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Landgericht Karlsruhe, Urteil vom 12.10.2023
22 O 6/23 -

Kein Vorliegen einer identifizierenden Berichterstattung bei Möglichkeit der Ermittlung der Identität durch Recherche des Lesers

Unter­lassungs­anspruch wegen Berichterstattung setzt Erkennbarkeit des Betroffenen voraus

Ein Unter­lassungs­anspruch gegen eine Berichterstattung setzt voraus, dass der Betroffene erkennbar ist. Dies ist nicht gegeben, wenn ein interessierter Leser die Identität des Betroffenen durch eigene Recherche ermitteln kann. Dies hat das Landgericht Karlsruhe entschieden.

Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Im Jahr 2022 wurden drei junge Männer, die in der Gepäckabfertigung des Flughafens Düsseldorf arbeiteten, dabei gefilmt, wie sie nach dem Beladen einer Urlaubsmaschine anfingen zu rangeln bzw. Nahkampftechniken zu praktizieren. Zudem posten sie mit erhobene Hand und dem ausgestreckten Zeigefinger. Die BILD-Zeitung nahm dies zum Anlass unter Überschriften wie "ISIS-Gruß aus Düsseldorf - Islamisten arbeiten am Flughafen" und "Islamisten-Alarm auf dem Rollfeld" in identifizierender Weise über die Männer zu berichten. Zwei der Männer erwirkten gegen die Berichterstattung vor dem Landgericht Berlin Unterlassungstitel. Eine Lokalzeitung aus dem Raum Karlsruhe berichtete ebenfalls über die Männer und deren Zeigen einer "IS-typischen Geste". Dabei wurden die Männer nicht namentlich benannt. Es war leidglich von "drei jungen Männer" die Rede, die auf dem Rollfeld des Düsseldorfer Flughafens arbeiteten. Zwei der Männer erhoben gegen die Berichterstattung Klage auf Unterlassung.

Kein Anspruch auf Unterlassung der Berichterstattung

Das Landgericht Karlsruhe entschied gegen die Kläger. Ihnen stehe kein Anspruch auf Unterlassung der Berichterstattung zu, da sie durch den Bericht nicht individuell und unmittelbar betroffen seien. Eine Betroffenheit setze Erkennbarkeit voraus. Dies sei hier nicht gegeben. Aus die in dem Artikel enthaltenen Angaben selbst ergebe sich keine Erkennbarkeit der Kläger.

Mögliche Ermittlung der Identität durch Recherche unerheblich

Für unerheblich hielt das Landgericht den Einwand, dass die Identität der Kläger mittels einfacher Internet-Recherche ermittelt werden könne. Die Umstände, die zur Identifizierung und damit Erkennbarkeit des Betroffenen führen, müssen sich aus dem in Rede stehenden Artikel selbst ergeben. Es reiche nicht aus, wenn ein interessierter Leser die Identität durch eigene Recherche ermitteln kann. Die Möglichkeiten einer von Art. 5 Abs. 1 GG geschützten Berichterstattung würden unzumutbar erschwert, wenn Presseorgane bei der Abfassung eines Beitrags jede per Internet zu recherchierende Erkennbarkeit auf die betreffenden Personen zu prüfen bzw. gegebenenfalls zu vermeiden hätten. Dies gelte insbesondere bei singulären und damit potentiell öffentlichkeitsrelevanten Vorgängen. In diesen Fällen sei die Möglichkeit einer Identifizierung selbst bei sorgfältigster Anonymisierung möglich.

© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 20.11.2023
Quelle: Landgericht Karlsruhe, ra-online (vt/rb)

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