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Das Bundesverfassungsgericht hat die Eilanträge der Bundestagsfraktion Bündnis 90/DIE GRÜNEN betreffend die Einführung des Rechts auf Eheschließung für gleichgeschlechtliche Paare abgelehnt. Die Anträge richten sich gegen die unterbliebene Beschlussfassung über die entsprechenden Gesetzentwürfe durch den zuständigen Ausschuss des Deutschen Bundestages. Dem Erlass der beantragten einstweiligen Anordnung steht nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts entgegen, dass die Hauptsache jedenfalls offensichtlich unbegründet wäre. Dem Vorbringen der Bundestagsfraktion ist eine missbräuchliche Handhabung des Gesetzesinitiativrechts und damit eine Verletzung des Befassungsanspruchs des Gesetzesinitianten nicht zu entnehmen.
Die Bundestagsfraktion Bündnis 90/DIE GRÜNEN (Antragstellerin) begehrt, den Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz des Deutschen Bundestages (Antragsgegner) im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, über drei weitgehend inhaltsgleiche Gesetzentwürfe der Antragstellerin, der Bundestagsfraktion DIE LINKE und des Bundesrates zur Einführung des Rechts auf Eheschließung für
Die Gesetzentwürfe liegen dem Antragsgegner als federführendem Ausschuss seit Dezember 2013, Juni 2015 beziehungsweise November 2016 vor. Danach wurde die Behandlung der Gesetzentwürfe in den Sitzungen des Antragsgegners bis Mai 2017 in einer Vielzahl von Fällen vertagt.
Die Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hatten keinen Erfolg. Das Bundesverfassungsgericht kann einen Zustand durch einstweilige Anordnung vorläufig regeln, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus einem anderen wichtigen Grund zum gemeinen Wohl dringend geboten ist (§ 32 Abs. 1 BVerfGG). Dabei müssen die Gründe, welche für die Verfassungswidrigkeit der angegriffenen Maßnahme sprechen, außer Betracht bleiben, es sei denn, die Hauptsache erwiese sich als von vornherein unzulässig oder offensichtlich unbegründet. Bei der Prüfung der Voraussetzungen des § 32 Abs. 1 BVerfGG ist grundsätzlich ein strenger Maßstab anzulegen. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung kann allein der vorläufigen Sicherung des streitigen organschaftlichen Rechts der Antragsteller dienen, damit es nicht im Zeitraum bis zur Entscheidung der Hauptsache durch Schaffung vollendeter Tatsachen überspielt wird.
Nach diesen Grundsätzen sind die Anträge der Antragstellerin abzulehnen. Dabei kann dahinstehen, ob ein noch einzuleitendes Hauptsacheverfahren überhaupt zulässig wäre. Die Anträge wären jedenfalls offensichtlich unbegründet. Nach dem derzeitigen Verfahrensstand kann weder eine willkürliche Verschleppung der Beschlussfassung über die streitgegenständlichen Gesetzesvorlagen noch eine Entleerung des Gesetzesinitiativrechts der Antragstellerin festgestellt werden.
Aus dem Gesetzesinitiativrecht (Art. 76 Abs. 1 GG) folgt das Recht des Initianten, dass das Gesetzgebungsorgan sich mit seinem Vorschlag beschäftigt. Es muss darüber beraten und Beschluss fassen. Von einer Verletzung des Befassungsanspruchs ist auszugehen, wenn die Beratung und Beschlussfassung eines Gesetzentwurfs ohne sachlichen Grund gänzlich oder auf unbestimmte Zeit verweigert wird.
In zeitlicher Hinsicht beinhaltet das Befassungsrecht des Gesetzesinitianten die Pflicht des Gesetzgebungsorgans, über Vorlagen "in angemessener Frist" zu beraten und Beschluss zu fassen. Allerdings enthalten weder das Grundgesetz noch die Geschäftsordnung des Bundestages konkrete Vorgaben zur Bestimmung der Angemessenheit der Dauer einer Gesetzesberatung. Dies ist Konsequenz des Umstandes, dass letztlich eine abstrakte Bestimmung der Angemessenheit der Dauer einer konkreten Gesetzesberatung nicht möglich ist. Stattdessen bedarf es einer Berücksichtigung sämtlicher Umstände des jeweiligen Einzelfalles sowohl hinsichtlich des konkreten Gesetzentwurfs als auch hinsichtlich weiterer die Arbeitsabläufe des Parlaments beeinflussender Faktoren. Dabei ist es grundsätzlich dem Parlament vorbehalten, die Prioritäten bei der Bearbeitung der ihm vorliegenden Angelegenheiten selbst zu bestimmen. Insbesondere folgt aus dem Befassungsanspruch des Gesetzesinitianten keine Pflicht des Ausschusses oder des Bundestages, über sämtliche vorliegenden Gesetzesvorhaben innerhalb einer Legislaturperiode abschließend zu entscheiden. Vielmehr ist hinzunehmen, dass vorliegende Gesetzentwürfe mit dem Ende der Legislaturperiode der Diskontinuität anheimfallen können.
Daher wird eine Verletzung des Anspruchs des Initianten auf Beratung und Beschlussfassung über seinen Gesetzentwurf allenfalls in Ausnahmefällen in Betracht kommen. Denkbar ist dies, wenn die Behandlung eines Gesetzentwurfs erkennbar ohne jeden sachlichen Grund verschleppt und auf diese Weise versucht wird, das Gesetzesinitiativrecht zu entleeren. Wann über ein Gesetzesvorhaben abzustimmen ist, bestimmt sich allerdings - wie der vorliegende Fall zeigt - gerade in politisch und gesellschaftlich umstrittenen Zusammenhängen auch nach Gesichtspunkten, die in stärkerem Maße das Ergebnis einer politischen Mehrheitsbildung als dasjenige einer rechtlich strukturierten und gerichtlich überprüfbaren Entscheidung sind.
Davon ausgehend kann eine Verletzung des Gesetzesinitiativrechts nicht festgestellt werden. Gegen die Annahme einer willkürlichen Verschleppung der Beschlussfassung über die streitgegenständlichen Gesetzentwürfe ohne jeden sachlichen Grund spricht, dass auch nach der Darstellung der Antragstellerin die regelmäßige Vertagung der Beratung und Beschlussfassung der vorgelegten Gesetzentwürfe durch den Antragsgegner Teil eines nicht abgeschlossenen politischen Meinungsbildungs- und Abstimmungsprozesses gewesen sein könnte. So trägt die Antragstellerin selbst vor, sie habe bis März 2017 nicht von einer Blockade ihrer Gesetzesvorlage ausgehen können, zumal auch in der mehrheitlich ablehnenden Unionsfraktion unterschiedliche Positionen erkennbar gewesen seien. Vor diesem Hintergrund erscheint es denkbar, dass der Verzicht auf die Beschlussfassung über die streitgegenständlichen Gesetzentwürfe mit dem Ziel der Herstellung oder Verbreiterung einer mehrheitlichen Unterstützung für das Projekt der gleichgeschlechtlichen Ehe und damit nicht ohne sachlichen Grund erfolgte.
Einer Verletzung des Gesetzesinitiativrechts steht ferner entgegen, dass die streitgegenständlichen Gesetzentwürfe Gegenstand mehrfacher und ausführlicher Beratungen im Plenum des Deutschen Bundestages waren. Selbst nach Einschätzung der Antragstellerin ist der Inhalt der Gesetzentwürfe damit "bis zum Überdruss aller Beteiligten" erörtert worden. Angesichts dieser Abläufe ist aber für die Annahme eines "Leerlaufens" des Gesetzesinitiativrechts im vorliegenden Fall kein Raum. Der Bundestag hat sich mit den Gesetzentwürfen mehrfach intensiv befasst; die Gesetzesinitianten hatten die Möglichkeit, öffentlich die Inhalte der von ihnen vorgelegten Gesetzentwürfe vorzutragen und zu begründen und dadurch auf die politische Willensbildung Einfluss zu nehmen. Zugleich waren die übrigen im Bundestag vertretenen Parteien gezwungen, sich zu den vorgelegten Gesetzentwürfen zu positionieren. Allein der Umstand, dass es bisher nicht zu einer abschließenden Beschlussfassung über die Gesetzentwürfe gekommen ist, vermag die Annahme einer Entleerung des Gesetzesinitiativrechts nicht zu rechtfertigen.
© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 20.06.2017
Quelle: Bundesverfassungsgericht/ra-online
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Dokument-Nr. 24417
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