kostenlose-urteile.de ist ein Service der ra-online GmbH
Dies ist die mobile Version von kostenlose-urteile.de - speziell optimiert für Smartphones.
Klicken Sie hier, wenn Sie lieber die klassische Version für Desktop-PCs und Tablets nutzen wollen.
Wird in einem Altenteilsvertrag (Vermögensübertragung gegen Leibgeding, also z.B. Gewährung von Wohnung, Wart und Pflege durch den Übernehmer) eine Regelung getroffen, die für den Fall der Heimunterbringung des Übergebers die Pflichten des Übernehmers gezielt zum Nachteil des Sozialhilferträgers ausschließt, ist das sittenwidrig. Der Übernehmer kann dann trotz der Vertragsklausel von der Sozialverwaltung in Regress genommen werden. Das geht aus Entscheidungen des Amts- und Landgerichts Coburg hervor. Diese verurteilten einen Sohn, dem der Vater Wohnhaus und Betrieb übertragen hatte, zur Erstattung von Heimkosten von insgesamt knapp 4.000 €. Die Regelung, dass die Pflichten aus dem Leibgeding bei Heimunterbringung des Vaters entfallen, verkehre den Subsidiaritätsgrundsatz des Sozialhilferechts bewusst in sein Gegenteil und sei unwirksam.
Im Jahre 1992 übertrug der Vater Grundbesitz und Gewerbebetrieb an seinen Sohn. Der verpflichtete sich im Gegenzug, seinem Vater eine umfassende lebenslange Altersversorgung (Wohnung, Verköstigung, häusliche Dienste, Pflege, Taschengeld) zu gewähren. Diese Verpflichtung sollte jedoch entfallen, wenn der Vater in ein Pflegeheim musste - was 2005 der Fall war. Die Sozialverwaltung des Bezirks Oberfranken hatte teilweise für die Heimkosten aufzukommen und verlangte anschließend vom Sohn Erstattung von fast 4.000 €. Denn der müsse die Naturalleistungen, die er für den Vater nun nicht mehr erbringen könne, abgelten.
Amts- und Landgericht Coburg gaben der öffentlichen Hand Recht. Zwar könnten die Vertragsparteien einen Überlassungsvertrag nach ihren individuellen Vorstellungen und Bedürfnissen gestalten. Die Abrede über den Wegfall der Gegenleistungen für den Fall, dass die Unterbringung des Übergebers in einem Pflegeheim erforderlich wird, sei hier aber eine nicht hinnehmbare gezielte wirtschaftliche Belastung des Sozialhilfeträgers. Es sei schon bei Vertragsschluss abzusehen gewesen, dass der Vater einen Heimaufenthalt nicht mehr würde finanzieren können, und das Risiko der dadurch bedingten Bedürftigkeit des Übergebers bewusst "sozialisiert" worden. Ein Handeln mit dieser Motivation sei unzulässig. Der Sohn bleibe daher aus dem Leibgeding verpflichtet und müsse laut Gesetz dem Vater die Naturalien "in cash" abgelten. Und diesen Anspruch des Vaters habe der Bezirk wirksam auf sich übergeleitet.
Der bayerische Gesetzgeber (ebenso wie andere Landesgesetzgeber) hat für die Fälle, in denen der aus einem Leibgeding Berechtigte die Leistungen nicht mehr in Anspruch nehmen kann, festgelegt, dass der von seiner Pflicht Befreite eine finanzielle Abgeltung zu zahlen hat. Die eigentlich geschuldeten Leistungen müssen dann bewertet und die sich ergebenden Beträge an den Berechtigten bezahlt werden. Diese Abgeltung kann zwar im Leibgedingsvertrag grundsätzlich ausgeschlossen werden; sofern der Ausschluss aber als sittenwidrig erachtet wird, ist er nach § 138 BGB nichtig und damit unwirksam.
Art. 18 des Bayerischen Gesetzes zur Ausführung des Bürgerlichen Gesetzbuchs und anderer Gesetze
(BayAGBGB): Geldrente
1 Muß der Berechtigte aus besonderen Gründen das Grundstück auf Dauer verlassen, so hat der Verpflichtete ihm für die Befreiung von der Pflicht zur Gewährung der Wohnung und zu Dienstleistungen eine Geldrente zu zahlen, die dem Wert der Befreiung nach billigem Ermessen entspricht. 2 Für andere Leistungen, die für den Berechtigten wegen seiner Abwesenheit von dem Grundstück ohne Interesse sind, hat der Verpflichtete den Wert zu vergüten, den sie für den Berechtigten auf dem Grundstück haben.
§ 138 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB): Sittenwidriges Rechtsgeschäft; Wucher
(1) Ein Rechtsgeschäft, das gegen die guten Sitten verstößt, ist nichtig.
(2) ...
© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 26.10.2007
Quelle: ra-online, Pressemitteilung des LG Coburg vom 26.10.2007
Urteile sind im Original meist sehr umfangreich und kompliziert formuliert. Damit sie auch für Nichtjuristen verständlich werden, fasst kostenlose-urteile.de alle Entscheidungen auf die wesentlichen Kernaussagen zusammen. Wenn Sie den vollständigen Urteilstext benötigen, können Sie diesen beim jeweiligen Gericht anfordern.
Wenn Sie einen Link auf diese Entscheidung setzen möchten, empfehlen wir Ihnen folgende Adresse zu verwenden: https://urteile.news/LG-Coburg_33-S-5207_Abwaelzung-der-Heimkosten-auf-oeffentliche-Hand-sittenwidrig~N5063
Bitte beachten Sie, dass im Gegensatz zum Verlinken für das Kopieren einzelner Inhalte eine explizite Genehmigung der ra-online GmbH erforderlich ist.
Dokument-Nr. 5063
kostenlose-urteile.de ist ein Service der ra-online GmbH
Die Redaktion von kostenlose-urteile.de gibt sich größte Mühe bei der Zusammenstellung interessanter Urteile und Meldungen. Dennoch kann keine Gewähr für Richtigkeit und Vollständigkeit der über uns verbreiteten Inhalte gegeben werden. Insbesondere kann kostenlose-urteile nicht die fachkundige Rechtsberatung in einem konkreten Fall ersetzen.
Bei technischen Problemen kontaktieren Sie uns bitte über dieses Formular.