Der Beschwerdeführer, ein wegen Mordes an einer Frau und deren Tochter rechtskräftig zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe Verurteilter, befand sich seit Juni 1970 in Untersuchungs- und sodann in Strafhaft. Nachdem er die Taten zunächst eingeräumt hatte, widerrief er in der Folgezeit sein Geständnis. Ab dem Jahr 1991 befand sich der Beschwerdeführer im offenen Vollzug. In den folgenden Jahren wurde er jedoch mehrfach in den geschlossenen Vollzug zurückverlegt, weil bei ihm wiederholt pornografisches Material und weitere unerlaubte Gegenstände aufgefunden worden waren. Im Jahr 1997 stellte das Landgericht Koblenz fest, dass die besondere Schwere der Schuld des Beschwerdeführers die weitere Vollstreckung der Freiheitsstrafe nicht mehr gebiete. Eine Aussetzung des Strafrestes zur Bewährung lehnte es gleichwohl ab, da eine günstige Gefahrenprognose nicht gestellt werden könne. 2019 und 2021 blieben weitere Anträge des Mannes auf Aussetzung des Strafrests zur Bewährung vor LG und OLG ohne Erfolg. Sie konstatierten zwar, dass der Mann sich in letzter Zeit im offenen Vollzug bewährt habe. Allerdings bestehe mangels Aufarbeitung der Taten die Besorgnis einer Rückfälligkeit. Mit seiner Verfassungsbeschwerde wandte sich der Mann gegen die gerichtlichen Beschlüsse aus 2019 und 2021. Er rügte insbesondere eine Verletzung seines Freiheitsgrundrechts.
Das BVerfG hat den Verfassungsbeschwerden stattgegeben. Die fachgerichtlichen Beschlüsse verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit Art. 104 Abs. 2 Satz 1 GG. Bei der Entscheidung über die Aussetzung des Strafrestes einer lebenslangen Freiheitsstrafe bedarf es von Verfassungs wegen einer Gesamtwürdigung, die die von dem Verurteilten ausgehenden Gefahren zur Schwere des mit dem Freiheitsentzug verbundenen Grundrechtseingriffs ins Verhältnis setzt. Auf der einen Seite verlangt die im Rahmen der Aussetzungsentscheidung zu treffende Prognose die Verantwortbarkeit der Aussetzung mit Rücksicht auf unter Umständen zu erwartende Rückfalltaten. Auf der anderen Seite hat dabei der grundsätzliche Freiheitsanspruch des Verurteilten wegen der regelmäßig zurückgelegten langen Haftzeit großes Gewicht. Je höherwertige Rechtsgüter in Gefahr sind, desto geringer muss das Rückfallrisiko sein. Darüber hinaus folgen aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verfahrensrechtliche Anforderungen, die mit zunehmender Dauer der Freiheitsentziehung steigen. Vor allem wenn die besondere Schwere der Schuld die weitere Vollstreckung einer lebenslangen Freiheitsstrafe nicht mehr gebietet, hat sich das Vollstreckungsgericht bei einer Aussetzungsentscheidung von Verfassungs wegen um eine möglichst breite Tatsachenbasis zu bemühen und die für seine Entscheidung maßgeblichen Gesichtspunkte näher darzulegen. Mit zunehmender Dauer einer Freiheitsentziehung verengt sich der Bewertungsrahmen des Strafvollstreckungsrichters und wächst die verfassungsgerichtliche Kontrolldichte. Diesen Maßstäben genügen die angegriffenen Beschlüsse nicht. Sie verfehlen die sich aus der sehr langen Dauer der Freiheitsentziehung ergebenden Anforderungen an die BVerfG fehlt die Begründungstiefe über die Aussetzung des Strafrestes der lebenslangen Freiheitsstrafe. Die Fachgerichte verhalten sich bereits nicht zu dem Lebensalter des Beschwerdeführers und den sich daraus ergebenden Konsequenzen für die Wahrscheinlichkeit künftiger Straftaten. Dabei ist davon auszugehen, dass angesichts der außerordentlichen Länge der Vollzugsdauer die Gefahr künftiger (Sexual-) Straftaten von nur geringem oder mittlerem Gewicht einer Aussetzung des Strafrestes der lebenslangen Freiheitsstrafe zur Bewährung nicht mehr entgegenstehen dürfte. Selbst wenn das im Zeitpunkt der Begehung der Anlassdelikte im Jahr 1970 zutage getretene Persönlichkeitsdefizit in Form einer sexuellen Devianz und gesteigerten sexuellen Verlangens unbearbeitet geblieben ist, kann nicht ohne Weiteres davon ausgegangen werden, dass die sexuelle Dranghaftigkeit des Beschwerdeführers in seinem hohen Alter in einem Maße fortbesteht, dass die Wahrscheinlichkeit der Begehung vergleichbarer, gegen das Leben gerichteter (Sexual-) Straftaten als gegeben angesehen werden kann. Nichts Anderes ergibt sich, soweit die Fachgerichte darauf verweisen, die besondere Dranghaftigkeit des Beschwerdeführers sei während seiner Inhaftierung immer wieder zum Vorschein gekommen, da sämtliche Regelverstöße im Zusammenhang mit seiner Sexualität gestanden hätten. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass der Besitz der aufgefundenen Gegenstände für sich genommen keinen Aufschluss über die Gefahr künftiger besonders schwerer (Sexual-) Straftaten zu geben vermag. Zudem liegen keine Hinweise vor, dass der Beschwerdeführer während der mehrjährigen Phasen des offenen Vollzugs Straftaten begangen hat. Hinzu kommt, dass der Beschwerdeführer den seit 2017 erneut angeordneten offenen Vollzug – soweit ersichtlich – bisher beanstandungsfrei absolviert hat. Nicht nachvollziehbar sind darüber hinaus die Ausführungen des Landgerichts Koblenz zur Bewertung des Umstands, dass der Beschwerdeführer zwei Langzeitausgänge ordnungsgemäß durchgeführt hat. Das Landgericht beschränkt sich auf die Feststellung, der Beschwerdeführer habe erkannt, dass eine Entlassung perspektivisch nur realisierbar sei, wenn er sich beanstandungsfrei führe. Es sei daher davon auszugehen, dass er auch künftige Langzeitausgänge beanstandungsfrei absolvieren werde. Das Landgericht misst damit der erfolgreichen Durchführung von angeordneten Lockerungsmaßnahmen keinerlei Aussagewert zu. Dies ist mit dem Grundsatz, dass Vollzugslockerungen für eine zutreffende Prognoseentscheidung eine besondere Bedeutung zukommt, nicht vereinbar.
Schließlich setzen sich die Fachgerichte unzureichend mit der Frage einer möglichen Reduzierung des verbliebenen Risikos der Begehung erneuter (Sexual-) Straftaten des Beschwerdeführers durch die Erteilung von Auflagen und Weisungen im Rahmen einer Aussetzung des Vollzugs der Freiheitsstrafe zur Bewährung auseinander. Sie beschränken sich insoweit auf die Feststellung, dass ein geeigneter sozialer Empfangsraum fehle, weil der Beschwerdeführer nicht bereit sei, eine Unterbringung in einer betreuten Wohnform außerhalb des ihm bekannten sozialen Umfelds zu akzeptieren, und es an einem entsprechenden Angebot fehle. Die Gerichte lassen dabei außer Betracht, dass der gerichtlich beauftragte Sachverständige ausgeführt hat, dass der Beschwerdeführer kein impulsiv handelnder Straftäter sei. Das Restrisiko weiterer Straftaten könne daher durch geeignete Weisungen reduziert werden. Als solche seien eine regelmäßige sozialarbeiterische Betreuung mit kontrollierenden Funktionen, die Untersagung des Besitzes von Gegenständen, die für voyeuristische Zwecke eingesetzt werden können, und eine dahingehende regelmäßige Kontrolle der Wohnung in Betracht zu ziehen. Diesen Ausführungen kann nicht entnommen werden, dass aus Sicht des Sachverständigen die Überführung in eine betreute Wohnform die einzige Möglichkeit darstellt, um im Rahmen eines Entlassungssettings die Gefahr künftiger schwerer (Sexual-) Straftaten des Beschwerdeführers auf das unvermeidbare Mindestmaß zu reduzieren. Vor diesem Hintergrund wäre es Sache der Fachgerichte gewesen, sich mit der Möglichkeit einer Reststrafenaussetzung unter ausreichend risikominimierenden Auflagen gesondert zu befassen. Es erscheint – nicht zuletzt auch wegen der erfolgreich absolvierten Langzeitausgänge – nicht von vornherein ausgeschlossen, dass angesichts der dem Beschwerdeführer durch den Sachverständigen attestierten fehlenden Impulsivität die Möglichkeit besteht, durch Bewährungsauflagen eine begleitende und kontrollierende Struktur zu schaffen, die die Gefahr erneuter, gegen das Leben gerichteter Sexualstraftaten auf das unvermeidbare Mindestmaß beschränkt.