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Bayerischer Verfassungsgerichtshof, Urteil vom 04.05.2007
Vf. 9/VII/06 -

Studienplatzvergabe darf allein nach Abiturnotendurchschnitt erfolgen

Kein Verstoß gegen Gleichheitsgrundsatz

Der Bayerische Verfassungsgerichtshof hat entschieden, dass die Vergabe von Studienplätzen, die allein nach dem Abiturdurchschnitt erfolgt, nicht verfassungswidrig ist. Das Gericht hat eine entsprechende Popularklage dreier Abiturienten abgewiesen.

Die Studenden wollten die Verfassungswidrigkeit es § 2 der Satzung zur Regelung des Hochschulauswahlverfahrens gemäß § 32 Abs. 3 Nr. 3 des Hochschulrahmengesetzes an der Ludwig-Maximilians-Universität München vom 13. Mai 2005 I feststellen lassen.

I.

Gegenstand der Popularklage ist eine Hochschulsatzung zur Vergabe von Studienplätzen. Die Ludwig-Maximilians-Universität München hat in der angegriffenen Satzung bestimmt, dass für das Hochschulauswahlverfahren bei der Vergabe von Studienplätzen in den Fächern Biologie, Medizin, Pharmazie, Psychologie, Tiermedizin und Zahnmedizin die Durchschnittsnote der Hochschulzugangsberechtigung (allein) maßgeblich ist; bei Ranggleichheit entscheidet das Los. Das Hochschulauswahlverfahren betrifft die Vergabe von 60 % der - nach Vorabquoten z. B. für Härtefälle verbleibenden - Studienplätze; 20 % werden von der ZVS nach der Abiturnote vergeben, weitere 20 % nach der Wartezeit.

II.

1. Die Antragsteller rügen, die Vergabe von Studienplätzen nach der bloßen, ungewichteten Abiturdurchschnittsnote verstoße gegen den Gleichheitssatz (Art. 118 Abs. 1 Satz 1 BV), das Grundrecht der freien Entfaltung der Persönlichkeit (Art. 101 BV), das Rechtsstaatsprinzip (Art. 3 Abs. 1 Satz 1 BV) und gegen die aus Art. 128 BV abzuleitenden Bildungs- und Ausbildungsgrundrechte. Bei der Vergabe von Studienplätzen im Hochschulauswahlverfahren sei neben der Abiturnote mindestens ein weiteres Kriterium, wie z. B. eine bereits absolvierte Berufsausbildung, heranzuziehen. Es müssten zudem Landesquoten gebildet werden, um einer Benachteiligung bayerischer Studienplatzbewerber, die erheblich schwierigere Abiturprüfungen als Bewerber aus anderen Bundesländern abzulegen hätten, entgegenzuwirken. Das angegriffene Hochschulauswahlverfahren biete keine echte Chancenoffenheit für alle Studienplatzbewerber. Angesichts einer faktisch fast unmöglichen Zulassung im Rahmen von Härtefallquoten und überlanger Wartezeiten könne nicht mehr von einem gerechten Auswahlsystem gesprochen werden. Der in der Satzung vorgesehene Losentscheid bei Ranggleichheit von Bewerbern sei verfassungswidrig, weil unsachlich und ungeeignet. Im Übrigen sei die Auswahlsatzung nicht ordnungsgemäß bekannt gemacht worden.

2. Die Bayerische Staatsregierung und die Ludwig-Maximilians-Universität München halten die Popularklage für unbegründet. Aus den zugrunde liegenden Regelungen des § 32 Abs. 3 Nr. 3 Hochschulrahmengesetz (HRG) und des Art. 7 a Abs. 1 des Gesetzes zur Ausführung des Staatsvertrags über die Vergabe von Studienplätzen (AGStV) ergebe sich, dass die Abiturnote im Hochschulauswahlverfahren als alleiniges Auswahlkriterium verwendet werden dürfe. Für eine Benachteiligung bayerischer Abiturienten seien belastbare und nachprüfbare Belege bislang nicht erbracht worden. Die bundesrechtlichen Vorgaben schlössen Landesquoten im Hochschulauswahlverfahren aus. In Anbetracht einer beschränkten Aufnahmekapazität könnten nicht alle Studienbewerber sofort zugelassen werden. Die Bewerber mit besseren Abiturnoten dürften vorrangig berücksichtigt werden. Die Auswahl durch Losentscheid bei Ranggleichheit werde durch § 32 Abs. 4 HRG vorgegeben. Die Anforderungen an die Bekanntmachung von Hochschulsatzungen seien eingehalten worden.

III.

Der Bayerische Verfassungsgerichtshof hat die Popularklage mit Entscheidung vom 4. Mai 2007 als unbegründet abgewiesen.

1. Die angegriffenen Satzungsbestimmungen verstoßen nach Auffassung des Verfassungsgerichtshofs nicht gegen das Rechtsstaatsprinzip (Art. 3 Abs. 1 Satz 1 BV).

Die Regelung, wonach Studienplätze im Hochschulauswahlverfahren der Ludwig-Maximilians-Universität München ausschließlich nach der Durchschnittsnote der Hochschulzugangsberechtigung vergeben werden, finde in Art. 7 a AGStV eine ausreichende Ermächtigungsgrundlage und entspreche den bundesrechtlichen Vorgaben des Hochschulrahmengesetzes. Verfassungsrechtlich relevante Mängel bei der Verkündung der Hochschulsatzung seien nicht feststellbar.

2. Der Gleichheitssatz (Art. 118 Abs. 1 BV) sei nicht verletzt.

a) Das deutsche Abitur berechtige, unabhängig davon, in welchem Bundesland es erworben wurde, zum Studium an bayerischen Hochschulen. Der Satzungsgeber habe davon ausgehen dürfen, dass außerbayerische Zeugnisse auch hinsichtlich der in ihnen zuerkannten Durchschnittsnoten mit entsprechenden bayerischen Zeugnissen vergleichbar seien.

b) Ein Verstoß gegen Art. 118 Abs. 1 BV könne auch nicht im Hinblick darauf festgestellt werden, dass Bewerber, die sämtlich die subjektiven Immatrikulationsvoraussetzungen erfüllen und damit an sich die gleiche Qualifikation aufweisen, ungleich behandelt würden. Eine Auswahl der Bewerber, die bevorzugt nach dem durch die Durchschnittsnote des Schulabschlusses bestimmten Grad der Eignung vorgenommen werde, sei auch nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts solange verfassungsrechtlich vertretbar, wie durch eine kumulative Anwendung des Leistungs- und Wartezeitprinzips die nachteiligen Auswirkungen dieser Auswahlkriterien einigermaßen ausgeglichen würden; die Anforderungen an Durchschnittsnoten und Wartezeiten dürften danach allerdings ein erträgliches Maß nicht überschreiten. Dies ist nach den Darlegungen des Verfassungsgerichtshofs derzeit nicht der Fall. Im Übrigen lasse sich die Frage, ob ein Bewerber im Bereich der harten Numerus-clausus-Fächer hinreichende Zulassungschancen habe, nur aufgrund einer bundesweiten Betrachtung beurteilen. Die Hochschulen seien von Verfassungs wegen nicht verpflichtet, bereits innerhalb des Freistaates Bayern oder für einen einzelnen Hochschulstandort sicherzustellen, dass jeder Bewerber eine realistische Chance auf einen Studienplatz habe.

Der Verfassungsgerichtshof habe in diesem Zusammenhang nicht zu überprüfen, ob der Normgeber die bestmögliche, zweckmäßigste oder gerechteste Lösung gewählt habe. Dass der Satzungsgeber den ihm eröffneten Gestaltungsspielraum weitgehend ungenutzt gelassen habe und die Heranziehung mehrerer Auswahlkriterien möglicherweise zweckmäßiger wäre, vermöge die Verfassungswidrigkeit der angegriffenen Regelung daher nicht zu begründen. Die Einführung einer Landesquote für das Hochschulauswahlverfahren komme wegen der bundesgesetzlichen Vorgaben nicht in Betracht.

c) Durch den bei Ranggleichheit von Bewerbern vorgesehenen Losentscheid werde Art. 118 Abs. 1 BV ebenfalls nicht verletzt.

3. Die angefochtenen Satzungsbestimmungen verstoßen nach der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs auch nicht gegen Art. 101 und 128 BV.

Die Handlungsfreiheit werde nicht unzumutbar eingeengt. Art. 128 BV, der kein Grundrecht verbürge, verpflichte den Staat nicht, so viele und so vielfältige Ausbildungsstätten zu errichten, dass jedermann die ihm entsprechende Ausbildung erhalten könne.

© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 08.05.2007
Quelle: ra-online, Pressemitteilung des Bayerischen Verfassungsgerichtshof vom 08.05.2007

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