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Der Grundsatz des Verbots der Doppelbestrafung hindert einen Mitgliedstaat nicht daran, wegen derselben Tat der Steuerhinterziehung nacheinander eine steuerliche Sanktion (Steuerzuschlag) und danach eine strafrechtliche Sanktion zu verhängen, wenn die erste Sanktion keinen strafrechtlichen Charakter hat. Dies geht aus einer Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union hervor.
Die Mitgliedstaaten und 20 weitere europäische Staaten haben die Europäische Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) ratifiziert. Die Einhaltung der sich aus dieser Konvention ergebenden Verpflichtungen gewährleistet der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg.
Parallel dazu hat sich die Union eine Grundrechtecharta gegeben, die seit dem Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon verbindlich ist. Wird ein
Im Hinblick auf dieses Verbot der Doppelbestrafung stellt sich dem Haparanda tingsrätt (Gericht erster Instanz von Haparanda, Schweden) die Frage, ob gegen einen Angeschuldigten ein Strafverfahren wegen
Die Rechtssache betrifft Herrn Åkerberg Fransson, der sich als Selbständiger vornehmlich dem Fischfang und dem Verkauf seiner Fänge widmet. Er übt seine Tätigkeit in den Gewässern des Flusses Kalix (Schweden) aus, verkauft seine Fänge aber sowohl in Schweden als auch in Finnland.
Die schwedische Finanzverwaltung wirft Herrn Åkerberg Fransson vor, er sei seinen steuerlichen Erklärungspflichten für die Steuerjahre 2004 und 2005 nicht nachgekommen, was zum Verlust von Einnahmen bei verschiedenen Steuerarten geführt habe. Mit Bescheid vom 24. Mai 2007 setzte die schwedische Finanzverwaltung steuerliche
2009 leitete das Haparanda tingsrätt gegen Herrn Åkerberg Fransson ein Strafverfahren ein. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm
Das schwedische Gericht möchte wissen, ob die Anklage gegen Herrn Åkerberg Fransson unzulässig ist, weil er in einem anderen Verfahren bereits wegen derselben Tat bestraft wurde. Weiter fragt es sich, ob die schwedische Gerichtspraxis, die die Verpflichtung, Vorschriften, die gegen ein durch die EMRK und die Charta garantiertes
In seinem Urteil weist der Gerichtshof zunächst darauf hin, dass die Charta nach ihrem Wortlaut für die Mitgliedstaaten ausschließlich bei der Durchführung des Rechts der Union gilt. Die Charta bestätigt damit die Rechtsprechung des Gerichtshofs, wonach die Verpflichtung zur Einhaltung der von der Charta anerkannten Grundrechte besteht, sobald eine nationale Rechtsvorschrift in den Anwendungsbereich des Unionsrechts fällt. Somit sind keine Fallgestaltungen denkbar, die vom Unionsrecht erfasst werden, ohne dass diese Grundrechte anwendbar wären. Die Anwendbarkeit des Unionsrechts umfasst die Anwendbarkeit der durch die Charta garantierten Grundrechte. Der Gerichtshof stellt klar, dass steuerliche
Hat das Gericht eines Mitgliedstaats zu prüfen, ob mit den Grundrechten eine nationale Vorschrift oder Maßnahme vereinbar ist, die in einer Situation, in der das Handeln eines Mitgliedstaats nicht vollständig durch das Unionsrecht bestimmt wird, das Unionsrecht durchführt, steht es den nationalen Behörden und Gerichten weiterhin frei, nationale Schutzstandards für die Grundrechte anzuwenden, sofern durch diese Anwendung weder das Schutzniveau der Charta, wie sie vom Gerichtshof ausgelegt wird, noch der Vorrang, die Einheit und die Wirksamkeit des Unionsrechts beeinträchtigt werden.
Der Grundsatz des Verbots der Doppelbestrafung hindert einen Mitgliedstaat nicht daran, zur Ahndung derselben Tat der Nichtbeachtung von Erklärungspflichten im Bereich der Mehrwertsteuer eine steuerliche Sanktion und danach eine strafrechtliche Sanktion zu verhängen. Die Mitgliedstaaten können, um die Erhebung der Einnahmen aus der Mehrwertsteuer in ihrer Gesamtheit und damit den Schutz der finanziellen Interessen der Union zu gewährleisten, die anwendbaren
Für die Beurteilung der strafrechtlichen Natur von steuerlichen
Der Gerichtshof erinnert jedoch an die Konsequenzen, die das nationale Gericht aus einem Widerspruch zwischen Bestimmungen seines innerstaatlichen Rechts und den durch die Charta verbürgten Rechten zu ziehen hat. Das nationale Gericht, das im Rahmen seiner Zuständigkeit die Bestimmungen des Unionsrechts anzuwenden hat, ist gehalten, für die volle Wirksamkeit dieser Normen Sorge zu tragen, indem es erforderlichenfalls jede – auch spätere – entgegenstehende Bestimmung des nationalen Rechts aus eigener Entscheidungsbefugnis unangewendet lässt, ohne dass es die vorherige Beseitigung dieser Bestimmung auf gesetzgeberischem Wege oder durch irgendein anderes verfassungsrechtliches Verfahren beantragen oder abwarten müsste.
Mit den in der Natur des Unionsrechts liegenden Erfordernissen ist nämlich jede Bestimmung einer nationalen Rechtsordnung oder jede Gesetzgebungs-, Verwaltungs- oder Gerichtspraxis unvereinbar, die dadurch zu einer Schwächung der Wirksamkeit des Unionsrechts führt, dass dem für die Anwendung dieses Rechts zuständigen Gericht die Befugnis abgesprochen wird, bereits zum Zeitpunkt dieser Anwendung alles Erforderliche zu tun, um diejenigen innerstaatlichen Rechtsvorschriften auszuschalten, die unter Umständen ein Hindernis für die volle Wirksamkeit der Unionsnormen bilden. Daraus folgt, dass das Unionsrecht einer Gerichtspraxis entgegensteht, die die Verpflichtung des nationalen Gerichts, Vorschriften, die gegen ein durch die Charta garantiertes
© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 04.03.2013
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Union/ra-online
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Dokument-Nr. 15346
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