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Der Erste Senat des BVerfG hat in einem Verfassungsbeschwerde-Verfahren entschieden, daß das Verbot einer Sozietät zwischen Anwaltsnotar und Wirtschaftsprüfer wegen Verstoßes gegen die Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) und gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) verfassungswidrig ist. Der Senat hat deshalb ein vom Bundesgerichtshof (BGH) ausgesprochenes Sozietätsverbot aufgehoben und das Verfahren zur erneuten Entscheidung zurückverwiesen.
Das Verfassungsbeschwerde-Verfahren betraf die Frage, ob ein Anwaltsnotar eine
Weder das Berufsrecht der
Sieben in Berlin zugelassene Anwaltsnotare zeigten im Juli 1994 dem Landgerichtspräsidenten an, daß ihrer
Hiergegen erhoben die sieben Anwaltsnotare (Beschwerdeführer) Verfassungsbeschwerde und rügten u.a. eine Verletzung der Berufsfreiheit und des allgemeinen Gleichheitssatzes.
Die Verfassungsbeschwerde ist begründet. Das Sozietätsverbot verstößt gegen Art. 12 Abs. 1 GG (1) und gegen Art. 3 Abs. 1 GG (2).
Im Hinblick auf das Grundrecht der Berufsfreiheit fehlt es an der gemäß Art. 12 Abs. 1 S. 2 GG erforderlichen gesetzlichen Grundlage für ein empfindlich in die Berufsausübungsfreiheit eingreifendes richterrechtliches Sozietätsverbot.
Allerdings hat das BVerfG in den Jahren 1980 und 1989 der Rechtsprechung noch zugestanden, Sozietätsverbote aus dem Gesamtzusammenhang des notariellen Berufsrechts und aus den hergebrachten Berufsbildern abzuleiten. Daran ist jedoch aus heutiger Sicht im Ergebnis nicht festzuhalten.
Seit den Entscheidungen zu den anwaltlichen Standesrichtlinien ist zunehmend die gesetzgeberische Verantwortung für empfindliche Einschränkungen der Berufsfreiheit, zu denen auch die Sozietätsverbote gehören, eingefordert worden. Da es dem Gesetzgeber obliegt, die Gefährdung von Rechtsgütern einzuschätzen, ihre Schutzwürdigkeit zu bewerten und die Mittel zu ihrem Schutz zu bestimmen, legt Art. 12 Abs. 1 S. 2 GG dem Richter besondere Zurückhaltung auf, wenn er vornehmlich aus bloßen gesetzgeberischen Zielsetzungen die Wahl der erforderlichen Mittel abzuleiten sucht. Hinzu kommt, daß sich das Berufsrecht der
Obwohl es dem Gesetzgeber im Rahmen des Art. 12 Abs. 1 GG weitgehend freisteht, durch welche Einschränkungen der Berufsausübung er erkennbaren Gefährdungen für die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der Notare begegnen will, müssen diese Berufsausübungsregelungen so ausgestaltet werden, daß der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG gewahrt wird. Dieser Maßstab ist bereits früher deutlich herausgestellt worden (vgl. BVerfGE 80, 269 (279)). Solange daher der Anwaltsnotar selbst Steuerberater sein darf und auch nicht gehindert ist, sich mit Nur-Steuerberatern zur gemeinsamen Berufsausübung zusammenzuschließen, hat das Verbot einer
Verbleibende Unterschiede, die sich allein aus den Vorbehaltsaufgaben der
Der vom Bundesgerichtshof besorgten unerwünschten Änderung im allgemeinen Rechtsbewußtsein hinsichtlich der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Notars kann mit einem Sozietätsverbot nicht begegnet werden. Der irreführende Eindruck einer umfassenden Beratung hängt nicht davon ab, ob der
Die beanstandete Entscheidung des Bundesgerichtshofs ist aufgehoben worden. Ohne eine gesetzliche Neuregelung ist ein Verbot der Sozietätsbildung von Anwaltsnotaren mit Wirtschaftsprüfern nicht aufrechtzuerhalten.
Vorgaben für den Gesetzgeber enthält die Entscheidung jedoch nicht. Welche Wege der Gesetzgeber einschlagen wird, ist ihm überlassen. Sofern er Sozietätsverbote für das geeignete Mittel zur Sicherung der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Notars ansieht, ist ihm deren Einführung grundsätzlich nicht verwehrt, wenn er die verschiedenen Berufsgruppen und Berufsqualifikationen gleichmäßig behandelt.
Das Verbot einer Sozietät zwischen Anwaltsnotaren und Wirtschaftsprüfern verstößt gegen Art. 3 Abs. 1 GG, solange der Anwaltsnotar selbst Steuerberater sein darf und auch nicht gehindert ist, sich mit Nur-Steuerberatern zur gemeinsamen Berufsausübung zusammenzuschließen.
© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 02.04.2005
Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 58/98 des BVerfG vom 29.05.1998
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Dokument-Nr. 5915
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