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Landesarbeitsgericht Düsseldorf, Beschluss vom 04.03.2016
10 Ta BV 102/15 -

Betriebs­ratsmitglied kann nicht wegen kritischer Äußerungen fristlos gekündigt werden

Streit um Äußerung "Die Überwachung in einem totalitären Regime haben wir vor 70 Jahren hinter uns gebracht"

Ein Betriebs­ratsmitglied, das in Bezug auf die Arbeitsverhältnisse von "Überwachung in einem totalitären Regime" spricht, darf wegen dieser Äußerung nicht fristlos gekündigt werden. Vielmehr ist zu unterscheiden, ob die Äußerung auf einen Vergleich der Arbeitsverhältnisse mit dem national­sozialistischen Terrorregime abzielt oder ob lediglich vor einer künftigen Entwicklung gewarnt werden soll. Dies entschied das Landes­arbeitsgericht Düsseldorf.

Die Arbeitgeberin betreibt ein Senioren- und Pflegezentrum, bei dem ein Betriebsrat gebildet ist, dessen Mitglied der Beteiligte zu 3) ist. Dieser ist seit dem Jahr 1994 bei der Arbeitgeberin als Altenpfleger im Nachtdienst beschäftigt. Dem Betriebsrat gehört er seit 20 Jahren an. Er ist außerdem Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat der Klinikgruppe, der die Arbeitgeberin zugehörig ist. In einer E-Mail des Betriebsratsmitglieds vom 21.04.2015 an den Einrichtungsleiter und Aufsichtsratsmitglieder, von dem der Geschäftsführer Kenntnis erhielt, hieß es u.a.:

" ...wie ich von mehreren Mitarbeitern erfahren habe, beabsichtigen Sie wöchentlich eine Überwachungskontrolle, mit technischen Gerätschaften, der Mitarbeiter in der Pflege durchzuführen. Es soll damit festgestellt werden, wie viel Zeit der Mitarbeiter benötigt, bis er dem Klingelruf des Mitarbeiters nachkommt. Hier findet eine einseitige Maßnahme des Arbeitgebers statt, die einen dringlichen Handlungsbedarf des Betriebsrats vorsieht gemäß einer einstweiligen Verfügung. Die Überwachung in einem totalitären Regime haben wir vor 70 Jahren hinter uns gebracht, auch wenn hier im Kleineren gehandelt wird, so ist dies der Anfang von dem was dann irgendwann aus dem Ruder laufen kann. ..."

Der Betriebsrat erteilte die von der Arbeitgeberin beantragte Zustimmung zur fristlosen Kündigung des Betriebsratsmitglieds nicht. Die Arbeitgeberin begehrt die Ersetzung der Zustimmung.

Gericht sieht keinen Grund für eine fristlose Kündigung

Diesen Antrag hat das Landesarbeitsgericht Düsseldorf ebenso wie das Arbeitsgericht Oberhausen zurückgewiesen. Ein Grund zur fristlosen Kündigung des Betriebsratsmitglieds liegt nicht vor.

Gericht: Kein Vergleich - sondern lediglich Warnung vor künftiger Entwicklung

Zutreffend ist, dass ein Vergleich betrieblicher Verhältnisse mit dem nationalsozialistischen Terrorregime in der Regel ein Grund für eine fristlose Kündigung ist. Eine solche Gleichsetzung ist in der E-Mail vom 21.04.2015 nicht enthalten. Das Betriebsratsmitglied warnt vielmehr vor einer möglichen künftigen Entwicklung und knüpft damit allenfalls an die Verhältnisse der Weimarer Republik an. Es geht ihm darum, dass man Entwicklungen von Beginn an beobachten muss „bevor etwas aus dem Ruder läuft.“ Eine solche Äußerung ist von der Meinungsfreiheit geschützt. Die übrige Kritik des Betriebsratsmitglieds, u.a. an der von diesem behaupteten und von der Arbeitgeberin bestrittenen Unterbesetzung im Tages- und Nachtdienst enthält zulässige Werturteile, die sich im Rahmen seiner Funktionen als Betriebsrats- und Aufsichtsratsmitglied halten.

© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 07.03.2016
Quelle: ra-online, LAG Düsseldorf (pm/pt)

Vorinstanz:
  • Arbeitsgericht Oberhausen, Beschluss vom 29.07.2015
    [Aktenzeichen: 3 BV 15/15]
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