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Bei der Privatisierung eines öffentlichen Unternehmens müssen Arbeitnehmern beim Übergang ihres Arbeitsverhältnisses Widerspruchsrechte eingeräumt werden. Werden ihnen diese Rechte nicht eingeräumt, stellt dies eine Verletzung des grundrechtlich garantierten Rechts auf freie Wahl des Arbeitsplatzes dar. Dies entschied das Bundesverfassungsgericht.
Im Jahr 2005 kam das Land Hessen vor dem Hintergrund wirtschaftlicher Probleme der Universitätskliniken zu dem Entschluss, die Universitätskliniken Gießen und Marburg zusammenzufassen und sodann zu privatisieren. Das hierzu erlassene und am 1. Juli 2005 in Kraft getretene Gesetz über die Errichtung des Universitätsklinikums Gießen und Marburg (UKG) regelt, dass alle Rechte, Pflichten und Zuständigkeiten der bislang selbständigen Universitätskliniken im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf das „Universitätsklinikum Gießen und Marburg“ als neu errichtete Anstalt des öffentlichen Rechts übergehen. Gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 und 3 UKG wurden die Arbeitsverhältnisse der in der Krankenversorgung und Verwaltung der beiden Kliniken tätigen nichtwissenschaftlichen Beschäftigten, die bis dahin im Dienst des Landes Hessen standen, auf das Universitätsklinikum Gießen und Marburg übergeleitet. Eine der Vorschrift des § 613 a Abs. 6 BGB entsprechende Regelung, die bei einem rechtsgeschäftlichen Betriebsübergang den betroffenen Arbeitnehmern ein Widerspruchsrecht gegen den Übergang ihrer Arbeitsverhältnisse auf den neuen Betriebsinhaber einräumt, wurde nicht aufgenommen.
Das Gesetz enthält ferner die Ermächtigung, die neue Anstalt im Wege der Rechtsverordnung zu privatisieren. Die
Die Beschwerdeführerin war als Krankenschwester und damit als nicht wissenschaftlich tätige Arbeitnehmerin des Klinikums Marburg beim Land beschäftigt. Sie widersprach dem Übergang des Arbeitsverhältnisses auf das Universitätsklinikum Gießen und Marburg und später auf die GmbH. Ihre Klage gegen das Land Hessen auf Feststellung, dass ihr Arbeitsverhältnis mit dem Land fortbesteht, hatte zwar vor dem Arbeitsgericht, nicht aber vor dem Landesarbeitsgericht und dem Bundesarbeitsgericht Erfolg. Der Beschwerdeführerin stehe unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt ein Widerspruchsrecht zu. Sowohl die Überleitung der Arbeitsverhältnisse als auch die Nichteinräumung eines Widerspruchsrechts sei durch vernünftige Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt.
Mit ihrer Verfassungsbeschwerde rügt die Beschwerdeführerin im Wesentlichen eine Verletzung ihres Grundrechts auf freie Wahl bzw. Beibehaltung des Arbeitsplatzes. Zudem sei sie in ihrem Recht auf den gesetzlichen Richter verletzt, weil das Bundesarbeitsgericht vorab dem Gerichtshof der Europäischen Union die Frage hätte vorlegen müssen, ob sich aus dem Gemeinschaftsrecht (Richtlinie 2001/23/EG) ein Widerspruchsrecht der Arbeitnehmer ergebe.
Das Bundesverfassungsgerichts hat entschieden, dass die durch § 3 Abs. 1 Satz 1 und 3 UKG angeordnete und von den Fachgerichten bestätigte Überleitung des Arbeitsverhältnisses vom Land auf das Universitätsklinikum Gießen und Marburg mit dem durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützten
Der Entscheidung liegen im Wesentlichen die folgenden Erwägungen zugrunde: Der Landesgesetzgeber greift in die durch Art. 12 Abs. 1 GG garantierte freie Wahl des Arbeitsplatzes ein, indem aufgrund der Regelung in § 3 Abs. 1 Satz 1 und 3 UKG das Universitätsklinikum als rechtsfähige Anstalt zum Arbeitgeber der Beschwerdeführerin wird. Dadurch wird ihr ein neuer, von ihr nicht frei gewählter Arbeitgeber aufgedrängt. Zugleich wird den betroffenen Arbeitnehmern unmittelbar der von ihnen gewählte Arbeitgeber entzogen. Besonderes Gewicht erhält der Eingriff zudem dadurch, dass aufgrund der geplanten
Dieser durch § 3 Abs. 1 Satz 1 und 3 UKG bewirkte Eingriff in das
Denn die in § 3 Abs. 1 Satz 1 und 3 UKG ausgestaltete Überleitung der Arbeitsverhältnisse bewirkt eine Loslösung des Landes von eingegangenen arbeitsvertraglichen Bindungen, ohne dass bei einem entgegenstehenden Willen des Arbeitnehmers die Einhaltung kündigungsrechtlicher Vorschriften sichergestellt werden muss. Dadurch wird dem Arbeitnehmer ein erhebliches Maß an Bestandsschutz entzogen. Die Ausübung eines Widerspruchsrechts ließe das Arbeitsverhältnis mit dem bisherigen Arbeitgeber fortbestehen. Wenn in dessen Betrieb der Beschäftigungsbedarf wegfiele, käme zwar eine betriebsbedingte Kündigung in Betracht, die aber den Anforderungen des Kündigungsschutzgesetzes standhalten muss. Ob es dem Arbeitnehmer gelingt, seine Beschäftigung beim bisherigen Arbeitgeber auf Dauer beizubehalten, hängt von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls ab. Die Abwägung der damit verbundenen Risiken muss aber der privatautonomen Entscheidung des Arbeitnehmers vorbehalten bleiben. Die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Privatautonomie des Arbeitnehmers erlaubt Gesetzgeber und Gerichten nicht, kraft vermeintlich besserer Einsicht die Entscheidung, welcher von mehreren zur Auswahl stehenden Arbeitgebern mehr Vorteile bietet, an Stelle des Arbeitnehmers zu treffen.
Jedenfalls dann, wenn der Wechsel des Arbeitgebers unmittelbar kraft Gesetzes aus der Beschäftigung bei einem öffentlichen Arbeitgeber zu einem privaten Arbeitgeber führt oder wenn es sich - wie hier - um einen Zwischenschritt zu einer beabsichtigten
Dagegen ist die Beschwerdeführerin nicht in ihrem Recht auf den gesetzlichen Richter aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG verletzt. Aus verfassungsrechtlicher Sicht bestehen keine Bedenken dagegen, dass das Bundesarbeitsgericht von einem Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Union gemäß Art. 267 Abs. 3 AEUV abgesehen hat. Insbesondere konnte es vertretbar davon ausgehen, dass es für ein Widerspruchsrecht der Arbeitnehmer bei einem Betriebsübergang an einer europarechtlichen Grundlage fehlt. Weder die Betriebsübergangsrichtlinie 2001/23/EG selbst enthält eine Vorschrift zum Widerspruchsrecht noch hat der Gerichtshof aus der Richtlinie ein Widerspruchsrecht der Arbeitnehmer abgeleitet. Vielmehr hat er in den Urteilen, in denen er sich mit Fragen zum Widerspruchsrecht auseinandergesetzt hat, betont, dass die in der Richtlinie 2001/23/EG angeordnete Rechtsfolge des Betriebsübergangs, das heißt der Über- gang des Arbeitsverhältnisses auf den Betriebserwerber, zwingend ist. Den Grundrechten der Arbeitnehmer ist aus Sicht des Gerichtshofs nur geschuldet, dass sie sich gegen die durch den Betriebsübergang bewirkte Begründung einer arbeitsvertraglichen Beziehung mit dem Betriebserwerber entscheiden können. Er hat es aber ausdrücklich abgelehnt, den Zweck der Richtlinie auch darin zu sehen, dass die Arbeitnehmer, die ihre Tätigkeit nicht für den Betriebserwerber ausüben wollen, das Arbeitsverhältnis mit dem Veräußerer fortsetzen können.
© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 16.02.2011
Quelle: Bundesverfassungsgericht/ra-online
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Dokument-Nr. 11143
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