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Der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts hat das Verbot des Umschlags (Be-, Ent- und Umladen) von Kernbrennstoffen in den Häfen der Freien Hansestadt Bremen durch § 2 Abs. 3 Bremisches Hafenbetriebsgesetz (BremHafenbetrG) für mit dem Grundgesetz unvereinbar und nichtig erklärt. Zur Begründung führt der Senat aus, dass der Freien Hansestadt Bremen die Gesetzgebungskompetenz für den Erlass eines Umschlagverbots fehlt. Dem Bund steht die ausschließliche Gesetzgebungsbefugnis für die friedliche Nutzung der Kernenergie (Art. 73 Abs. 1 Nr. 14 GG) zu. § 2 Abs. 3 BremHafenbetrG betrifft jedenfalls im Schwerpunkt die Materie der friedlichen Nutzung der Kernenergie, so dass das Land nicht zur Gesetzgebung berufen ist. Dem Verfahren liegt eine Vorlage des Verwaltungsgerichts der Freien Hansestadt Bremen zu Grunde.
Durch das Gesetz zur Änderung des Bremischen Hafenbetriebsgesetzes vom 31. Januar 2012 wurden in § 2 die Absätze 2 und 3 neu in das Gesetz eingefügt. Hiernach ist im Interesse einer grundsätzlich auf Nachhaltigkeit und erneuerbare Energien ausgerichteten Gesamtwirtschaft der Umschlag von Kernbrennstoffen ausgeschlossen. Der Bremer Senat kann allgemein oder im Einzelfall Ausnahmen zulassen.
Ausgangspunkt für die Einfügung des jetzigen § 2 Abs. 3 BremHafenbetrG war eine Entschließung der Bremischen Bürgerschaft vom 11. November 2010. In dieser wurde der Senat unter anderem aufgefordert, alle rechtlichen und tatsächlichen Möglichkeiten auszuschöpfen, um Transporte von Kernbrennstoffen durch die bremischen Häfen und andere Transportwege im Land zu verhindern. Insbesondere sollte der Senat unverzüglich alle aus seiner Sicht rechtlich möglichen Schritte zur Sperrung der bremischen Häfen und anderer Transportwege durch
Die Klägerinnen des Ausgangsverfahrens vor dem vorlegenden Verwaltungsgericht verfügen jeweils über Transportgenehmigungen des Bundesamtes für Strahlenschutz nach dem Atomgesetz, in denen die Transportroute über bremische Häfen jeweils ausdrücklich als Transportstrecke zugelassen ist. Sie beantragten bei der Freien Hansestadt
§ 2 Abs. 3 BremHafenbetrG ist mit Art. 71 und Art. 73 Abs. 1 Nr. 14 GG unvereinbar und nichtig.
I. Das Grundgesetz geht von einer in aller Regel abschließenden Verteilung der Gesetzgebungskompetenzen zwischen Bund und Ländern aus. Dabei hat der Bund das Recht zur Gesetzgebung, soweit das Grundgesetz ihm dieses ausdrücklich zuweist. Im Übrigen sind die Länder zur Gesetzgebung berufen.
II. Dem Landesgesetzgeber fehlt die Gesetzgebungskompetenz für § 2 Abs. 3 BremHafenbetrG.
1. Nach Art. 73 Abs. 1 Nr. 14 GG besitzt der Bund die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz über die Erzeugung und Nutzung der Kernenergie zu friedlichen Zwecken, die Errichtung und den Betrieb von Anlagen, die diesen Zwecken dienen, den Schutz gegen Gefahren, die bei Freiwerden von Kernenergie oder durch ionisierende Strahlen entstehen, und die Beseitigung radioaktiver Stoffe. Art. 73 Abs. 1 Nr. 14 GG ist umfassend und erschöpfend zu verstehen; die Vorschrift erstreckt sich auf sämtliche kernenergierelevanten Sachverhalte und umfasst auch Regelungen zu Transport und Umschlag von Kernbrennstoffen. Nach Sinn und Zweck zielt Art. 73 Abs. 1 Nr. 14 GG darauf, dem Bund ein Zugriffsrecht auf alle kernenergierelevanten Sachverhalte einzuräumen, und stellt sich mit Blick auf möglicherweise überlappende Kompetenztitel im Zweifel als lex specialis dar. Die Nutzung der Kernenergie zu friedlichen Zwecken erfordert zwingend auch den Transport radioaktiver Stoffe. Der Kompetenztitel des Art. 73 Abs. 1 Nr. 14 GG umfasst daher auch Regelungen zu deren Transport. Regelungen über Verladevorgänge und den Umschlag von Kernbrennstoffen als ebenso notwendige wie integrale Bestandteile eines Transports werden daher herkömmlicherweise der Kompetenz für die friedliche Nutzung der Kernenergie zugeordnet.
2. Den Ländern steht dagegen gemäß Art. 70 Abs. 1 GG die Kompetenz zum Erlass von Vorschriften über ihr öffentliches Eigentum beziehungsweise das öffentliche Sachenrecht zu. Danach bestimmt die Widmung Inhalt und Umfang des öffentlich-rechtlichen Status einer Sache und den zulässigen Umfang ihrer Nutzung. Mit Blick auf Seehäfen können die Länder den Umfang der Widmung grundsätzlich frei bestimmen; zur Einrichtung oder Aufrechterhaltung von Häfen mit einer bestimmten Infrastruktur oder einem bestimmten Widmungsumfang sind sie nicht verpflichtet. Auch steht es ihnen grundsätzlich frei, den Umfang nachträglich durch Teilentwidmung zu beschränken. Die (ursprüngliche) Widmung kann insbesondere auf konkrete Verkehre oder einzelne Umschlagsarten sowie auf bestimmte Hafenteile oder -anlagen beschränkt werden. Allerdings dürfen die Länder im Gewande der Widmung keine Regelung treffen, die sich der Sache nach als Regelung eines von Art. 73 GG erfassten Lebensbereichs darstellt und in die Gesetzgebungskompetenz des Bundes eingreift. Weder die grundgesetzliche Kompetenzordnung noch das Atomgesetz hindern das Land daher daran, auf der Grundlage von Art. 70 GG einen Hafen teilweise zu entwidmen oder vollständig zu schließen, solange die Entscheidung nicht schwerpunktmäßig einen Inhalt hat, für den der Bund ausschließlich zuständig ist.
3. § 2 Abs. 3 BremHafenbetrG regelt zwar eine Teilentwidmung der bremischen Häfen für den Umschlag von Kernbrennstoffen. Der Sache nach stellt sich die Vorschrift jedoch nicht als bloße Teilentwidmung, sondern als partielles Umschlagsverbot für Kernbrennstoffe dar. Sie verletzt damit die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz des Bundes für das Atomrecht aus Art. 73 Abs. 1 Nr. 14 GG.
a) § 2 Abs. 3 Satz 1 BremHafenbetrG schließt im Wege einer Teilentwidmung den Umschlag von Kernbrennstoffen im Sinne des § 2 Abs. 1 AtG in den bremischen Häfen aus. Nach seinem objektiven Regelungsgehalt stellt sich das Umschlagsverbot jedoch nicht als Regelung des öffentlichen Sachenrechts dar, sondern als eine atomrechtliche Regelung im Sinne von Art. 73 Abs. 1 Nr. 14 GG.
b) § 2 Abs. 3 BremHafenbetrG schließt eine spezifische Transportleistung, nämlich den Umschlag von Kernbrennstoffen in den bremischen Häfen – trotz der weiterhin hierfür vorhandenen Infrastruktur – unmittelbar aus. Er normiert damit ein Verbot, das nicht nur eine Vorfrage von Atomtransporten betrifft, sondern zielt auf eine Tätigkeit, die zulässigerweise vom Atomgesetz des Bundes geregelt ist. Dass der Senat der Freien Hansestadt
c) Auch aufgrund seiner Wirkungen ist § 2 Abs. 3 BremHafenbetrG als eine spezifisch atomrechtliche Regelung zu qualifizieren. Er führt dazu, dass ein Transport von Kernbrennstoffen unter Nutzung der bremischen Häfen für einen Umschlag nicht (mehr) erfolgen kann, selbst wenn die sonstigen Voraussetzungen für die Erteilung der Transportgenehmigung nach § 4 AtG vorliegen.
III. Für eine Umschlagsgenehmigung von Kernbrennstoffen ist jedoch ausschließlich der Bund zuständig. Das schließt jegliche Gesetzgebung der Länder – vorbehaltlich einer entsprechenden bundesgesetzlichen Ermächtigung, an der es jedoch fehlt – aus (Art. 71 GG).
© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 11.01.2022
Quelle: Bundesverfassungsgericht, ra-online (pm/pt)
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