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Ein Zahnarzt, der kostenlos Tonträger in seiner Privatpraxis wiedergibt, nimmt keine „öffentliche Wiedergabe“ im Sinne des Unionsrechts vor. Infolgedessen begründet eine solche Wiedergabe für die Tonträgerhersteller keinen Anspruch auf Vergütung. Dies entschied der Gerichtshof der Europäischen Union.
Das Unionsrecht* verpflichtet die Mitgliedstaaten, in ihrem Recht vorzusehen, dass Hersteller von Tonträgern, die zu Handelszwecken veröffentlicht werden, Anspruch auf eine einzige angemessene Vergütung für die Nutzung dieser Tonträger im Rahmen einer Rundfunksendung oder einer öffentlichen Wiedergabe haben. Diese Vergütung ist vom Nutzer zu zahlen.
Ferner werden die Rechte des geistigen Eigentums auch durch das Völkerrecht geschützt, insbesondere das Übereinkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums** (TRIPS-Übereinkommen), den Vertrag der Weltorganisation für geistiges Eigentum über Darbietungen und Tonträger*** (WPPT) und das Internationale Abkommen über den Schutz der ausübenden Künstler, der Hersteller von Tonträgern und der Sendeunternehmen**** (Abkommen von Rom).
Als Beauftragte für die Verwaltung, den Einzug und die Aufteilung der Gebühren der ihr angehörenden Tonträgerhersteller verfolgt die Società Consortile Fonografici (SCF) in Italien und im Ausland Tätigkeiten des „Collecting“. Die SCF verhandelte in Ausübung ihrer Tätigkeit als Beauftragte mit dem Verband italienischer Zahnärzte (Associazione Nazionale Dentisti Italiani) über den Abschluss eines Kollektivabkommens zur Festlegung der Höhe einer angemessenen Vergütung für die „öffentliche Wiedergabe“ von Tonträgern einschließlich derjenigen in privaten Berufspraxen. Nachdem diese Verhandlungen gescheitert waren, erhob die SCF vor der italienischen Justiz gegen Herrn Del Corso Klage auf Feststellung, dass dieser in seiner privaten Zahnarztpraxis in Turin als Hintergrundmusik geschützte Tonträger wiedergegeben habe und dass für diese Tätigkeit eine angemessene Vergütung zu entrichten sei.
Die Corte d’appelllo di Torino (Berufungsgericht Turin, Italien), bei der der Rechtsstreit anhängig ist, möchte vom Gerichtshof wissen, ob das Abkommen von Rom, das TRIPS-Übereinkommen und der WPPT in der Unionsrechtsordnung unmittelbar anwendbar sind und ob Einzelpersonen sich unmittelbar darauf berufen können. Sodann möchte sie wissen, ob der Begriff „öffentliche Wiedergabe“ in diesen internationalen Übereinkünften mit dem Begriff im Unionsrecht übereinstimmt und ob er die kostenlose Wiedergabe von Tonträgern in einer Zahnarztpraxis erfasst.
In seinem Urteil führt der Gerichtshof zunächst aus, dass das TRIPS-Übereinkommen und der WPPT von der Union unterzeichnet und genehmigt worden und infolgedessen integraler Bestandteil der Unionsrechtsordnung sind. Was das Abkommen von Rom angeht, ist dieses zwar kein Bestandteil der Rechtsordnung der Union, entfaltet jedoch mittelbare Wirkungen, da die Union die Verpflichtungen der Mitgliedstaaten aus diesem Abkommen nicht beeinträchtigen darf.
Allerdings stellt der Gerichtshof fest, dass sich Einzelpersonen weder auf dieses Abkommen noch auf das TRIPS-Übereinkommen oder auf den WPPT unmittelbar berufen können. Ferner führt der Gerichtshof aus, dass der Begriff „öffentliche Wiedergabe“ im Unionsrecht im Licht der gleichen Begriffe in den erwähnten internationalen Übereinkünften und so auszulegen ist, dass er mit diesen vereinbar bleibt.
Sodann beantwortet der Gerichtshof die Frage, ob der Begriff „öffentliche Wiedergabe“ die kostenlose Wiedergabe von Tonträgern in einer privaten Zahnarztpraxis erfasst. Hierzu führt er aus, dass die Situation eines bestimmten Nutzers und sämtlicher Personen zu beurteilen ist, für die dieser die geschützten Tonträger wiedergibt. In diesem Zusammenhang sind eine Reihe weiterer Kriterien zu berücksichtigen, die unselbständig und miteinander verflochten sind. Zu diesen Kriterien gehört nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs erstens die zentrale Rolle des Nutzers. Dieser nimmt nämlich eine öffentliche Wiedergabe vor, wenn er in voller Kenntnis der Folgen seines Verhaltens tätig wird, um seinen Kunden Zugang zu einer Rundfunksendung zu verschaffen, die das geschützte Werk enthält. Als Zweites hat der Gerichtshof einige Gesichtspunkte erläutert, die mit dem Begriff „öffentlich“ untrennbar zusammenhängen. So muss die „Öffentlichkeit“ aus einer unbestimmten Zahl potenzieller Leistungsempfänger und aus recht vielen Personen bestehen. Drittens hat der Gerichtshof festgestellt, dass es auch ein erhebliches Kriterium ist, ob eine „öffentliche Wiedergabe“ Erwerbszwecken dient. Es wird also vorausgesetzt, dass sich der Nutzer gezielt an das Publikum wendet, für das die Wiedergabe vorgenommen wird, und dass es in der einen oder anderen Weise für diese Wiedergabe aufnahmebereit ist und nicht bloß zufällig „erreicht“ wird.
Anhand der erwähnten Kriterien entscheidet der Gerichtshof, dass ein
Infolgedessen begründet eine solche Wiedergabe für die Tonträgerhersteller keinen Anspruch auf Vergütung.
© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 19.03.2012
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Union/ra-online
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Dokument-Nr. 13204
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