Um Suchtmittelmissbrauch im Strafvollzug zu unterbinden, hatte eine JVA regelmäßig allgemeine Drogenscreenings durch Urinkontrollen angeordnet und durch gleichgeschlechtliche Bedienstete des allgemeinen Vollzugsdienstes durchgeführt. Um Manipulationen oder Täuschungshandlungen, wie die Verwendung von Fremdurin, möglichst auszuschließen, erfolgten die Urinabgaben unter Aufsicht. Auch beim Beschwerdeführer wurden in der Zeit vom 24. November bis zum 28. Dezember 2020 vier beaufsichtigte Urinkontrollen durchgeführt, bei denen der anwesende Justizvollzugsbedienstete während der Abgabe der Urinprobe jeweils einen freien Blick auf das entkleidete Genital des Beschwerdeführers hatte. Anfang Januar 2021 beantragte der Beschwerdeführer eine gerichtliche Entscheidung. Er begehrte, dass zukünftig Feststellungen zum Suchtmittelkonsum durch eine Blutentnahme aus der Fingerbeere erfolgen sollten. Zudem beantragte er die Feststellung, dass die durchgeführten Urinabgaben unter Sichtkontrolle rechtswidrig gewesen seien. Die vier Urinproben innerhalb von gut vier Wochen hätten sein Schamgefühl erheblich verletzt und massiv in seine Intimsphäre eingegriffen. Die Justizvollzugsanstalt entgegnete, dass der erste Antrag auf gerichtliche Entscheidung unzulässig sei, weil zuvor kein entsprechender Antrag bei ihr gestellt worden sei. Der zweite Antrag sei unbegründet. Rechtsgrundlage der Urinkontrollen sei § 65 Abs. 1 des Strafvollzugsgesetzes des Landes Nordrhein-Westfalen (StVollzG NRW). Diese dienten der Feststellung des Suchtmittelmissbrauchs. Um Manipulationen oder Täuschungshandlungen, namentlich die Verwendung von Fremdurin, möglichst auszuschließen, sei eine Urinabgabe unter Aufsicht erforderlich.
Das Landgericht verwarf den ersten Antrag als unzulässig und den zweiten Antrag als unbegründet. Die Urinkontrollen seien rechtmäßig erfolgt. Die Maßnahme berühre nicht nur die gesundheitlichen Belange eines Gefangenen und seine Resozialisierung, sondern auch die Sicherheit des Strafvollzugs. Weiterhin ergebe sich aus § 65 StVollzG NRW keine Pflicht, eine andere Form der Kontrolle anzubieten. Andere Maßnahmen, die Manipulationen ausschließen würden, wären mit körperlichen Untersuchungen verbunden, welche einen wesentlich gravierenderen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht darstellten. Die gegen den Beschluss des Landgerichts erhobene Rechtsbeschwerde des Beschwerdeführers verwarf das Oberlandesgericht als unzulässig. In Bezug auf den Verpflichtungsantrag (Antrag zu 1.) sei die Rechtsbeschwerde unzulässig, weil kein zulässiger Antrag auf gerichtliche Entscheidung vorgelegen habe. Im Hinblick auf den Feststellungsantrag (Antrag zu 2.) sei es nicht geboten, die Nachprüfung des angefochtenen Beschlusses zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zu ermöglichen. Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer insbesondere eine Verletzung seiner Rechte aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1, Art. 19 Abs. 4 und Art. 20 Abs. 3 GG.
Die zulässige Verfassungsbeschwerde ist offensichtlich begründet. Der angegriffene Beschluss des Landgerichts vom 11. März 2021 verletzt den Beschwerdeführer in seinem aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG folgenden allgemeinen Persönlichkeitsrecht. Auslegung und Anwendung des einfachen Gesetzesrechts sind grundsätzlich Aufgabe der Fachgerichte, unterliegen aber der verfassungsgerichtlichen Prüfung daraufhin, ob sie die Grenze zur Willkür überschreiten oder die Bedeutung eines Grundrechts grundsätzlich verkennen. Grundrechte dürfen nur durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes und nur unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit eingeschränkt werden; dies gilt auch für Grundrechte von Gefangenen. Staatliche Maßnahmen, die mit einer Entkleidung verbunden sind, stellen einen schwerwiegenden Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht dar. Eingriffe, die den Intimbereich und das Schamgefühl des Inhaftierten berühren, lassen sich im Haftvollzug zwar nicht immer vermeiden. Sie sind aber von besonderem Gewicht. Der Gefangene hat insoweit Anspruch auf besondere Rücksichtnahme. Diesen Maßstäben wird der angegriffene Beschluss des Landgerichts nicht gerecht. Die durch das Landgericht vorgenommene Auslegung der Tatbestandsmerkmale der Rechtsgrundlage (§ 65 StVollzG NRW) sowie die gerichtliche Überprüfung der durch die Justizvollzugsanstalt vorgenommenen Abwägung auf Ermessensfehler beruhen auf einer grundsätzlich unrichtigen Anschauung von der Bedeutung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Beschwerdeführers. Es ist bereits fraglich, ob die von der Justizvollzugsanstalt auf § 65 StVollzG NRW gestützte Urinkontrolle aufgrund des damit einhergehenden schwerwiegenden Eingriffs in das allgemeine Persönlichkeitsrecht auch ohne konkreten Verdacht des Drogenmissbrauchs des betroffenen Gefangenen angeordnet werden kann. Diese Frage kann vorliegend offen bleiben. Denn das Landgericht hat bei der vorgenommenen Auslegung der Tatbestandsmerkmale bereits nicht berücksichtigt, dass § 65 StVollzG NRW speziell Maßnahmen „zur Aufrechterhaltung der Sicherheit oder Ordnung der Anstalt“ ermöglicht. Für Maßnahmen zum Gesundheitsschutz des Gefangenen sehen hingegen sowohl das Strafvollzugsgesetz (des Bundes) als auch das Strafvollzugsgesetz des Landes Nordrhein-Westfalen eine eigenständige Rechtsgrundlage vor (vgl. § 56 StVollzG, § 43 StVollzG NRW). So hätte sich das Landgericht insbesondere bei der umstrittenen Frage, ob beaufsichtigte Urinkontrollen auch anlasslos angeordnet werden können, damit auseinandersetzen müssen, ob diese unter Berücksichtigung des damit verbundenen schwerwiegenden Eingriffs in das allgemeine Persönlichkeitsrecht „zur Aufrechterhaltung der Sicherheit oder Ordnung“ (so die von der Justizvollzugsanstalt herangezogene spezielle Rechtsgrundlage für Suchtmittelkontrollen nach § 65 StVollzG NRW) gerechtfertigt sein können. Die vom Landgericht insoweit nicht differenzierende Abwägung lässt eine Unterscheidung der genannten Rechtsgrundlagen nicht erkennen. Unter Berücksichtigung des schwerwiegenden Eingriffs in das allgemeine Persönlichkeitsrecht, der die Intimsphäre berührt, kann die dieses Grundrecht einschränkende Rechtsgrundlage aber nicht dahinstehen.
Darüber hinaus hat das Landgericht nicht beachtet, dass § 65 Abs. 1 Satz 2 StVollzG NRW im September 2017 dahingehend geändert wurde, dass die Maßnahme mit einem geringfügigen Eingriff, namentlich einer Punktion der Fingerbeere zur Abnahme einer geringen Menge von Kapillarblut, verbunden sein darf, wenn der Gefangene einwilligt. Mit Blick auf die dadurch ausdrücklich ermöglichte alternative Testmöglichkeit kommt es nicht mehr darauf an, ob als milderes Mittel auch eine vorherige Durchsuchung des Gefangenen mit dessen Einverständnis in Betracht kommt. Das Landgericht hat nicht geprüft, ob die Justizvollzugsanstalt als milderes Mittel statt einer beobachteten Urinkontrolle die Kontrolle durch Punktion der Fingerbeere zur Abnahme einer geringen Menge von Kapillarblut hätte anbieten müssen. Die vom Landgericht nicht näher erläuterte Annahme, dass andere Maßnahmen, die eine Manipulation ausschließen, körperliche Untersuchungen voraussetzen würden, welche einen wesentlich gravierenderen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht darstellten, ist unter Berücksichtigung des ausdrücklich erklärten Einverständnisses des Beschwerdeführers mit einer Punktion der Fingerbeere nicht nachvollziehbar. So wiegt der die Intimsphäre berührende Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht bei beaufsichtigten, mit Entkleidung verbundenen Urinkontrollen in der Regel deutlich schwerer als der mit einer (einverständlichen) Punktion der Fingerbeere verbundene Eingriff in die körperliche Unversehrtheit des Gefangenen. Da die Justizvollzugsanstalt bei Anordnung grundrechtseinschränkender Maßnahmen von Amts wegen zu prüfen hat, ob diese die Verhältnismäßigkeit wahren, also kein milderes Mittel zur Wahrung der Sicherheitsinteressen in Betracht kommt, steht dem auch nicht entgegen, dass der Beschwerdeführer vor Anordnung der ersten Urinkontrolle keinen ausdrücklichen Antrag gestellt hat, die Kontrolle mittels Punktion der Fingerbeere durchzuführen. Schließlich hat es das Landgericht versäumt, innerhalb der Verhältnismäßigkeitsprüfung zu berücksichtigen, dass auch die angeordnete Frequenz der Kontrollen nicht angemessen gewesen sein könnte. So erfordert ein gerechter Ausgleich zwischen dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht, insbesondere der Wahrung der Intimsphäre des Gefangenen, und dem Sicherheitsinteresse der Vollzugsanstalt auch die Prüfung, in welcher Frequenz einzelne beobachtete Urinkontrollen zur Suchtmittelprävention angeordnet werden dürfen.
Die Verfassungsbeschwerde ist auch hinsichtlich des angegriffenen Beschlusses des Oberlandesgerichts offensichtlich begründet. Dieser Beschluss verletzt den Beschwerdeführer in seinen Rechten aus Art. 19 Abs. 4 GG. § 119 Abs. 3 StVollzG erlaubt, von einer Begründung der Rechtsbeschwerdeentscheidung abzusehen, wenn das Oberlandesgericht die Beschwerde für unzulässig oder offensichtlich unbegründet erachtet, was der Senat hinsichtlich des Feststellungsbegehrens des Beschwerdeführers vorliegend getan hat. Dies ist verfassungsrechtlich grundsätzlich nicht zu beanstanden. Daraus folgt jedoch nicht, dass sich der Beschluss selbst verfassungsrechtlicher Prüfung entzöge oder die Maßstäbe der Prüfung zu lockern wären. Vielmehr ist in einem solchen Fall die Entscheidung bereits dann aufzuheben, wenn an ihrer Vereinbarkeit mit Grundrechten des Beschwerdeführers erhebliche Zweifel bestehen. Dies ist angesichts der inhaltlichen Abweichung der Entscheidungsgründe des Landgerichts von der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts hier der Fall.