicht zugerechnet werden. Zwar sei grundsätzlich ein schuldhaftes Handeln des gesetzlichen Vertreters, z. B. der Eltern, zurechenbar. Eine Ausnahme gelte jedoch dann, wenn der Vertreter aufgrund einer Konfliktlage gegen die Interessen des Vertretenen handele. Um einen solchen Ausnahmefall handelte es sich nach Ansicht des Gerichts hier. Die Mutter der Klägerin, die, nachdem sie von den Vorwürfen gegen ihren Mann erfuhr, den Antrag rechtzeitig hätte stellen können, hatte sich von ihrer Tochter vollständig losgesagt und den Kontakt zu ihr abgebrochen, weil sie ihr nicht geglaubt habe. Wenn sich die Mutter in dem familiären Interessenkonflikt für den Schutz des Ehemannes und Täters und gegen das geschädigte Opfer, die Tochter, entschieden habe, könne dem Opfer ein solches Verhalten als Verschulden nicht zugerechnet werden, weil dann der Opferschutzgedanke des OEG auf den Kopf gestellt würde. Die Klägerin hatte deshalb ohne zurechenbares Verschulden die rechtzeitige Antragstellung versäumt, so dass ihr Anspruch schon für die Zeit vor Antragstellung zustand.
© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 22.05.2005
Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 01/04 des LSG Sachsen-Anhalt vom 21.01.2004
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Dokument-Nr. 3094
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