kostenlose-urteile.de ist ein Service der ra-online GmbH
Dies ist die mobile Version von kostenlose-urteile.de - speziell optimiert für Smartphones.
Klicken Sie hier, wenn Sie lieber die klassische Version für Desktop-PCs und Tablets nutzen wollen.
Eine versicherungsvertragliche Obliegenheit zur Schweigepflichtentbindung muss hinreichend eng ausgelegt werden, um dem Versicherten die Möglichkeit zur informationellen Selbstbestimmung zu bieten. Soweit keine gesetzlichen Regelungen über die informationelle Selbstbestimmung greifen, kann es zur Gewährleistung eines schonenden Ausgleichs der verschiedenen Grundrechtspositionen geboten sein, zum Beispiel durch eine verfahrensrechtliche Lösung im Dialog zwischen Versichertem und Versicherer die zur Abwicklung des Versicherungsfalls erforderlichen Daten zu ermitteln. Die Anforderungen an diesen Dialog festzulegen und ihn auszugestalten, zählt zu den Aufgaben der Zivilgerichte. Dies entschied das Bundesverfassungsgericht.
In dem zugrunde liegenden Fall schloss die Beschwerdeführerin mit der Beklagten des Ausgangsverfahrens, einem Versicherungsunternehmen, einen Vertrag über eine
Die Klage der Beschwerdeführerin auf Zahlung der monatlichen Rente wiesen die Zivilgerichte ab. Der Beschwerdeführerin sei zumutbar gewesen, die Einzelermächtigungen vor der Unterzeichnung selbst weiter einzuschränken oder die in den Einzelermächtigungen genannten Unterlagen selbst zu beschaffen und der Beklagten vorzulegen.
Die gerichtlichen Entscheidungen verletzen die Beschwerdeführerin in ihrem durch Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG gewährleisteten allgemeinen Persönlichkeitsrecht in seiner Ausprägung als Recht der informationellen Selbstbestimmung.
Aus dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung folgt eine Schutzpflicht des Staates. Kann in einem Vertragsverhältnis ein Partner den Vertragsinhalt faktisch einseitig bestimmen, ist es Aufgabe des Rechts, auf die Wahrung der Grundrechtspositionen der beteiligten Parteien hinzuwirken. Zwar hat der Gesetzgeber inzwischen in § 213 VVG eine Regelung zum Schutz der informationellen Selbstbestimmung der Versicherungsnehmer getroffen; diese Vorschrift findet jedoch auf den zu entscheidenden Altfall noch keine Anwendung. Daher oblag es in diesem Fall den Gerichten selbst, das Recht auf informationelle Selbstbestimmung durch einen angemessenen Ausgleich mit dem Offenbarungsinteresse des Versicherungsunternehmens zu gewährleisten. Dazu sind die gegenläufigen Belange im Rahmen einer umfassenden Abwägung gegenüberzustellen. Das Versicherungsunternehmen muss einerseits den Eintritt des Versicherungsfalls prüfen können, anderseits muss aber die Übermittlung von persönlichen Daten auf das hierfür Erforderliche begrenzt bleiben. Allerdings ist es dem Versicherer oft nicht möglich, im Voraus alle Informationen zu beschreiben, auf die es für die Überprüfung des Leistungsfalls ankommen kann. Soweit keine gesetzlichen Regelungen zur informationellen Selbstbestimmung greifen, kann es zur Gewährleistung eines schonenden Ausgleichs der verschiedenen Grundrechtspositionen geboten sein, zum Beispiel durch eine verfahrensrechtliche Lösung im Dialog zwischen Versichertem und Versicherer die zur Abwicklung des Versicherungsfalls erforderlichen Daten zu ermitteln. Die Anforderungen an diesen Dialog festzulegen und ihn auszugestalten, zählt zu den Aufgaben der Zivilgerichte. Versicherte einer
Diesen verfassungsrechtlichen Anforderungen an einen hinreichenden Ausgleich zwischen den betroffenen Grundrechtspositionen werden die angegriffenen Entscheidungen nicht gerecht. Sie tragen den Belangen der Beschwerdeführerin nicht hinreichend Rechnung.
Durch die vorformulierten Einzelermächtigungen würde der Beklagten ermöglicht, auch über das für die Abwicklung des Versicherungsfalls erforderliche Maß hinaus in weitem Umfang Informationen über die Beschwerdeführerin einzuholen. Die benannten Gegenstände der „umfassenden“ Auskünfte - etwa „Gesundheitsverhältnisse, Arbeitsunfähigkeitszeiten und Behandlungsdaten“ - sind so allgemein gehalten, dass sie kaum zu einer Begrenzung des Auskunftsumfangs führen. Erfasst werden nahezu alle bei den benannten Auskunftsstellen über die Beschwerdeführerin vorliegenden Informationen, darunter auch viele für die Abwicklung des Versicherungsfalls bedeutungslose Informationen.
Der Beschwerdeführerin ist, entgegen den angegriffenen Entscheidungen, nicht zuzumuten die vorformulierten Einzelermächtigungen selbst zu modifizieren oder die erforderlichen Unterlagen eigenständig vorzulegen. Denn damit würde der Beschwerdeführerin auferlegt, die Interessen des Versicherungsunternehmens zu erforschen, und für den Fall, dass die vorgelegten Unterlagen oder die modifizierten Ermächtigungen für unzureichend erachtet würden, mit dem Risiko eines Leistungsverlusts belastet. Dieser Weg ist nicht geeignet, ihr Recht auf informationelle Selbstbestimmung im Dialog mit dem Versicherungsunternehmen zu gewährleisten.
Die angegriffenen Entscheidungen lassen beim Ausgleich der Grundrechtspositionen unberücksichtigt, dass es das beklagte Versicherungsunternehmen nicht unverhältnismäßig belasten muss, wenn von ihm eine weitere Einschränkung der geforderten Einzelermächtigungen verlangt wird. Zwar kann der Umfang der Einzelermächtigungen dabei nicht vornherein schon auf die für die Prüfung des Leistungsanspruchs relevanten Informationen begrenzt werden. Wird die
© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 13.08.2013
Quelle: Bundesverfassungsgericht/ra-online
Urteile sind im Original meist sehr umfangreich und kompliziert formuliert. Damit sie auch für Nichtjuristen verständlich werden, fasst kostenlose-urteile.de alle Entscheidungen auf die wesentlichen Kernaussagen zusammen. Wenn Sie den vollständigen Urteilstext benötigen, können Sie diesen beim jeweiligen Gericht anfordern.
Wenn Sie einen Link auf diese Entscheidung setzen möchten, empfehlen wir Ihnen folgende Adresse zu verwenden: https://urteile.news/BVerfG_1-BvR-316708_Bundesverfassungsgericht-zum-Datenschutz-im-privaten-Versicherungsrecht~N16489
Bitte beachten Sie, dass im Gegensatz zum Verlinken für das Kopieren einzelner Inhalte eine explizite Genehmigung der ra-online GmbH erforderlich ist.
Dokument-Nr. 16489
kostenlose-urteile.de ist ein Service der ra-online GmbH
Die Redaktion von kostenlose-urteile.de gibt sich größte Mühe bei der Zusammenstellung interessanter Urteile und Meldungen. Dennoch kann keine Gewähr für Richtigkeit und Vollständigkeit der über uns verbreiteten Inhalte gegeben werden. Insbesondere kann kostenlose-urteile nicht die fachkundige Rechtsberatung in einem konkreten Fall ersetzen.
Bei technischen Problemen kontaktieren Sie uns bitte über dieses Formular.