kostenlose-urteile.de ist ein Service der ra-online GmbH
Dies ist die mobile Version von kostenlose-urteile.de - speziell optimiert für Smartphones.
Klicken Sie hier, wenn Sie lieber die klassische Version für Desktop-PCs und Tablets nutzen wollen.
Ein Gefangener kann die Fortschreibung seines Haftplans gerichtlich überprüfen lassen. Das hat das Bundesverfassungsgericht entschieden. Der Vollzugsplan habe erhebliche Auswirkungen auf die Lebensverhältnisse des Gefangenen. Daher stehe ihm ein einklagbarer Rechtsanspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über die Inhalte des Vollzugsplans zu.
Der wegen Mordes verurteilte Beschwerdeführer verbüßt eine lebenslange Freiheitsstrafe in der Justizvollzugsanstalt. Der für ihn im Jahr 1999 erstellte Vollzugsplan wurde in den folgenden Jahren fortgeschrieben. Die Vollzugsplanfortschreibung für das Jahr 2002 enthält – wie bereits die vorhergehende Fortschreibung – die Feststellung, dass der Beschwerdeführer für Vollzugslockerungen nicht geeignet sei. Eine Flucht- oder Missbrauchsgefahr könne nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden.
Den gegen die in der Vollzugsplanfortschreibung getroffene Feststellung, dass er für Vollzugslockerungen nicht geeignet sei, gerichteten Antrag des Beschwerdeführers wies das Landgericht als unzulässig zurück. Es handle sich nicht um eine anfechtbare regelnde Maßnahme im Sinne des § 109 Abs. 1 Strafvollzugsgesetz (StVollzG), denn der Beschwerdeführer habe im Vorfeld der Vollzugsplankonferenz keine Lockerungen beantragt. Die hiergegen gerichtete Verfassungsbeschwerde des Beschwerdeführers hatte Erfolg. Die 2. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts stellte fest, dass die angegriffene Entscheidung den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG (Rechtsschutzgarantie) verletzt.
Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zu Grunde:
Die gesetzliche Regelung für den Rechtsschutz gegen Maßnahmen im Strafvollzug ist im Lichte der Rechtsschutzgarantie des Grundgesetzes auszulegen. Für die Beantwortung der Frage, ob ein Handeln oder Unterlassen der Justizvollzugsanstalt eine regelnde Maßnahme im Sinne des § 109 StVollzG darstellt, kommt es deshalb darauf an, ob die Möglichkeit besteht, dass dieses Handeln oder Unterlassen Rechte des Gefangenen verletzt. Dies trifft für die hier in Frage stehenden lockerungsbezogenen Elemente des Vollzugsplans zu. Der Vollzugsplan ist vom Strafvollzugsgesetz als zentrales Element für einen dem Resozialisierungsziel verpflichteten Vollzug vorgesehen. Er muss einen bestimmten Mindestinhalt enthalten und ist regelmäßig nach Maßgabe der Entwicklung des Gefangenen und weiterer neu gewonnener Erkenntnisse über seine Persönlichkeit fortzuschreiben. Da die Festlegungen des Vollzugsplans bei der Entscheidung über konkrete Behandlungsmaßnahmen zu berücksichtigen sind, haben sie erhebliche Auswirkungen auf die Lebensverhältnisse des Gefangenen.
Auf die Einhaltung der den Vollzugsplan betreffenden gesetzlichen Bestimmungen und die ermessensfehlerfreie Entscheidung über die Inhalte des Vollzugsplans hat der Gefangene einen einklagbaren Rechtsanspruch. Die Möglichkeit einer Rechtsverletzung durch lockerungsbezogene Lücken oder Inhalte des Vollzugsplans besteht deshalb unabhängig davon, ob der Gefangene zuvor konkrete Lockerungsmaßnahmen beantragt hat. Daher kann von einem solchen vorausgegangenen Antrag auch der Regelungscharakter im Sinne des § 109 StVollzG nicht abhängen.
Eine regelnde Maßnahme im Sinne des § 109 StVollzG liegt auch nicht nur dann vor, wenn ein Vollzugsplan erstmalig aufgestellt wird. Auch der Fortschreibung bisheriger Inhalte des Vollzugsplans kommt Regelungsgehalt zu. Das gilt jedenfalls insoweit, als die Fortschreibung hinsichtlich der jeweiligen Behandlungsmaßnahme auf erneuter Prüfung beruht oder eine erneute Prüfung erforderlich gewesen wäre. Denn die Beibehaltung von Planinhalten im Rahmen einer Fortschreibung steht, jedenfalls unter den genannten Voraussetzungen, im Hinblick auf die Funktion des Vollzugsplans der erstmaligen Festsetzung neuer Inhalte gleich.
© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 23.08.2006
Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 75/2006 des BVerfG vom 22.08.2006
Urteile sind im Original meist sehr umfangreich und kompliziert formuliert. Damit sie auch für Nichtjuristen verständlich werden, fasst kostenlose-urteile.de alle Entscheidungen auf die wesentlichen Kernaussagen zusammen. Wenn Sie den vollständigen Urteilstext benötigen, können Sie diesen beim jeweiligen Gericht anfordern.
Wenn Sie einen Link auf diese Entscheidung setzen möchten, empfehlen wir Ihnen folgende Adresse zu verwenden: https://urteile.news/BVerfG_2-BvR-138303_Auch-die-Fortschreibung-eines-Vollzugsplans-unterliegt-der-gerichtlichen-Kontrolle~N2882
Bitte beachten Sie, dass im Gegensatz zum Verlinken für das Kopieren einzelner Inhalte eine explizite Genehmigung der ra-online GmbH erforderlich ist.
Dokument-Nr. 2882
kostenlose-urteile.de ist ein Service der ra-online GmbH
Die Redaktion von kostenlose-urteile.de gibt sich größte Mühe bei der Zusammenstellung interessanter Urteile und Meldungen. Dennoch kann keine Gewähr für Richtigkeit und Vollständigkeit der über uns verbreiteten Inhalte gegeben werden. Insbesondere kann kostenlose-urteile nicht die fachkundige Rechtsberatung in einem konkreten Fall ersetzen.
Bei technischen Problemen kontaktieren Sie uns bitte über dieses Formular.