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Das Hessische Landesarbeitsgericht hat entschieden, es müssten besondere Umstände vorliegen, um einen Weiterbeschäftigungsanspruch eines Arbeitnehmers nach erstinstanzlichem Obsiegen in einem Kündigungsschutzverfahren zu versagen. Solche zusätzlichen Umstände seien nur solche, die nicht bereits Gegenstand der Prüfung der Rechtmäßigkeit einer Kündigung gewesen seien, denn sie müssten neben den für die Voraussetzung zur Rechtfertigung der Kündigung vorzutragenden Tatsachen die Interessenlage der Beteiligten prägen. Bei der hierbei vorzunehmenden Abwägung seien diejenigen Interessen des Arbeitgebers denjenigen des Arbeitnehmers gegenüber zu stellen.
Dem Rechtsstreit vorausgegangen war ein Kündigungsschutzverfahren, in dem die Unwirksamkeit der Kündigung festgestellt worden war. Auslöser für die Kündigung war der vom Arbeitgeber erhobene Verdacht, der als Kraftfahrer eingesetzte Mitarbeiter habe vorsätzlich Verkehrsunfälle verursacht und damit zu Lasten der Versicherung des Lastkraftwagens Betrugshandlungen begangen. In dem Kündigungsschutzverfahren hatte der Arbeitnehmer in zwei Instanzen obsiegt und das Verfahren war nunmehr vor dem Bundesarbeitsgericht anhängig. Der Arbeitnehmer hatte nachdem erstinstanzlich die Unwirksamkeit der Kündigung festgestellt worden war, Klage auf Weiterbeschäftigung erhoben. Der Arbeitgeber vertrat dagegen die Ansicht, einer vorläufigen Weiterbeschäftigung des Fahrers stehe sein überwiegendes Interesse an einer Nichtbeschäftigung entgegen. Der Mitarbeiter stehe nach wie vor in Verdacht, mit Fahrzeugen des Arbeitgebers Betrugsverhandlungen zu Lasten der KfZ-Versicherung begangen zu haben. Das Ermittlungsverfahren sei noch nicht eingestellt. Ein Interesse des Mitarbeiters an der Weiterbeschäftigung sei nicht erkennbar.
Das Arbeitsgericht hatte der Klage stattgegeben.
Die gegen diese Entscheidung gerichtete Berufung des Arbeitgebers hatte Erfolg. Das Hessische Landesarbeitsgericht vertrat die Ansicht, der Mitarbeiter könne seine Weiterbeschäftigung nicht verlangen, obwohl seine Kündigungsschutzklage in den ersten beiden Instanzen Erfolg hatte, da das Arbeitgeberinteresse an der Nichtbeschäftigung vorliegend überwiege.
Es führte in seiner Entscheidung aus, dass in der Regel ein Arbeitnehmer seine Weiterbeschäftigung gerichtlich verlangen könne, wenn seine Kündigungsschutzklage erstinstanzlich erfolgreich gewesen sei. Wenn in einem Kündigungsschutzprozess zugunsten des Arbeitnehmers in erster Instanz ein obsiegendes Urteil ergangen sei, müssten deshalb besondere Umstände hinzutreten, aus denen sich im Einzelfall ein überwiegendes Interesse des Arbeitgebers ergebe, den Arbeitnehmer nicht zu beschäftigen.
Derartige "zusätzlichen Umstände" könnten nur solche sein, die nicht bereits Gegenstand der Prüfung der Rechtmäßigkeit der Kündigung nach § 626 BGB oder § 1 KSchG gewesen sind. Maßgeblich seien deshalb nur Umstände, die neben den für die Voraussetzung zur Rechtfertigung der Kündigung vorzutragenden Tatsachen die Interessenlage der Beteiligten des Arbeitsverhältnisses prägen würden. Hierbei seien diejenigen Interessen des Arbeitgebers denjenigen des Arbeitnehmers gegenüber zu stellen.
Diese Gegenüberstellung der Interessen habe im Streitfall ergeben, dass trotz Vorliegens einer unwirksamen Verdachtskündigung (vom Arbeitgeber behauptetes vorsätzliches Herbeiführen von Verkehrsunfällen mit einem LKW im öffentlichen Straßenverkehr) dessen Interesse an der Nichtbeschäftigung gegenüber dem Beschäftigungsinteresse des Arbeitnehmers überwiege. Zu berücksichtigen sei, dass der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung nicht in den Räumen des Arbeitgebers, sondern außerhalb dessen Einflussbereich und Kontrolle erbringe. Ferner bestehe bei jedem vorsätzlichen Herbeiführen von Verkehrsunfällen neben der Gefahr für das Vermögen des Arbeitgeber und des Versicherungsunternehmens die Gefahr der Verletzung Unbeteiligter und der Arbeitgeber sei im Außenverhältnis auch für das Verhalten seiner Mitarbeiter verantwortlich. Der hohe Rang der betroffenen Rechtsgüter Dritter verpflichte ihn, alles zu tun um jede vermeidbare Gefahr bei dem Betrieb der Fahrzeuge auszuschließen. Bei der vorzunehmenden Abwägung der Interessen müsse zwar auch das verfassungsrechtlich geschützte Beschäftigungsinteresse des Mitarbeiters berücksichtigt werden. Im Hinblick auf seine Stellung als Kraftfahrer und die Art seines Arbeitsbereichs habe der Arbeitgeber aber ein berechtigtes Interesse, ihn solange von Fuhrtätigkeiten im öffentlichen Straßenverkehr fernzuhalten, bis sich die Unhaltbarkeit des gegenüber ihm erhobenen Vorwurfs des vorsätzlichen Verursachens von Verkehrsunfällen herausgestellt habe.
Vorinstanz
Arbeitsgericht Wiesbaden vom 2. November 2005 - 3 Ga 435/05
© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 02.02.2007
Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 02/07 des LAG Hessen vom 02.02.2007
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Dokument-Nr. 3739
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