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Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 15.01.2016
L 15 AS 226/15 B ER -

Sozialleistungen für EU-Bürger: Schulbesuch des Kindes löst keinen Anspruch auf SGB II Leistungen aus

EU-Bürger darf auch bei eventuellem Aufenthaltsrecht durch Schulbesuch von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen werden

Das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen hat im Rahmen eines Eilverfahrens entschieden, dass der Schulbesuch eines bulgarischen Kindes kein dem Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II entgegenstehendes Aufenthaltsrecht vermittelt und insofern keine Grund­sicherungs­leistungen zu gewähren sind.

Im zu entscheidenden Fall war das im Jahre 2005 geborene Kind zusammen mit seiner alleinerziehenden Mutter Anfang 2014 aus deren Heimatland Bulgarien in die Bundesrepublik Deutschland eingereist und lebt seitdem - zusammen mit zwei weiteren im Bundesgebiet geborenen Kindern - in Bremen. Seit März 2014 besucht es hier eine allgemeinbildende Schule. Nachdem ein von der Mutter ausgeübtes befristetes Arbeitsverhältnis als Zimmermädchen im September 2014 wieder beendet worden war und die Familie in Anwendung des Gesetzes über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern – (FreizügG/EU) zunächst noch für ein halbes Jahr Grundsicherungsleistungen erhalten hatte, lehnte der zuständige bremische SGB II-Leistungsträger die Weitergewährung dieser Leistungen ab.

Das Sozialgericht Bremen verpflichtete den Leistungsträger im Wege einer einstweiligen Anordnung, der Familie vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes zu gewähren.

Leistungsausschluss erstreckt sich auch auf wirtschaftlich passive Unionsbürger

Auf die Beschwerde des Leistungsträgers hin hat das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen den zusprechenden Beschluss des Sozialgerichts aufgehoben und den Antrag auf Gewährung von vorläufigem Rechtsschutz abgelehnt. Ausgenommen von Leistungen nach dem SGB II seien nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II Ausländer und ihre Familienangehörigen, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitssuche ergebe. Der Leistungsausschluss erstrecke sich auch auf Unionsbürger die kein anderes Aufenthaltsrecht haben oder wirtschaftlich passiv sind. Der Leistungsausschluss erstrecke sich erst Recht auf Unionsbürger, die hier - wie die Antragsteller des vorliegenden Verfahrens - keine Erwerbstätigkeit (mehr) ausüben. Dies sei nunmehr höchstrichterlich durch das Urteil des Europäischen Gerichtshofes vom 15. September 2015 entschieden; die für das Rechtsgebiet des SGB II zuständigen Senate des Bundessozialgerichts haben sich dem in ihrer neuesten Rechtsprechung angeschlossen.

Schulbesuch des Kindes begründet keinen Anspruch auf SGB II Leistungen

Das Landessozialgericht erläuterte, dass der Schulbesuch des Kindes keinen Anspruch auf SGB II Leistungen auslöse. Es bestehe durch den Schulbesuch kein Aufenthaltsrecht der Antragsteller, das dem Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 S.2 Nr. 2 SGB II entgegenstehe. Die Voraussetzungen für ein anderes, zu einer Gewährung von Leistungen nach dem SGB II führendes Aufenthaltsrecht nach dem FreizügG/EU oder dem Aufenthaltsgesetz lägen nicht vor. Zwar hätten Kinder von EU-Bürgern, die ein Aufenthaltsrecht als Wanderarbeitnehmer haben, Anspruch auf den Schulbesuch in dem Land, in dem die Eltern als Wanderarbeitnehmer tätig sind und daher auch ein Aufenthaltsrecht. In der Folge dürften auch die Eltern - für die Zeit des Schulbesuches der Kinder - in diesem Land bleiben auch wenn sie nicht mehr als Wanderarbeitnehmer tätig sind. Dies führe aber nicht dazu, dass die Familie dann einen Anspruch auf SGB II Leistungen habe.

Schulbesuch des Kindes ist Folge und nicht Ursache der Einreise und Arbeitsaufnahme des Elternteils

Weiter führte das Landessozialgericht aus, dass selbst wenn ein solches Aufenthaltsrecht der Antragsteller bestehe, sei kein Anspruch auf SGB II Leistungen gegeben. Zu berücksichtigen sei, dass nur ein Aufenthaltsrecht nach dem FreizügG/EU bzw. nach einem subsidiär anwendbaren Aufenthaltsgesetz dem Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II entgegenstehe. Ein aus dem Schulbesuch resultierendes Aufenthaltsrecht stehe damit der Annahme, dass die Kindesmutter sich hier lediglich zur Arbeitsuche aufhalte, nicht entgegen. Der Schulbesuch des Kindes sei Folge und nicht Ursache der Einreise und Arbeitsaufnahme des Elternteils. Es würde dem Sinn und Zweck der Vorschriften des FreizügG/EU und des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II zuwider laufen, wenn nach Wegfall des anspruchsbegründenden Lebenssachverhaltes (hier: Arbeitnehmerstatus der Kindesmutter) ein Lebenssachverhalt (hier: Schulbesuch des Kindes) anspruchsbegründend sein solle, der für sich allein genommen bei Einreise keinen anderweitigen Aufenthaltsstatus begründet hätte. Denn es handele sich insoweit allenfalls um "ein abgeleitetes Recht vom abgeleiteten Recht". Einem solchen könne keine aufenthaltsrechtliche Schutzwirkung zukommen, die bei der Auslegung der abschließenden Regelungen des FreizügG/EU zu beachten wäre und entgegen dem Willen des Gesetzgebers zu Leistungen nach dem SGB II berechtige.

Sozialgesetzbuch (SGB) Zweites Buch (II) - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (Artikel 1 des Gesetzes vom 24. Dezember 2003, BGBl. I S. 2954 )- Fassung vom: 20.12.2011 - zitiert nach juris

§ 7 Leistungsberechtigte

(1) Leistungen nach diesem Buch erhalten Personen, die

1. das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7 a noch nicht erreicht haben,

2. erwerbsfähig sind,

3. hilfebedürftig sind und

4. ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (erwerbsfähige Leistungsberechtigte).

Ausgenommen sind

1. Ausländerinnen und Ausländer, die weder in der Bundesrepublik Deutschland Arbeitnehmerinnen, Arbeitnehmer oder Selbständige noch aufgrund des § 2 Absatz 3 des Freizügigkeitsgesetzes/EU freizügigkeitsberechtigt sind, und ihre Familienangehörigen für die ersten drei Monate ihres Aufenthalts,

2. Ausländerinnen und Ausländer, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt, und ihre Familienangehörigen,

3. Leistungsberechtigte nach § 1 des Asylbewerberleistungsgesetzes.

Satz 2 Nummer 1 gilt nicht für Ausländerinnen und Ausländer, die sich mit einem Aufenthaltstitel nach Kapitel 2 Abschnitt 5 des Aufenthaltsgesetzes in der Bundesrepublik Deutschland aufhalten.

Aufenthaltsrechtliche Bestimmungen bleiben unberührt.

(2) [...]

© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 17.03.2016
Quelle: Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen/ra-online

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