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Das Gesetz zur massenhaften Speicherung von Telefon- und Internetverbindungen wurde vom Bundesverfassungsgericht teilweise außer Kraft gesetzt. Der Staat darf auf Vorrat gespeicherte Telefonverbindungsdaten vorerst nur zur Verfolgung schwerer Straftaten nutzen, entschieden die Karlsruher Richter.
Das Gesetz zur Neuregelung der Telekommunikationsüberwachung vom 21. Dezember 2007 dient unter anderem dazu, die Richtlinie der Europäischen Union über die
Gegenstand der von acht Bürgern erhobenen
Der Antrag der Beschwerdeführer, §§ 113a, 113b TKG im Wege der einstweiligen Anordnung bis zur Entscheidung über die
Das Bundesverfassungsgericht darf von seiner Befugnis, das Inkrafttreten oder den Vollzug eines Gesetzes auszusetzen, nur mit größter Zurückhaltung Gebrauch machen, da der Erlass einer solchen einstweiligen Anordnung stets ein erheblicher Eingriff in die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers ist. Der Prüfungsmaßstab ist noch weiter verschärft, wenn eine einstweilige Anordnung begehrt wird, durch die der Vollzug einer Rechtsnorm ausgesetzt wird, soweit sie zwingende Vorgaben des Gemeinschaftsrechts in das deutsche Recht umsetzt. Eine solche einstweilige Anordnung droht über die Entscheidungskompetenz des Bundesverfassungsgerichts in der Hauptsache hinauszugehen und kann zudem das Gemeinschaftsinteresse an einem effektiven Vollzug des Gemeinschaftsrechts stören.
Ob und unter welchen Voraussetzungen das Bundesverfassungsgericht den Vollzug eines Gesetzes aussetzen kann, soweit es zwingende gemeinschaftsrechtliche Vorgaben umsetzt, bedarf hier keiner abschließenden Entscheidung. Eine derartige einstweilige Anordnung setzt aber zumindest voraus, dass aus der Vollziehung des Gesetzes den Betroffenen ein besonders schwerwiegender und irreparabler Schaden droht, dessen Gewicht das Risiko hinnehmbar erscheinen lässt, im Eilverfahren über die Entscheidungskompetenz des Bundesverfassungsgerichts in der Hauptsache hinauszugehen und das Gemeinschaftsinteresse an einem effektiven Vollzug des Gemeinschaftsrechts schwerwiegend zu beeinträchtigen. Nach diesen Maßstäben ist dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nur teilweise stattzugeben.
I. Eine Aussetzung des Vollzugs von § 113 a TKG (Speicherungspflicht) scheidet aus. Ein besonders schwerwiegender und irreparabler Nachteil, der es rechtfertigen könnte, den Vollzug der Norm ausnahmsweise im Wege einer einstweiligen Anordnung auszusetzen, liegt in der Datenspeicherung allein nicht. Zwar kann die umfassende und anlasslose Bevorratung sensibler Daten über praktisch jedermann für staatliche Zwecke, die sich zum Zeitpunkt der Speicherung der Daten nicht im Einzelnen absehen lassen, einen erheblichen Einschüchterungseffekt bewirken. Der in der
II. Hingegen ist die in § 113 b Satz 1 Nr. 1 TKG ermöglichte Nutzung der bevorrateten Daten zu Zwecken der Strafverfolgung bis zur Entscheidung über die
1. Erginge keine einstweilige Anordnung, erwiese sich die
2. Erginge eine auf den Abruf der bevorrateten Daten bezogene einstweilige Anordnung, erwiesen sich die angegriffenen Normen jedoch später als verfassungsgemäß, so könnten sich Nachteile für das öffentliche Interesse an einer effektiven Strafverfolgung ergeben. Diese Nachteile wiegen allerdings teilweise weniger schwer und sind hinzunehmen, wenn nicht das Abrufersuchen ausgeschlossen, sondern lediglich die Übermittlung und Nutzung der auf das Ersuchen hin von dem zur Speicherung Verpflichteten erhobenen Daten ausgesetzt werden. Sollten die mit der
Die Übermittlung und Nutzung der von einem Diensteanbieter auf ein Abrufersuchen hin erhobenen Daten sind allerdings in den Fällen nicht zu beschränken, in denen Gegenstand des Ermittlungsverfahrens eine schwere Straftat im Sinne des § 100 a Abs. 2 StPO ist, die auch im Einzelfall schwer wiegt, der Verdacht durch bestimmte Tatsachen begründet ist und die Erforschung des Sachverhalts auf andere Weise wesentlich erschwert oder aussichtslos wäre (§ 100 a Abs. 1 StPO). Im verfassungsgerichtlichen Eilverfahren ist von der Einschätzung des Gesetzgebers auszugehen, nach der die in § 100 a Abs. 2 StPO genannten Straftaten so schwer wiegen, dass sie auch gewichtige Eingriffe in das Grundrecht aus Art. 10 Abs. 1 GG rechtfertigen können. In diesen Fällen hat das öffentliche Strafverfolgungsinteresse daher grundsätzlich ein derartiges Gewicht, dass eine Verzögerung durch eine einstweilige Anordnung nicht hingenommen werden kann. Dabei ist im Verfahren über den Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht zu klären, ob der deutsche Gesetzgeber durch die Richtlinie 2006/24/EG verpflichtet war, sämtliche der in § 100 a Abs. 2 StPO aufgeführten Straftaten in die Abrufermächtigung des § 100 g StPO einzubeziehen.
Liegen diese Voraussetzungen hingegen nicht vor, ist die Übermittlung und Nutzung der bevorrateten Verkehrsdaten einstweilen auszusetzen. Insbesondere in den Fällen, in denen die Abrufermächtigung der Strafprozessordnung (§ 100 g StPO) Verkehrsdatenabrufe bei Verdacht auf sonstige "Straftaten von im Einzelfall erheblicher Bedeutung" oder auf Straftaten mittels Telekommunikation ermöglicht, ist das Risiko hinzunehmen, dass eine Verzögerung der Datennutzung das Ermittlungsverfahren insgesamt vereitelt. Die Nichtaufnahme in den Katalog des § 100 a Abs. 2 StPO indiziert, dass der Gesetzesgeber den verbleibenden Straftaten im Hinblick auf Eingriffe in das Grundrecht aus Art. 10 Abs. 1 GG geringere Bedeutung beigemessen hat. Dementsprechend geringer zu gewichten sind die Nachteile durch eine Aussetzung der Datennutzung, die im Rahmen der Folgenabwägung der Beeinträchtigung der Grundrechte der Betroffenen gegenüber zu stellen sind.
III. Für eine einstweilige Anordnung über die Datennutzung zu präventiven Zwecken (§ 113 b Satz 1 Nr. 2 und 3 TKG) besteht kein Anlass, da bislang keine fachrechtlichen Abrufermächtigungen bestehen, die ausdrücklich auf § 113 a TKG Bezug nehmen.
© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 19.03.2008
Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 37/08 des BVerfG vom 19.03.2008
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Dokument-Nr. 5783
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