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Bei Prozessen von öffentlichem Interesse sind Fernsehkameras im Gerichtssaal vor und nach der Verhandlung grundsätzlich zulässig. Dies hat das Bundesverfassungsgericht entschieden. Allerdings darf der Vorsitzende Richter nach seinem Ermessen durch sitzungspolizeiliche Anordnungen Beschränkungen vorsehen. Dabei hat er den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten.
Im März 2007 begann vor dem Landgericht Münster die Verhandlung gegen 18 Bundeswehrausbilder, die Rekruten in einer Kaserne im westfälischen Coesfeld misshandelt haben sollen. Im Vorfeld der Verhandlung ordnete der Vorsitzende der Strafkammer den Ausschluss von Foto- und Fernsehteams aus dem
Die öffentliche Kontrolle von Gerichtsverhandlungen werde durch die Anwesenheit der Medien und deren
Durch sitzungspolizeiliche Anordnung des Vorsitzenden können nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts aber Beschränkungen vorgesehen werden. Die Gestaltung der Anordnungen liege im Ermessen des Vorsitzenden. Dieses Ermessen habe er unter Beachtung der Bedeutung der Rundfunkberichterstattung für die Gewährleistung öffentlicher Wahrnehmung und Kontrolle von Gerichtsverhandlungen sowie der einer
Bei der Gewichtung des Informationsinteresses der Öffentlichkeit sei nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts der jeweilige Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens bedeutsam. Bei Strafverfahren sei insbesondere die Schwere der zur Anklage stehenden Straftat zu berücksichtigen, aber auch die öffentliche Aufmerksamkeit für den Prozess, etwa wegen seines Aufsehen erregenden Gegenstands. Das Informationsinteresse der Öffentlichkeit sei regelmäßig auch auf die Personen gerichtet, die als Mitglieder des Spruchkörpers oder als Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft an der Rechtsfindung im Namen des Volkes mitwirken.
Aus Sicht des Bundesverfassungsgerichts seien aber auch schutzwürdige Interessen, die einer Aufnahme und Verbreitung von Ton- und Bildaufnahmen entgegenstehen können zu berücksichtigen. Zu den Schutzinteressen gehöre das Persönlichkeitsrecht der Beteiligten, insbesondere das Recht am eigenen Bild. Hier sei zu berücksichtigen, dass zumindest ein Teil der Verfahrensbeteiligten sich regelmäßig in einer für sie ungewohnten und belastenden Situation befindet und sie zur Anwesenheit verpflichtet sind. Speziell auf Seiten der Angeklagten seien auch mögliche Prangerwirkungen oder Beeinträchtigungen des Anspruchs auf Achtung der Vermutung seiner Unschuld und von Belangen späterer Resozialisierung zu beachten, die durch eine identifizierende Medienberichterstattung bewirkt werden können. Hinsichtlich der Zeugen sei deren besondere Belastungssituation zu berücksichtigen, etwa wenn sie Opfer der Tat sind. Aber auch den als Richtern, Staatsanwälten, Rechtsanwälten oder Justizbediensteten am Verfahren Mitwirkenden stehe ein Anspruch auf Schutz zu, der das Veröffentlichungsinteresse überwiegen kann, etwa wenn Veröffentlichungen von Abbildungen eine erhebliche Belästigung oder Gefährdung ihrer Sicherheit durch Übergriffe Dritter bewirken können. Zu den zu berücksichtigenden Schutzinteressen gehören darüber hinaus der Anspruch der Beteiligten auf ein faires Verfahren sowie die Funktionstüchtigkeit der Rechtspflege, insbesondere die ungestörte Wahrheits- und Rechtsfindung.
Das Bundesverfassungsgericht führte weiter aus, dass die Ermessensentscheidung des Vorsitzenden den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu wahren habe. Ein Verbot von Ton- und Rundfunkaufnahmen sei nicht erforderlich, wenn dem Schutz kollidierender Belange bereits durch eine beschränkende Anordnung Rechnung getragen werden könne, insbesondere durch das Erfordernis einer Anonymisierung der Bildaufnahme solcher Personen, die Anspruch auf besonderen Schutz haben, sowie durch Anweisungen zu Standort, Zeit, Dauer und Art der Aufnahmen. Beeinträchtigungen des äußeren Ablaufs der Sitzung, die etwa durch die Enge des Saals bedingt sind, können dadurch entgegengewirkt werden, das nicht mehrere Kamerateams zugelassen werden, sondern eine so genannte Pool-Lösung gewählt wird.
Die angegriffene Anordnung des Vorsitzenden werde diesen Anforderungen nicht gerecht, so das Bundesverfassungsgericht. Es sei nicht hinreichend berücksichtigt worden, dass das Verfahren den öffentlich viel diskutierten Vorwurf der Misshandlung von Rekruten der Bundeswehr durch die für ihre Ausbildung verantwortlichen Offiziere und Unteroffiziere betraf und sich deutlich aus dem Bereich des Alltäglichen heraushob, so dass die Aufklärung der Vorgänge auf großes öffentliches Interesse stieß. Eine die Entscheidungsfindung erschwerende Verunsicherung der Angeklagten als Folge von Bildaufzeichnungen des Geschehens im
Zur Berücksichtigung der Rundfunkfreiheit des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG beim Erlass sitzungspolizeilicher Anordnungen über Ton- und Bildaufnahmen unmittelbar vor und nach einer mündlichen Verhandlung sowie in Sitzungspausen.
© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 29.01.2008
Quelle: Bundesverfassungsgericht, ra-online (pm/rb)
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