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Gerichtshof der Europäischen Union, Urteil vom 25.01.2012
T-332/10 -

Verwechslungsgefahr mit VIAGRA – Alkoholisches Getränk darf nicht VIAGUARA heißen

Gericht sieht Gefahr unlauterer Ausnutzung der Unterscheidungskraft oder Wertschätzung der Marke Viagra

Das Zeichen „VIAGUARA“ kann nicht als Gemeinschaftsmarke für Getränke eingetragen werden. Die Benutzung dieses Zeichens birgt nämlich die Gefahr, dass die Unterscheidungskraft oder die Wertschätzung der Marke VIAGRA in unlauterer Weise ausgenutzt wird. Dies entschied der Gerichtshof der Europäischen Union.

Nach der Verordnung über die Gemeinschaftsmarke* kann die Eintragung einer Marke aus bestimmten, ausdrücklich aufgeführten Gründen abgelehnt werden. Marken sind insbesondere dann von der Eintragung ausgeschlossen, wenn sie mit einer älteren Marke identisch oder dieser ähnlich sind oder – falls die ältere Marke in der Gemeinschaft bekannt ist – die Benutzung der angemeldeten Marke die Unterscheidungskraft oder die Wertschätzung dieser älteren bekannten Marke ohne rechtfertigenden Grund in unlauterer Weise ausnutzen oder beeinträchtigen würde.

Polnisches Unternehmen meldet Wortzeichen VIAGUARA als Gemeinschaftsmarke an

Im Oktober 2005 meldete das polnische Unternehmen Viaguara SA beim Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (HABM) das Wortzeichen VIAGUARA als Gemeinschaftsmarke u. a. für „Energydrinks“ und alkoholische Getränke an.

Inhaberin von VIAGRA erhebt Widerspruch

Die amerikanische Gesellschaft Pfizer Inc. als Inhaberin der älteren Gemeinschaftswortmarke VIAGRA (eingetragen u. a. für Arzneimittel zur Behandlung von Erektionsstörungen) erhob gegen diese Anmeldung Widerspruch. Aufgrund dieses Widerspruchs lehnte das HABM es ab, VIAGUARA als Gemeinschaftsmarke einzutragen.

EuGH weist Klage der Viaguara SA ab

Die Viaguara SA hat hiergegen Klage erhoben und beantragt, diese Entscheidung aufzuheben. Der Gerichtshof der Europäischen Union wies diese Klage jedoch ab und bestätigt die Entscheidung des HABM.

Bekanntheit der Marke VIAGRA erstreckt sich nicht nur auf Produktnutzer, sondern auf Gesamtbevölkerung

Zu der Voraussetzung, dass die ältere Marke in der Gemeinschaft bekannt sein muss, führt das Gericht aus, das HABM habe zu Recht festgestellt, dass sich die Bekanntheit der Marke VIAGRA nicht nur auf die Verbraucher der betreffenden Arzneimittel, sondern auch auf die Gesamtbevölkerung erstrecke.

Zeichen weisen optisch und klanglich erhebliche Ähnlichkeit auf

Das Gericht prüft sodann die Ähnlichkeit der einander gegenüberstehenden Zeichen. Es betont in diesem Zusammenhang, dass der Verbraucher bei Wortmarken dem ersten Teil des Wortes im Allgemeinen mehr Aufmerksamkeit widmet. Daher schafft das Vorhandensein derselben Wurzel „Viag“ bei den einander gegenüberstehenden Zeichen eine starke schriftbildliche Ähnlichkeit, die durch die den beiden Zeichen gemeinsame Endsilbe „ra“ noch verstärkt wird. Zudem weisen die Zeichen in klanglicher Hinsicht eine erhebliche Ähnlichkeit auf, und es gibt kein Merkmal, anhand dessen sie sich in begrifflicher Hinsicht unterscheiden lassen. Nach Auffassung des Gerichts weisen die einander gegenüberstehenden Zeichen daher eine insgesamt starke Ähnlichkeit auf.

Inzusammenhangbringen aufgrund der Namensähnlichkeit trotz Unterschiedlichkeit der jeweiligen Produkte nicht ausgeschlossen

Auch wenn zwischen den von den Marken erfassten Waren, die einander nicht ähnlich sind, kein unmittelbarer Zusammenhang feststellbar ist, erscheint es in Anbetracht der großen Ähnlichkeit der Zeichen und des sehr hohen Bekanntheitsgrads der älteren Marke, der über die von den betreffenden Arzneimitteln angesprochenen Verkehrskreise hinausgeht, gleichwohl möglich, dass die angemeldete Marke mit der älteren Marke gedanklich in Verbindung gebracht würde. Selbst wenn man annimmt, dass die von den Zeichen angesprochenen Verkehrskreise wegen der Unterschiedlichkeit der jeweiligen Produkte nicht völlig deckungsgleich sind, ist davon auszugehen, dass die beiden Marken miteinander in Zusammenhang gebracht würden.

Image der bekannten Marke könnte in unlautererweise auf andere Marke übertragen werden

Das Gericht hat schließlich die Voraussetzung erörtert, wonach die Gefahr bestehen muss, dass die Unterscheidungskraft oder die Wertschätzung der Marke Viagra in unlauterer Weise ausgenutzt wird. Dabei geht es um die Gefahr, dass das Image der bekannten Marke oder die durch sie vermittelten Merkmale auf die mit der angemeldeten Marke gekennzeichneten Waren übertragen werden, so dass deren Vermarktung durch diese gedankliche Verbindung mit der älteren bekannten Marke erleichtert wird. Auch wenn die betreffenden nichtalkoholischen Getränke tatsächlich nicht die gleichen positiven Wirkungen wie die zur Behandlung von Erektionsstörungen bestimmten Arzneimittel haben, kann der Verbraucher zu ihrem Kauf in dem Glauben neigen, in ihnen ähnliche Eigenschaften, wie die Herbeiführung einer gesteigerten Libido, vorzufinden, weil er die durch das Image der älteren Marke vermittelten positiven Assoziationen auf die Anmeldemarke überträgt. Im Übrigen ist zu den von der Viaguara SA hergestellten alkoholischen Getränken, die Guaraná enthalten, festzustellen, dass die Klägerin selbst angegeben hat, dass diese Getränke weitere, Psyche und Körper stärkende und stimulierende Wirkungen sowie gesundheitsfördernde Eigenschaften hätten, die denen eines Arzneimittels ähnelten.

Lebenskraft und Potenz vermittelndes Image von Viagra könnte auch auf alkoholisches Getränkt Viaguara übertragen werden

Das Gericht führt in diesem Zusammenhang aus, dass die Produkte der Marke Viagra zwar Arzneimittel sind, die zur Behandlung von Erektionsstörungen verwendet und lediglich auf Rezept abgegeben werden, dass sie aber dennoch nicht notwendig auf die Behandlung einer schweren Krankheit hinweisen, sondern ein Bild von Lebenskraft und Potenz vermitteln, da sie es von Erektionsstörungen betroffenen Personen ermöglichen, ihr Sexualleben und ihre Lebensqualität zu verbessern, wobei die gedankliche Assoziierung eines solchen Images mit der Arzneimitteln innewohnenden „Ernsthaftigkeit“ nicht unvereinbar ist. Da die betreffenden Arzneimittel in jüngeren Altersgruppen der Bevölkerung auch zu „rekreativen Zwecken“ Verwendung finden, könnte dieses Image auch auf andere Erzeugnisse als Arzneimittel und insbesondere auf die alkoholischen Getränke der angemeldeten Marke übertragen werden, die zwar anderer Art sind, aber etwa beim Ausgehen oder Feiern konsumiert werden.

Benutzung des Namens VIAGUARA stellt unlautere Ausnutzung der Wertschätzung der Marke Viagra dar

Das Gericht gelangt zu dem Ergebnis, dass die Viaguara SA mit der Benutzung einer Marke, die der älteren bekannten Marke ähnlich ist, den Versuch unternimmt, sich in den kommerziellen Wirkungsradius dieser Marke zu begeben, um von ihrer Anziehungskraft, ihrem Ruf und ihrem Ansehen zu profitieren, und ohne finanzielle Gegenleistung die wirtschaftlichen Anstrengungen der Inhaberin der älteren Marke zur Schaffung und Aufrechterhaltung des Images dieser Marke ausnutzt, um ihre eigenen Erzeugnisse zu bewerben. Daher ist der sich aus dieser Benutzung ergebende Vorteil als unlautere Ausnutzung der Unterscheidungskraft oder der Wertschätzung der Marke Viagra anzusehen.

Erläuterungen

* -  Verordnung (EG) Nr. 40/94 des Rates vom 20. Dezember 1993 über die Gemeinschaftsmarke (ABl. 1994, L 11, S. 1) in geänderter Fassung (ersetzt durch die Verordnung [EG] Nr. 207/2009 des Rates vom 26. Februar 2009 über die Gemeinschaftsmarke [ABl. L 78, S. 1]).

 

© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 26.01.2012
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Union/ra-online

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