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Ein Vollzugsplan muss für den Gefangenen verständlich sein und ihm als Leitlinie für die Ausrichtung seines künftigen Verhaltens dienen. Ein Vollzugsplan, der lediglich aus Datumsstempeln und Kurznotizen über Geschehenes - nicht hingegen über Geplantes - besteht, genügt diesen Anforderungen nicht. Das hat das Bundesverfassungsgericht entschieden und gab damit einer Klage eines Strafgefangenen statt.
Der wegen Mordes verurteilte Beschwerdeführer verbüßt eine lebenslange Freiheitsstrafe. Der für ihn in der Justizvollzugsanstalt erstmals im Jahre 1994 erstellte Vollzugsplan wurde zuletzt im Jahr 2004 fortgeschrieben. Nachdem der Beschwerdeführer auf Anforderung eine Kopie des fortgeschriebenen Vollzugsplans erhalten hatte, stellte er beim Landgericht den Antrag auf Aufhebung des Vollzugsplans und Verpflichtung der Justizvollzugsanstalt zur Erstellung eines neuen, den gesetzlichen Vorgaben entsprechenden Vollzugsplans. Nach Auffassung des Beschwerdeführers genügte der Vollzugsplan, der aus Datumsstempeln und Kurznotizen über Geschehenes – nicht hingegen über Geplantes – bestehe, nicht den gesetzlichen Mindestanforderungen. Das Landgericht wies den Antrag zurück, da der Vollzugsplan rechtliche Mängel nicht erkennen lasse. Die hiergegen gerichtete Verfassungsbeschwerde des Beschwerdeführers hatte Erfolg. Die 2. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts hob die angegriffene Entscheidung auf, da sie den in Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG verankerten Resozialisierungsanspruch des Beschwerdeführers sowie sein Grundrecht aus Art. 19 Abs. 4 GG (Rechtsschutzgarantie) verletze. Die Sache wurde an das Landgericht zurückverwiesen.
Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zu Grunde:
Der Vollzugsplan, zu dessen Aufstellung und kontinuierlicher Fortschreibung die Vollzugsbehörde gesetzlich verpflichtet ist, ist zentrales Element eines am Resozialisierungsziel ausgerichteten Vollzuges. Er bildet mit richtungsweisenden Grundentscheidungen zum Vollzugs- und Behandlungsablauf einen Orientierungsrahmen für den Gefangenen wie für die Vollzugsbediensteten. Dies gilt auch in den Fällen lebenslanger Freiheitsstrafe, da auch dem zu lebenslanger Freiheitsstrafe Verurteilten eine Chance zur Wiedererlangung seiner Freiheit zu eröffnen ist. Wegen seiner Bedeutung muss der Vollzugsplan nicht nur für den Gefangenen verständlich sein und ihm als Leitlinie für die Ausrichtung seines künftigen Verhaltens dienen, sondern es muss auch eine den Anforderungen des Art. 19 Abs. 4 GG (Rechtsschutzgarantie) genügende gerichtliche Kontrolle daraufhin möglich sein, ob die Rechtsvorschriften für das Aufstellungsverfahren beachtet wurden und das inhaltliche Gestaltungsermessen der Behörde rechtsfehlerfrei ausgeübt worden ist. Dies erfordert Nachvollziehbarkeit der rechtserheblichen Abläufe und Erwägungen, die durch geeignete Dokumentation sicherzustellen ist. Der Vollzugsplan muss daher erkennen lassen, dass neben einer Beurteilung des bisherigen Behandlungsverlaufs auch eine Auseinandersetzung mit den zukünftig erforderlichen Maßnahmen stattgefunden hat. Hierzu sind wenigstens in groben Zügen die tragenden Gründe darzustellen, welche die Anstalt zur Befürwortung oder zur Verwerfung bestimmter Maßnahmen veranlasst haben.
Diesen Maßstäben wird die angegriffene Entscheidung nicht gerecht. Die von der Justizvollzugsanstalt dem Beschwerdeführer ausgehändigten Aufzeichnungen erschöpfen sich in einer lückenhaften und zusammenhanglosen Ansammlung rudimentärer Einträge und lassen die Erarbeitung eines Behandlungskonzepts nicht im Ansatz deutlich werden. Seit dem Erstvermerk aus dem Jahr 1994 finden sich in den einzelnen Rubriken des Vollzugsplans nur knappe handschriftliche Ergänzungen sowie Datumsstempel, die großenteils keinem inhaltlichen Nachtrag zuzuordnen sind und offenbar nur den Sinn haben, eine Befassung mit der betreffenden Planrubrik zu dokumentieren, ohne dass aber im Hinblick auf das „Wie“ der Befassung irgendetwas ersichtlich würde. Mehr als zehn Jahre nach der erstmaligen Erstellung des Vollzugsplans ist nicht ersichtlich, was zur Erarbeitung einer Wiedereingliederungsperspektive für den Beschwerdeführer unternommen werden soll. Es findet sich kein Hinweis darauf, dass es in der Vergangenheit jemals zu einem organisierten Austausch über die Person des Beschwerdeführers, wie ihn § 159 StVollzG verlangt, und zu einer hierauf basierenden Planung der Vollzugsperspektiven gekommen wäre.
© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 30.10.2006
Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 100/06 des BVerfG vom 26.10.2006
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Dokument-Nr. 3254
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