In dem vorliegenden Fall erheben die Hochschulen nach Art. 71 des Bayerischen Hochschulgesetzes (BayHSchG) seit dem Sommersemester 2007 von den Studierenden Studienbeiträge (bis zu 500 Euro pro Semester); diese Beiträge dienen der Verbesserung der Studienbedingungen. Am 12. Juni 2012 wurde beim Bayerischen Staatsministerium des Innern der Antrag gestellt, ein Volksbegehren zuzulassen, dessen Ziel es ist, die Studienbeiträge abzuschaffen.
Das Bayerische Staatsministerium des Innern ist der Auffassung, die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulassung des Volksbegehrens seien nicht gegeben.
Das Volksbegehren sei mit Art. 73 der Bayerischen Verfassung (BV), wonach über den Staatshaushalt kein Volksentscheid stattfindet, nicht vereinbar. Eine Abschaffung der Studienbeiträge beeinträchtige das parlamentarische Budgetrecht, weil getroffene Haushaltsentscheidungen nicht unverändert bleiben könnten. Die Gesamtkonzeption des Haushaltsgesetzgebers für die Hochschulfinanzierung müsse dann neu bewertet und gegebenenfalls angepasst werden. Im Hinblick auf laufende Beschäftigungsverhältnisse, bereits begonnene Baumaßnahmen und abgeschlossene Dauerverträge könne sich sogar eine Verpflichtung zur Anschlussfinanzierung aus staatlichen Mitteln ergeben. Die Beauftragten des Volksbegehrens hätten sich bei dessen Vorstellung für einen Ausgleich der Einnahmen aus Studienbeiträgen durch allgemeine Haushaltsmittel ausgesprochen.
Der Beauftragte des Volksbegehrens hält die Voraussetzungen seiner Zulassung für gegeben.
Die Studienbeiträge würden in den Körperschaftshaushalten der Hochschulen vereinnahmt, die getrennt vom Landesvermögen zu führen seien. Über die Körperschaftshaushalte könnten die Hochschulen direkt und unmittelbar Mittel zur Verbesserung der Studienbedingungen verausgaben. Die Studienbeiträge dienten nicht der Finanzierung von Staatsaufgaben; der Staatshaushalt würde durch den Wegfall der Studienbeiträge nicht automatisch belastet. Zwar sähen die Unterstützer des Volksbegehrens es als politisches Ziel an, Hochschulen mit staatlichen Mitteln besser auszustatten. Eine rechtliche Verpflichtung zum Ausgleich wegfallender Einnahmen durch den Staat bestehe jedoch nicht.
Der Bayerische Gerichtshof hat entschieden, dass das Volksbegehren zuzulassen ist. Die Entscheidung stützt sich auf folgende Grundsätze:
1. Art. 73 BV, wonach über den Staatshaushalt kein Volksentscheid stattfindet, steht der Zulassung des auf die Abschaffung der Studienbeiträge gerichteten Volksbegehrens nicht entgegen, weil ein Wegfall dieser Beiträge nur in den Körperschaftshaushalten der Hochschulen zu Mindereinnahmen führen würde.
2. Soweit Einnahmen aus Studienbeiträgen nach derzeitiger Praxis von den Hochschulen an den Staatshaushalt abgeführt und über diesen verausgabt werden, handelt es sich um Durchlaufposten, aus denen sich für den Staatshaushalt weder Einsparungen noch zusätzliche Belastungen ergeben.
3. Da der Freistaat Bayern rechtlich nicht verpflichtet ist, eine bei Abschaffung der Studienbeiträge entstehende Finanzierungslücke im Hochschulbereich durch die Bereitstellung zusätzlicher Haushaltsmittel auszugleichen, wird der Anwendungsbereich des Art. 73 BV auch unter diesem Gesichtspunkt nicht eröffnet.
Zwei Mitglieder des Verfassungsgerichtshofs sind der Auffassung, das Volksbegehren sei mit Art. 73 BV unvereinbar.
Der Verfassungsgerichtshof hat gemäß Art. 67 BV i. V. m. Art. 64 Abs. 1 Satz 1 LWG über die Zulassung des Volksbegehrens zu entscheiden. Dabei hat er zu klären, ob das Volksbegehren mit Art. 73 BV vereinbar ist, wonach über den Staatshaushalt kein Volksentscheid stattfindet. Es ist dagegen nicht Aufgabe des Verfassungsgerichtshofs, darüber zu befinden, ob die Erhebung von Studienbeiträgen bildungs- und sozialpolitisch zweckmäßig erscheint.
Das Volksbegehren hat das Ziel, die derzeit nach Art. 71 BayHSchG bestehende Verpflichtung der Hochschulen zur Erhebung von Studienbeiträgen abzuschaffen und die Beitragsfreiheit des Studiums gesetzlich zu normieren. Es steht nicht im Widerspruch zu Art. 73 BV und ist daher zuzulassen.
Die Studienbeiträge werden seit dem Sommersemester 2007 erhoben und tragen als nichtstaatliche Mittel zur Finanzierung der Hochschulen bei.
Bei den Studienbeiträgen handelt es sich um eine Gegenleistung für die potenzielle Inanspruchnahme des von den Hochschulen bereitgestellten Lehrangebots. Die Studierenden werden damit an den Kosten ihrer Hochschulausbildung beteiligt. Nach der Zweckbestimmung in Art. 71 Abs. 1 Satz 2 BayHSchG dienen die Studienbeiträge der Verbesserung der Studienbedingungen.
Die Erhebung der Studienbeiträge ist – wie Art. 71 Abs. 1 Satz 1 BayHSchG ausdrücklich bestimmt – eine Körperschaftsangelegenheit. Die Beitragserhebung ist als Verpflichtung ausgestaltet; innerhalb des durch Art. 71 Abs. 1 Satz 3 BayHSchG eröffneten Rahmens – bis zu 500 € – haben die Hochschulen bei der Festsetzung der Höhe des Studienbeitrags einen Gestaltungsspielraum. Als nichtstaatliche Mittel gehören die Einnahmen aus Studienbeiträgen zum Körperschaftsvermögen der Hochschulen, das getrennt vom Landesvermögen verwaltet wird; sie fließen nicht in den allgemeinen Staatshaushalt. Einnahmen aus Studienbeiträgen können unmittelbar von der Hochschule für Maßnahmen zur Verbesserung der Studienbedingungen verausgabt werden.
Der Haushaltsgesetzgeber hat allerdings durch die Aufnahme entsprechender Titel im Haushaltsplan des Bayerischen Staatsministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kunst auch die Möglichkeit geschaffen, Einnahmen aus Studienbeiträgen von den Körperschaftshaushalten der Hochschulen in den Staatshaushalt zu übertragen und über diesen zu verausgaben. Die Hochschulen entscheiden autonom, ob und in welchem Umfang sie diese Möglichkeit nutzen. Im Doppelhaushalt 2011/2012 sind in den Haushaltskapiteln aller bayerischer Hochschulen solche Einnahme- und Ausgabetitel enthalten. So kann vor allem das zur Verbesserung der Studienbedingungen einzustellende Personal als staatliches Personal beschäftigt werden. Da die Hochschulen über keine eigene Dienstherrenfähigkeit verfügen, kommt auf diese Weise überhaupt erst die Beschäftigung von zusätzlichen Beamten in Betracht. Zur Umsetzung der Möglichkeit, staatliches Personal einzustellen, wurde das Bayerische Staatsministerium der Finanzen erstmals in Art. 6 Abs. 7 Haushaltsgesetz 2007/2008 ermächtigt, im Staatshaushalt aus Studienbeitragsmitteln Planstellen für Beamte und Stellen für Arbeitnehmer zu schaffen.
Der Anteil der Studienbeiträge an der Gesamtfinanzierung der Hochschulen beläuft sich auf rund 5,4 %. Die Studienbeiträge tragen damit nur zu einem verhältnismäßig kleinen Prozentsatz zur Finanzierung der Hochschulen bei. Weit überwiegend werden die Hochschulen aus staatlichen Mitteln finanziert. Im Jahr 2011 belief sich dieser Anteil des Freistaates Bayern auf 63,8 %.
Durch den Gesetzentwurf des Volksbegehrens soll die derzeit bestehende Regelung in Art. 71 Abs. 1 bis 7 BayHSchG beseitigt werden, mit der Folge, dass die Hochschulen Studienbeiträge nicht mehr erheben dürften. Der Gesetzentwurf schließt Beiträge nicht nur zur Verbesserung der Studienbedingungen, sondern auch zur Sicherstellung der finanziellen Grundausstattung aus und gilt unabhängig davon, ob solche Abgaben in die Körperschaftshaushalte der Hochschulen oder in den Staatshaushalt fließen.
Aus den Regelungen im Gesetzentwurf des Volksbegehrens ergeben sich Auswirkungen für die Körperschaftshaushalte der Hochschulen. Da die beabsichtigte Änderung die Beitragsfreiheit des Studiums normiert und eine Erhebung von Studienbeiträgen durch die Hochschulen damit ausschließt, würden die derzeit in den Körperschaftshaushalten der Hochschulen vereinnahmten Mittel aus Studienbeiträgen entfallen.
Hierdurch wird der Anwendungsbereich des Art. 73 BV jedoch nicht eröffnet. Diese Verfassungsnorm, die – als Ausnahmeregelung zum Grundsatz der Gleichrangigkeit von Parlaments- und Volksgesetzgebung – Volksentscheide und ihnen vorausgehende Volksbegehren für nicht statthaft erklärt, beschränkt sich auf den Staatshaushalt. Durch Art. 73 BV wird das Budgetrecht des Landtags gesichert. Dieser Haushaltsvorbehalt zugunsten des Parlaments erstreckt sich aber nicht auf die Körperschaftshaushalte der staatlichen Hochschulen, für die der jeweilige Hochschulrat zuständig ist.
Allerdings hätte die im Gesetzentwurf des Volksbegehrens vorgesehene Abschaffung der Studienbeiträge auch zur Folge, dass eine Übertragung entsprechender Mittel aus den jeweiligen Körperschaftshaushalten der Hochschulen in den Staatshaushalt – wie sie derzeit im Hinblick auf 82 % der Einnahmen aus Studienbeiträgen praktiziert wird – nicht mehr in Betracht käme. Daher könnten künftig Einnahmen aus Studienbeiträgen, die von den Hochschulen nicht über den Körperschaftshaushalt selbst abgewickelt werden, sondern zur Verbesserung der Studienbedingungen dem Staatshaushalt zugeführt werden, nicht im Haushaltsplan des Freistaates Bayern ausgewiesen und auch nicht über diesen verausgabt werden.
Gleichwohl stellen sich die im Gesetzentwurf des Volksbegehrens enthaltenen Regelungen nicht als Akt der Haushaltsgesetzgebung dar. Da die Erhebung der Studienbeiträge eine Körperschaftsangelegenheit darstellt, fließen die damit verbundenen Einnahmen (zunächst) in den Körperschaftshaushalt der jeweiligen Hochschule. Im Haushaltsplan des Freistaates Bayern stellen die weitergeleiteten Mittel lediglich Durchlaufposten dar, aus denen sich für den Staatshaushalt grundsätzlich weder Einsparungen noch zusätzliche Belastungen ergeben.
Der Anwendungsbereich des Art. 73 BV ist auch nicht etwa deshalb betroffen, weil durch den Wegfall der Einnahmen aus den Studienbeiträgen eine Finanzierungslücke bei den Hochschulen entstünde, die durch den Freistaat Bayern zu schließen wäre.
Zwar verfolgen die Initiatoren des Volksbegehrens das politische Ziel, dass die Hochschulen mit staatlichen Mitteln besser ausgestattet werden. Es besteht aber keine rechtliche Verpflichtung des Haushaltsgesetzgebers, für einen Ausgleich zu sorgen. Es ist nicht ersichtlich, dass durch den Wegfall der Einnahmen aus den Studiengebühren eine ausreichende Grundausstattung der Hochschulen infrage gestellt würde.
An dem Ergebnis, dass kein Anwendungsfall des Art. 73 BV vorliegt, vermag der Einwand des Staatsministeriums des Innern, bei einem Erfolg des Volksbegehrens könne ein politisch-faktischer Zwang für den Haushaltsgesetzgeber zur Neubewertung und Anpassung der getroffenen Entscheidungen entstehen, nichts zu ändern. Da es sich hierbei um eine Wirkung handelt, die sich nicht anhand objektiver rechtlicher Maßstäbe erfassen lässt, muss dieser Einwand bei der Prüfung der verfassungsrechtlichen Frage, ob ein Anwendungsfall des Art. 73 BV gegeben ist, außer Betracht bleiben.
Das Argument des Staatsministeriums des Innern, der Wegfall der Studienbeiträge könne wegen einer künftigen Verpflichtung zur Anschlussfinanzierung aus staatlichen Mitteln Auswirkungen auf den Staatshaushalt haben, führt zu keiner anderen Beurteilung.
Die über den Staatshaushalt mit Mitteln aus Studienbeiträgen finanzierten Stellen dürfen nach Art. 6 Abs. 7 Satz 2 Haushaltsgesetz nur so lange in Anspruch genommen werden, als die Personalaufwendungen aus Studienbeiträgen finanziert werden können. Diese Einschränkung gilt nicht nur für zusätzliches Personal, sondern auch für sonstige Maßnahmen, wie z. B. Bauvorhaben, die Beschaffung von Literatur oder den Erwerb von Geräten, Ausstattungs- und Ausrüstungsgegenständen.
Soweit der Freistaat Bayern aufgrund im Staatshaushalt ausgewiesener Mittel beispielsweise durch die Schaffung von Beamtenstellen oder durch Baumaßnahmen längerfristige Verpflichtungen eingegangen sein sollte, ohne dass dafür durch die Hochschulen bereits Einnahmen aus Studienbeiträgen bereitgestellt wurden, beruht dies auf einer eigenständigen Entscheidung des staatlichen Haushaltsgesetzgebers zur Übernahme der künftigen Finanzierung. Eine Abschaffung der Studienbeitragspflicht kann daher nicht dazu führen, dass der Anwendungsbereich des Art. 73 BV eröffnet wird.
Schließlich führt der Umstand, dass der Gesetzentwurf des Volksbegehrens die Erhebung von Studienbeiträgen auch zugunsten der Staatskasse ausschließt, zu keiner anderen Bewertung. Der Staatshaushalt wird hierdurch schon deshalb nicht berührt, weil der Gesetzentwurf insoweit nicht auf eine Änderung der geltenden Rechtslage abzielt. Für eine entsprechende Beitragspflicht fehlt es schon bisher an der erforderlichen gesetzlichen Grundlage.