kostenlose-urteile.de ist ein Service der ra-online GmbH
Dies ist die mobile Version von kostenlose-urteile.de - speziell optimiert für Smartphones.
Klicken Sie hier, wenn Sie lieber die klassische Version für Desktop-PCs und Tablets nutzen wollen.
Das Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz verlangt, dass die Übermittlung von Aktenbestandteilen während eines zivilgerichtlichen Verfahrens an eine nicht an diesem Verfahren beteiligte Behörde gerichtlich überprüfbar ist. Dies entschied das Bundesverfassungsgericht. Die Fachgerichte haben die vom Gesetzgeber bereitgestellten Rechtschutzmöglichkeiten so auszulegen und anzuwenden, dass dem Ziel genügt wird, wirkungsvollen Rechtsschutz zu gewährleisten. Eine Auslegung, die zu Lücken in dem vom Gesetzgeber als umfassend konzipierten Rechtsschutz führt, wird den Anforderungen des Art. 19 Abs. 4 GG nicht gerecht.
Der Beschwerdeführer des zugrunde liegenden Verfahrens war als Beamter mit der Bearbeitung von Asylanträgen betraut. Über eine Kontaktanzeige lernte er eine Frau kennen, die erfolglos Asyl beantragt hatte. Zwischen dem Beschwerdeführer und dieser Frau kam es zu mehreren Treffen, bei denen eine gemeinsame Tochter gezeugt wurde. Da der Beschwerdeführer die Vaterschaft nicht anerkannte, strengte die Kindesmutter ein familiengerichtliches Verfahren zur Feststellung der Vaterschaft an, das vor dem Amtsgericht und dem Oberlandesgericht geführt wurde.
Die Dienstbehörde des Beschwerdeführers bat das Amtsgericht um Mitteilung, ob Presseberichte über einen Beschluss des Oberlandesgerichts zuträfen, dass der Beschwerdeführer sich „durch wahrheitswidrige Behauptungen Vorteile verschaffen“ habe wollen. Das Ersuchen erfolge im Hinblick auf die Prüfung dienstrechtlicher Maßnahmen. Der am Amtsgericht mit dem familiengerichtlichen Verfahren befasste Richter verfügte daraufhin ohne weitere Begründung, der Dienstbehörde „unter Bezugnahme auf die Anfrage“ Kopien des Beschlusses des Oberlandesgerichts mit geschwärztem Namen der Mutter zu übersenden.
Der Beschwerdeführer beantragte beim Oberlandesgericht daraufhin die Feststellung, dass die Weitergabe von Aktenbestandteilen aus seinem nicht öffentlich verhandelten familienrechtlichen Verfahren an die nicht verfahrensbeteiligte Dienstbehörde rechtswidrig gewesen sei. Das Oberlandesgericht wies den Antrag als unzulässig zurück; das Verfahren nach §§ 23 ff. des Einführungsgesetzes zum Gerichtsverfassungsgesetz (EGGVG) sei vorliegend nicht eröffnet. Gegen diesen Beschluss richtet sich die Verfassungsbeschwerde.
Das Bundesverfassungsgericht entschied, dass die angegriffene Entscheidung des Oberlandesgerichts den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht auf effektiven
Art. 19 Abs. 4 GG enthält ein Grundrecht auf effektiven und möglichst lückenlosen gerichtlichen Schutz gegen Akte der öffentlichen Gewalt. Nicht zur öffentlichen Gewalt im Sinne dieser Bestimmung gehören allerdings Akte der Rechtsprechung. Der Begriff der rechtsprechenden Gewalt wird maßgeblich von der konkreten sachlichen Tätigkeit her bestimmt; typischerweise handelt es sich hierbei um die letztverbindliche Klärung der Rechtslage in einem Streitfall im Rahmen besonders geregelter Verfahren.
Zwar ist die Entscheidung des Rechtsstreits zwischen dem Beschwerdeführer und der Mutter seiner Tochter um die Anerkennung der Vaterschaft Rechtsprechung in diesem Sinne. Da die Übersendung des oberlandesgerichtlichen Beschlusses an die nicht verfahrensbeteiligte Dienstbehörde auf deren Ersuchen der Erfüllung ihrer eigenen behördlichen Aufgaben, nicht aber der Entscheidung des Rechtsstreits zwischen dem Beschwerdeführer und der Kindesmutter diente, kann die Übersendung nicht allein deshalb, weil sie aus einem laufenden Rechtsstreit heraus erfolgte, als spruchrichterliche Tätigkeit qualifiziert werden. Ebenso wenig geht es bei einer solchen Mitteilung um Streitbeilegung oder die letztverbindliche Klärung der Rechtslage in dem zugrundeliegenden Rechtsstreit und damit um Rechtsprechung. Die im vorliegenden Fall erfolgte Erteilung von Auskünften an eine
Die Auslegung und Anwendung des maßgeblichen Verfahrensrechts durch das Oberlandesgericht verwehren dem Beschwerdeführer wirkungsvollen
Dem wird die Entscheidung des Oberlandesgerichts nicht gerecht. Der Gesetzgeber stellt hier Rechtsschutzmöglichkeiten bereit, deren Auslegung und Anwendung durch das Oberlandesgericht dem Ziel der Gewährleistung eines wirkungsvollen Rechtsschutzes nicht genügen.
Die Übermittlung von personenbezogenen Daten aus den Akten zivilgerichtlicher Verfahren an private Dritte und an andere Gerichte oder an Behörden und der hiergegen eröffnete
Der Hinweis des Oberlandesgerichts, der Beschwerdeführer könne in einem gerichtlichen Verfahren gegen eine möglicherweise ergehende Disziplinarverfügung ein etwaiges verfassungsrechtliches Verwertungsverbot geltend machen, ist hier nicht tragfähig. Die Dienstbehörde erhält schon durch die Übermittlung Kenntnis von höchstpersönlichen Daten, bevor der Beschwerdeführer
Das Verfahren wird zur erneuten Entscheidung an das Oberlandesgericht zurückverwiesen. Hierbei wird zu berücksichtigen sein, dass die Übermittlung, die einen Eingriff in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG des Beschwerdeführers begründet, nicht allein auf Art. 35 Abs. 1 GG gestützt werden kann, sondern einfachgesetzlich geregelt sein muss. Ebenso wird das Oberlandesgericht die verfassungsrechtlichen Bewertungsmaßstäbe in den Blick zu nehmen haben, die bei der Weitergabe von höchstpersönlichen Akteninhalten an die Dienstbehörde zu beachten sind.
© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 15.01.2015
Quelle: Bundesverfassungsgericht/ra-online
Urteile sind im Original meist sehr umfangreich und kompliziert formuliert. Damit sie auch für Nichtjuristen verständlich werden, fasst kostenlose-urteile.de alle Entscheidungen auf die wesentlichen Kernaussagen zusammen. Wenn Sie den vollständigen Urteilstext benötigen, können Sie diesen beim jeweiligen Gericht anfordern.
Wenn Sie einen Link auf diese Entscheidung setzen möchten, empfehlen wir Ihnen folgende Adresse zu verwenden: https://urteile.news/BVerfG_1-BvR-310609_Uebermittlung-von-Daten-aus-Gerichtsakten-an-eine-nicht-verfahrensbeteiligte-Behoerde-muss-gerichtlich-ueberpruefbar-sein~N20470
Bitte beachten Sie, dass im Gegensatz zum Verlinken für das Kopieren einzelner Inhalte eine explizite Genehmigung der ra-online GmbH erforderlich ist.
Dokument-Nr. 20470
kostenlose-urteile.de ist ein Service der ra-online GmbH
Die Redaktion von kostenlose-urteile.de gibt sich größte Mühe bei der Zusammenstellung interessanter Urteile und Meldungen. Dennoch kann keine Gewähr für Richtigkeit und Vollständigkeit der über uns verbreiteten Inhalte gegeben werden. Insbesondere kann kostenlose-urteile nicht die fachkundige Rechtsberatung in einem konkreten Fall ersetzen.
Bei technischen Problemen kontaktieren Sie uns bitte über dieses Formular.