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Von diesem System können Staatsangehörige anderer Mitgliedstaaten als Belgiens, die in einem anderen Teil des Staatsgebiets wohnen, und in einem anderen Teil des Staatsgebiets wohnende belgische Staatsangehörige, die von ihrem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch gemacht haben, nicht ausgeschlossen werden. Dies hat der Europäische Gerichtshof entschieden.
Mit einem Dekret des flämischen Parlaments vom 30. März 1999 wurde ein System der Pflegeversicherung im niederländischen Sprachgebiet und im zweisprachigen Gebiet Brüssel-Hauptstadt eingeführt. Dieses System berechtigt unter bestimmten Voraussetzungen dazu, bis zu einem Höchstbetrag die Übernahme bestimmter Kosten durch eine Pflegeversicherungskasse zu verlangen, die durch einen Zustand gesundheitsbedingter Abhängigkeit entstanden sind, wie Kosten für Hilfeleistungen zu Hause oder für den Kauf von Geräten und Produkten, die der Versicherte benötigt.
Das Dekret wurde mehrfach geändert, insbesondere um den von der Kommission der Europäischen Gemeinschaften erhobenen Einwänden Rechnung zu tragen. Diese rügte im Wesentlichen, dass das Erfordernis des Wohnsitzes in den betreffenden Sprachgebieten, dem die Zugehörigkeit zu diesem Pflegeversicherungssystem unterworfen war, mit dem Gemeinschaftsrecht unvereinbar sei.
Das Wohnsitzkriterium wurde daraufhin durch Dekret des flämischen Parlaments vom 30. April 2004 geändert. Dieses Dekret hat den persönlichen Geltungsbereich des Pflegeversicherungssystems auf Personen erweitert, die in den genannten Sprachgebieten arbeiten und in einem anderen Mitgliedstaat als Belgien wohnen.
In ihren wegen der flämischen Pflegeversicherung bei der Cour d'arbitrage, jetzt Cour constitutionnelle, erhobenen Klagen haben die Regierungen der beiden anderen Einheiten des belgischen Föderalstaats, nämlich die Regierung der Französischen Gemeinschaft und die wallonische Regierung, u. a. geltend gemacht, dass der Ausschluss derjenigen, die im niederländischen Sprachgebiet oder im zweisprachigen Gebiet Brüssel-Hauptstadt arbeiten, aber in einem anderen Teil des Staatsgebiets wohnen, vom System der Pflegeversicherung eine beschränkende Maßnahme sei, die die Freizügigkeit beeinträchtige. Hierzu hat die Cour d'arbitrage dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften mehrere Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt.
Der Gerichtshof bestätigt in seiner Antwort zunächst, dass Leistungen aus einem System wie dem der fraglichen Pflegeversicherung in den sachlichen Geltungsbereich der Verordnung Nr. 1408/71 fallen.
Sodann unterscheidet der Gerichtshof zwischen zwei Arten von Sachverhalten. Zum einen führt die Anwendung der fraglichen Regelung insbesondere dazu, dass diejenigen belgischen Staatsangehörigen vom System der Pflegeversicherung ausgeschlossen sind, die eine Berufstätigkeit im niederländischen Sprachgebiet oder im zweisprachigen Gebiet Brüssel-Hauptstadt ausüben, aber in einem anderen Teil des Staatsgebiets wohnen und nie von ihrer Freizügigkeit innerhalb der Europäischen Gemeinschaft Gebrauch gemacht haben. Auf solche rein internen Sachverhalte kann das Gemeinschaftsrecht nicht angewandt werden. Jedoch ist zu bemerken, dass die Auslegung der Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts dem vorlegenden Gericht möglicherweise auch in Bezug auf Sachverhalte, die als rein intern einzustufen sind, von Nutzen sein könnte, und zwar insbesondere dann, wenn das Recht des betreffenden Mitgliedstaats vorschriebe, dass jedem Inländer die gleichen Rechte zustehen, die einem Staatsangehörigen eines anderen Mitgliedstaats in einer von diesem Gericht für vergleichbar gehaltenen Lage kraft Gemeinschaftsrechts zustünden.
Zum anderen kann die streitige Regelung auch in den Anwendungsbereich des Gemeinschaftsrechts fallende Arbeitnehmer oder Selbständige vom System der Pflegeversicherung ausschließen, nämlich sowohl Staatsangehörige anderer Mitgliedstaaten als Belgiens, die im niederländischen Sprachgebiet oder im zweisprachigen Gebiet Brüssel-Hauptstadt eine Berufstätigkeit ausüben, aber in einem anderen Teil des Staatsgebiets wohnen, als auch belgische Staatsangehörige, die sich in der gleichen Situation befinden und von ihrem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch gemacht haben.
Eine Regelung wie die in Rede stehende kann beschränkende Wirkungen entfalten. Wanderarbeitnehmer und -selbständige, die eine abhängige Beschäftigung oder eine selbständige Erwerbstätigkeit in einem dieser beiden Gebiete ausüben oder ausüben wollen, könnten nämlich davon abgehalten werden, von ihrer Freizügigkeit Gebrauch zu machen und ihren Herkunftsmitgliedstaat zu verlassen, um sich in Belgien aufzuhalten, weil eine Wohnsitznahme in bestimmten Teilen des belgischen Staatsgebiets den Verlust der Möglichkeit mit sich bringen würde, in den Genuss von Leistungen zu kommen, die sie andernfalls hätten beanspruchen können. Mit anderen Worten, der Umstand, dass sich die betroffenen Arbeitnehmer oder Selbständigen in der Situation befinden, entweder die Pflegeversicherung zu verlieren oder in der Wahl des Ortes, an den sie ihren Wohnsitz verlegen, beschränkt zu sein, ist zumindest geeignet, die Ausübung der Arbeitnehmerfreizügigkeit und der Niederlassungsfreiheit zu behindern.
Nationale Maßnahmen, die geeignet sind, die Ausübung der durch den Vertrag garantierten Grundfreiheiten zu behindern oder weniger attraktiv zu machen, können nur dann gerechtfertigt werden, wenn mit ihnen ein im Allgemeininteresse liegendes Ziel verfolgt wird, wenn sie geeignet sind, dessen Erreichung zu gewährleisten, und wenn sie nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung des verfolgten Ziels erforderlich ist.
Der Gerichtshof weist jedoch darauf hin, dass weder die ihm von der Cour d'arbitrage übermittelten Akten noch die Erklärungen der flämischen Regierung Gesichtspunkte enthalten, die es rechtfertigen könnten, diejenigen, die eine Berufstätigkeit im niederländischen Sprachgebiet oder im zweisprachigen Gebiet Brüssel-Hauptstadt ausüben, für den Zugang zur Pflegeversicherung dem Erfordernis eines Wohnsitzes in einem dieser beiden Gebiete oder in einem anderen Mitgliedstaat zu unterwerfen.
© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 01.04.2008
Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 18/08 des EuGH vom 01.04.2008
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Dokument-Nr. 5833
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