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Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 23.02.2016
L 11 AS 1392/13 -

Jobcenter ist nicht zur pauschalen Überprüfung aller Bescheide eines Leistungsempfängers verpflichtet

Überprüfungsantrag muss konkret begründet werden

Das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen hat entschieden, dass ein gegen die Bescheide des Jobcenters gestellter Überprüfungsantrag konkret begründet sein muss. Zwar ist es eine Besonderheit im Sozialrecht, dass grundsätzlich jeder Bescheid überprüft werden kann, auch wenn nicht rechtzeitig Widerspruch eingelegt wurde, sondern der Bescheid bestandskräftig ist. Allerdings muss ein solcher Überprüfungsantrag konkret begründet werden und kann nicht pauschal alle ergangenen Bescheide beanstanden.

Dem Verfahren lag der Fall eines Mannes aus dem Landkreis Gifhorn zugrunde, der zunächst in einer Jugendhilfeeinrichtung wohnte. Als er seine erste eigene Wohnung mietete, bekam er vom Jobcenter Grundsicherungsleistungen und ein Darlehen für die Mietkaution. Widerspruch legte der Kläger gegen diese Bescheide nicht ein. Einige Monate später beantragte der Mann mit Hilfe seines Anwaltes mit mehreren gleichlautenden Anträgen die Überprüfung sämtlicher Bescheide, die er bisher vom Jobcenter erhalten hatte. Er begründete seine Überprüfungsanträge jedoch nicht, sodass für das Jobcenter nicht ersichtlich war, was genau er für falsch hielt. Daraufhin lehnte das Jobcenter die Überprüfungsanträge ab, da der Mann nicht im Ansatz eine Rechtswidrigkeit der gerügten Bescheide dargelegt habe.

Leistungsempfänger begründet gestellte Überprüfungsanträge erst in der Gerichtsverhandlung

Erst im Gerichtsverfahren trug der Mann sodann vor, dass er sich gegen die Einbehaltung von 35 Euro monatlich wende. Ausgangspunkt für die Einbehaltung war, dass er vom Jobcenter seine Mietkaution als Darlehen vorgestreckt bekommen hatte. Das Jobcenter hatte das Darlehen mit einem Darlehensbescheid bewilligt und behielt sodann 35 Euro monatlich von dem Arbeitslosengeld II des Mannes ein, um das Darlehen zu tilgen.

Sozialleistungsträger ist ohne erkennbaren Grund nicht zur inhaltlichen Überprüfung seiner Bescheide verpflichtet

Das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen führte in seinem Urteil aus, dass ein Sozialleistungsträger nicht zur inhaltlichen Überprüfung seiner Bescheide verpflichtet sei, wenn er den Einzelfall, der überprüft werden solle, objektiv gar nicht ermitteln könne. Der Überprüfungsantrag sei zu unkonkret, wenn sämtliche ergangenen Bescheide überprüft werden sollen, ohne dass klar sei, welcher konkrete Bescheid und welche konkrete Regelung gerügt werden. Dabei sei unerheblich, ob ein Überprüfungsantrag gegen "sämtliche ergangene Bescheide" gestellt werde, oder ob eine Vielzahl von Überprüfungsanträgen einzeln gegen die Bescheide gestellt werde. In beiden Fällen, seien praktisch alle ergangenen Bescheide zur Überprüfung gestellt. Die Behörde könne dann nicht herausfinden, was genau gerügt werde. Der Betroffene müsse seine Rüge noch im Verwaltungsverfahren konkret darlegen - und nicht erst im Gerichtsverfahren - sonst müsse die Behörde die Bescheide nicht inhaltlich überprüfen.

Überprüfungsanträgen im Sozialrecht liegt folgende Regelung zugrunde:

§ 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch: Rücknahme eines rechtswidrigen nicht begünstigenden Verwaltungsaktes (in der Fassung vom 18.01.2001, zitiert nach juris)

(1) 1 Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. 2 Dies gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Betroffene vorsätzlich in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat.

(2) 1 Im Übrigen ist ein rechtswidriger nicht begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen. 2 Er kann auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

[...]

(4) 1 Ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden, werden Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile dieses Gesetzbuches längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht. 2 Dabei wird der Zeitpunkt der Rücknahme von Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Verwaltungsakt zurückgenommen wird. 3 Erfolgt die Rücknahme auf Antrag, tritt bei der Berechnung des Zeitraumes, für den rückwirkend Leistungen zu erbringen sind, anstelle der Rücknahme der Antrag.

© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 25.04.2016
Quelle: Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen/ra-online

Vorinstanz:
  • Sozialgericht Braunschweig, Urteil vom 24.05.2013
    [Aktenzeichen: S 19 AS 2358/10]
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