Werden Sie jetzt Fan von kostenlose-urteile.de bei facebook!
kostenlose-urteile.de ist ein Service der ra-online GmbH
Dies ist die mobile Version von kostenlose-urteile.de - speziell optimiert für Smartphones.
Klicken Sie hier, wenn Sie lieber die klassische Version für Desktop-PCs und Tablets nutzen wollen.
Das Bundesverfassungsgericht hat die Verfassungsbeschwerde eines Universitätsprofessors nicht zur Entscheidung angenommen. Dieser wendet sich gegen Gerichtsentscheidungen, mit denen die Durchsuchung der Räumlichkeiten seines Lehrstuhls und die Beschlagnahme von Forschungsunterlagen angeordnet bzw. bestätigt wurde. Er sieht sich in seiner Forschungsfreiheit verletzt.
Der Beschwerdeführer ist Inhaber eines Lehrstuhls an einem Institut für Psychologie. Im Rahmen eines Forschungsprojekts zur „Islamistischen Radikalisierung im Justizvollzug“ wurden im Justizvollzug Inhaftierte interviewt. In dem Informationsschreiben an die Interviewpartner heißt es unter anderem: „(…) Wir haben Schweigepflicht und dürfen der Gefängnisleitung oder anderen Bediensteten nichts von dem erzählen, was sie uns sagen. Nur wenn Sie uns von einer geplanten Straftat erzählen, müssen wir das melden.“ Zu den mit den Inhaftierten durchgeführten Interviews existierten – jeweils (noch) nicht anonymisiert beziehungsweise re-anonymisierbar – ein schriftliches Protokoll und ein elektronisch gesicherter Audiofile. Die zuständige Ermittlungsrichterin am Oberlandesgericht ordnete eine Durchsuchung der Räumlichkeiten des Lehrstuhls des Beschwerdeführers an, unter anderem nach Tonbandaufnahmen, schriftlichen Unterlagen und sonstigen Gegenständen, insbesondere einem Gesprächsprotokoll, mit Bezug zu dem Interviewten und dem zu diesem Zeitpunkt noch nicht abgeschlossenen Forschungsprojekt. Zudem wurde die Beschlagnahme der Gegenstände angeordnet. Begründet wurde der Beschluss damit, dass gegen eine im Rahmen des Projekts interviewte Person der Verdacht der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung im Ausland bestünde. Hiergegen erhob der Beschwerdeführer erfolglos eine Beschwerde. Das Oberlandesgericht wies die Beschwerde als unbegründet zurück. Zur Begründung führte es aus, dass dem Beschwerdeführer kein Zeugnisverweigerungsrecht zustehe. Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG gebiete weder eine andere Auslegung noch folge hieraus ein strafprozessuales Durchsuchungs- und Beschlagnahmeverbot. Eine Ausweitung der strafprozessualen Zeugnisverweigerungsrechte sei Sache des Gesetzgebers und erfolge grundsätzlich nicht durch eine erweiternde Auslegung oder eine analoge Anwendung der einschlägigen Vorschriften. Selbst wenn dennoch eine Abwägung zwischen der Forschungsfreiheit einerseits und dem Strafverfolgungsauftrag andererseits geboten sein sollte, fiele die Abwägung zu Lasten der Forschungsfreiheit aus. Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung von Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG durch die angegriffenen gerichtlichen Entscheidungen. Das Oberlandesgericht gehe von falschen Wertungen aus, indem einerseits auf die „Schwere der Tat und die Stärke des Tatverdachts“ abgestellt werde, während andererseits die Forschungsfreiheit „lediglich unerheblich beeinträchtigt“ sei.
Die
In der Sache bestehen jedoch erhebliche Bedenken hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit der angegriffenen Entscheidungen. Das Beschwerdegericht hat Gewicht und Reichweite der Forschungsfreiheit (Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG) nicht angemessen berücksichtigt. Die Forschungsfreiheit umfasst auch die Erhebung und Vertraulichkeit von Daten im Rahmen wissenschaftlicher Forschungsprojekte als Bestandteil der Prozesse und Verhaltensweisen bei der Suche nach Erkenntnissen. Gerade empirische
Vielmehr kommt der Wissenschaftsfreiheit bei der Abwägung ein umso höheres Gewicht zu, je stärker das konkrete Forschungsvorhaben und die entsprechenden Forschungsbereiche auf die Vertraulichkeit bei Datenerhebungen und -verarbeitungen angewiesen sind. Auch hätte gerade der Zusammenhang zwischen der konkret betroffenen
© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 27.10.2023
Quelle: Bundesverfassungsgericht, ra-online (pm/ab)
Urteile sind im Original meist sehr umfangreich und kompliziert formuliert. Damit sie auch für Nichtjuristen verständlich werden, fasst kostenlose-urteile.de alle Entscheidungen auf die wesentlichen Kernaussagen zusammen. Wenn Sie den vollständigen Urteilstext benötigen, können Sie diesen beim jeweiligen Gericht anfordern.
Wenn Sie einen Link auf diese Entscheidung setzen möchten, empfehlen wir Ihnen folgende Adresse zu verwenden: https://www.kostenlose-urteile.de/BVerfG_1-BvR-221920_Verfassungsbeschwerde-gegen-die-Durchsuchung-eines-Universitaetslehrstuhls-zur-Auffindung-von-Forschungsunterlagen-mangels-Fristwahrung-erfolglos.news33391.htm
Bitte beachten Sie, dass im Gegensatz zum Verlinken für das Kopieren einzelner Inhalte eine explizite Genehmigung der ra-online GmbH erforderlich ist.
Dokument-Nr. 33391
kostenlose-urteile.de ist ein Service der ra-online GmbH
Die Redaktion von kostenlose-urteile.de gibt sich größte Mühe bei der Zusammenstellung interessanter Urteile und Meldungen. Dennoch kann keine Gewähr für Richtigkeit und Vollständigkeit der über uns verbreiteten Inhalte gegeben werden. Insbesondere kann kostenlose-urteile nicht die fachkundige Rechtsberatung in einem konkreten Fall ersetzen.
Bei technischen Problemen kontaktieren Sie uns bitte über dieses Formular.