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Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, dass ein von den Zivilgerichten bestätigtes Verbot der Fraport AG hinsichtlich des Verteilens von Flugblättern im Frankfurter Flughafen ohne vorher hierfür eine Erlaubnis einzuholen, unverhältnismäßig ist. Ein solches Verbot verletzt die Veranstalter in ihren Grundrechten auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit.
Der
Die Beschwerdeführerin ist Mitglied einer „Initiative gegen Abschiebungen“, die sich gegen die Abschiebung von Ausländern unter Mitwirkung privater Fluggesellschaften wendet. Nachdem sie mit fünf weiteren Mitgliedern in der Abflughalle des Frankfurter Flughafens im März 2003 an einem Abfertigungsschalter Flugblätter verteilt hatte, die sich gegen eine Abschiebung richteten, erteilte ihr die Fraport AG ein „Flughafenverbot“ mit dem Hinweis, dass gegen sie ein Strafantrag wegen Hausfriedensbruchs erstattet werde, sobald sie erneut „unberechtigt“ auf dem
Die von der Beschwerdeführerin vor den Zivilgerichten gegen die Fraport AG erhobene Klage auf Feststellung, dass das erteilte Demonstrations- und Meinungskundgabeverbot für das Gelände des Flughafens Frankfurt rechtswidrig sei, blieb in allen Instanzen ohne Erfolg. Mit ihrer Verfassungsbeschwerde rügt die Beschwerdeführerin - unter anderem - eine Verletzung ihrer Grundrechte der
Das Bundesverfassungsgericht entschied, dass die angegriffenen zivilgerichtlichen Entscheidungen die Beschwerdeführerin in ihren Grundrechten der
Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zugrunde: Die Fraport AG ist gegenüber der Beschwerdeführerin unmittelbar an die Grundrechte gebunden. Die Nutzung zivilrechtlicher Formen enthebt die staatliche Gewalt nicht von ihrer Bindung an die Grundrechte gemäß Art. 1 Abs. 3 GG. Von der öffentlichen Hand beherrschte gemischtwirtschaftliche Unternehmen unterliegen ebenso wie im Alleineigentum des Staates stehende öffentliche Unternehmen, die in den Formen des Privatrechts organisiert sind, einer unmittelbaren Grundrechtsbindung.
Gemäß Art. 1 Abs. 3 GG binden die Grundrechte Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht. Sie gelten nicht nur für bestimmte Bereiche, Funktionen oder Handlungsformen staatlicher Aufgabenwahrnehmung, sondern binden die staatliche Gewalt umfassend und insgesamt. Dabei liegt Art. 1 Abs. 3 GG eine elementare Unterscheidung zugrunde: Während der Bürger prinzipiell frei ist, ist der Staat prinzipiell gebunden. Dementsprechend ist der Bürger seinerseits durch die Grundrechte nicht unmittelbar gebunden, sondern findet durch sie gegenüber dem Staat Anerkennung als freie Person, die in der Entfaltung ihrer Individualität selbst verantwortlich ist. Seine Inpflichtnahme durch die Rechtsordnung ist von vornherein relativ und prinzipiell begrenzt; der Staat schafft hierbei auch einen Ausgleich zwischen den verschiedenen Grundrechtsträgern und bringt damit zwischen diesen die Grundrechte mittelbar zur Geltung. Demgegenüber handelt der Staat in treuhänderischer Aufgabenwahrnehmung für die Bürger und ist ihnen rechenschaftspflichtig. Seine Aktivitäten verstehen sich nicht als Ausdruck freier subjektiver Überzeugungen in Verwirklichung persönlicher Individualität, sondern bleiben in distanziertem Respekt vor den verschiedenen Überzeugungen der Staatsbürger und werden dementsprechend von der Verfassung umfassend und unmittelbar an die Grundrechte gebunden. Dies gilt auch, wenn er für seine Aufgabenwahrnehmung auf das Zivilrecht zurückgreift.
Die unmittelbare Grundrechtsbindung trifft nicht nur öffentliche Unternehmen, die vollständig im Eigentum der öffentlichen Hand stehen, sondern auch gemischtwirtschaftliche Unternehmen, wenn diese von der öffentlichen Hand beherrscht werden. Dies ist in der Regel der Fall, wenn mehr als die Hälfte der Anteile im Eigentum der öffentlichen Hand stehen. Die Annahme einer unmittelbaren Grundrechtsbindung nicht nur der Anteilseigner, sondern auch des betreffenden Unternehmens selbst entspricht seinem Charakter als verselbständigter Handlungseinheit und stellt eine effektive Grundrechtsbindung unabhängig davon sicher, ob, wieweit und in welcher Form der oder die Eigentümer gesellschaftsrechtlich auf die Leitung der Geschäfte Einfluss nehmen können und wie bei Unternehmen mit verschiedenen öffentlichen Anteilseignern eine Koordination der Einflussrechte verschiedener öffentlicher Eigentümer zu gewährleisten ist. Die Rechte der privaten Anteilseigner erfahren hierdurch keine ungerechtfertigte Einbuße: Ob diese sich an einem öffentlich beherrschten Unternehmen beteiligen oder nicht, liegt in ihrer freien Entscheidung, und auch wenn sich die Mehrheitsverhältnisse erst nachträglich ändern, steht es ihnen wie bei der Änderung von Mehrheitsverhältnissen sonst frei, hierauf zu reagieren. Ohnehin unberührt bleibt ihre Rechtsstellung als Grundrechtsträger insbesondere des Eigentumsgrundrechts unmittelbar gegenüber den öffentlichen Anteilseignern oder sonst gegenüber der öffentlichen Gewalt.
Die angegriffenen Entscheidungen verletzen die Beschwerdeführerin in ihrer
Orte allgemeinen kommunikativen Verkehrs, die neben dem öffentlichen Straßenraum für die Durchführung von Versammlungen in Anspruch genommen werden können, sind zunächst nur solche, die der Öffentlichkeit allgemein geöffnet und zugänglich sind. Ausgeschlossen sind demgegenüber zum einen Orte, zu denen der Zugang individuell kontrolliert und nur für einzelne, begrenzte Zwecke gestattet wird. Zum anderen beantwortet sich die Frage, ob ein solcher außerhalb öffentlicher Straßen, Wege und Plätze liegender Ort als ein öffentlicher Kommunikationsraum zu beurteilen ist, nach dem Leitbild des öffentlichen Forums. Dieses ist dadurch charakterisiert, dass auf ihm eine Vielzahl von verschiedenen Tätigkeiten und Anliegen verfolgt werden kann und hierdurch ein vielseitiges und offenes Kommunikationsgeflecht entsteht. Die von der Beschwerdeführerin beabsichtigten Zusammenkünfte fallen in den Schutzbereich der
Die angegriffenen Entscheidungen greifen in die
Der Eingriff ist nicht gerechtfertigt, weil das von den Zivilgerichten bestätigte Verbot unverhältnismäßig ist. Grundsätzlich können die zivilrechtlichen Befugnisse nicht so ausgelegt werden, dass sie über die den Versammlungsbehörden verfassungsrechtlich gesetzten Grenzen hinausreichen. Danach kommt die Untersagung einer
Das vorliegende Verbot untersagt der Beschwerdeführerin jedoch ohne konkrete Gefahrenprognose auf unbegrenzte Zeit die Durchführung jeglicher Versammlungen in allen Bereichen des Flughafens, sofern diese nicht vorher nach Maßgabe einer grundsätzlich freien Entscheidung von der Fraport AG erlaubt werden. Dies ist mit der
Die angegriffenen Entscheidungen verletzen die Beschwerdeführerin auch in ihrer
Das von den Zivilgerichten bestätigte Verbot (BGH, Urteil v. 20.01.2006 - V ZR 134/05 -), das der Beschwerdeführerin untersagt, ohne die vorab einzuholende Erlaubnis der Fraport AG im
Die Annahme einer unmittelbaren Grundrechtsbindung der Fraport AG ist im Ergebnis richtig, die gegebene Begründung jedoch nicht hinreichend differenziert. Die unmittelbare Grundrechtsbindung der Fraport AG als einer so genannten gemischtwirtschaftlichen Aktiengesellschaft aufgrund einer Beherrschung durch verschiedene Träger staatlicher Gewalt, die je für sich - neben privaten Anteilseignern - nur Minderheitsgesellschafter sind, lässt sich nur dann begründen, wenn die öffentlichen Anteilseigentümer ihre addierten Anteile am Grundkapital einer rechtlich verbindlichen Koordination ihrer Einflusspotentiale unterworfen haben oder sonst ein Interessengleichlauf sichergestellt ist. Diese Voraussetzung für die Annahme einer Beherrschung wird hier mit dem Konsortialvertrag zwischen der Bundesrepublik, dem Land und einer Beteiligungsgesellschaft der Stadt erfüllt sein. Der Senat sieht indessen vom Erfordernis einer Koordinierung der Einflusspotentiale ab, die im Gesellschaftsrecht für die Annahme einer Beherrschung anerkannt ist, obwohl die „öffentlichen Anteilseigentümer" - je nach politischer Mehrheit - hinsichtlich des Flughafens divergierende, möglicherweise sogar gegenläufige Interessen verfolgen können. Weiter erzeugt die Senatsmehrheit mit ihrer Annahme, gesellschaftsrechtliche Einwirkungsbefugnisse allein seien auch bei einer summierten Anteilsmehrheit von mehr als 50 % nicht geeignet, die Grundrechtsbindung solcher Gesellschaften zu ersetzen, einen Widerspruch: Bestünden tatsächlich Einwirkungsdefizite, dürfte gerade deshalb die Aktiengesellschaft selbst nicht der vollziehenden Gewalt (Art. 1 Abs. 3 GG) zugeordnet werden. Zudem ist die vollziehende Gewalt als ausgeübte Staatsgewalt an die Legitimation durch das Volk gekoppelt (Art. 20 Abs. 2 GG), was bei unzureichenden Einwirkungsmöglichkeiten der staatlichen Träger nicht genügend gewährleistet wäre.
Die Senatsmehrheit erweitert den Schutzbereich der
Bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung zu Art. 8 GG erkennt der Senat zwar die besondere Sensibilität des von ihm eröffneten Versammlungsraums. Die von ihm hieraus gezogenen Schlüsse gehen jedoch nicht weit genug. Eine bloß geringfügige Beeinträchtigung kann in den Abfertigungshallen eines Großflughafens schnell in eine erhebliche, weitgreifende Betriebsstörung umschlagen, die dann zumal beim Erforderlichwerden der Schließung bestimmter Bereiche wegen der dichten Vernetzung des Luftverkehrs auf viele andere Flughäfen und deren Passagiere überwirken kann. Flugreisende, die von ihrer Freizügigkeit und allgemeinen Handlungsfreiheit Gebrauch machen wollen, können durch Störungen der Funktionsabläufe und etwaige Schließungen nach Zahl und Intensität weit empfindlicher getroffen werden, als das bei Versammlungen auf öffentlichen Straßen und Plätzen regelmäßig der Fall ist. Gerade wegen dieser Besonderheiten bedarf der Großflughafen besonderen Schutzes. Der Senat hätte Anlass gehabt, konkretere Hinweise zu ortsspezifischen Einschränkungsmöglichkeiten bei der Durchführung von Versammlungen (etwa zahlenmäßige Begrenzungen auf Kleingruppen und den Ausschluss von Umzügen in den Flughafengebäuden) zu geben. Auch wäre die Befugnis des Gesetzgebers zu verdeutlichen gewesen, für solche fragilen „Foren“ im Versammlungsrecht restriktivere Regeln einführen zu können.
© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 22.02.2011
Quelle: Bundesverfassungsgericht/ra-online
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