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Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 18.05.2009
1 BvR 1731/05 -

BverfG: Mehrheitlich von öffentlicher Hand beherrschtes Stromversorgungsunternehmen kann sich nicht auf materielle Grundrechte berufen

Verfassungsbeschwerden gegen kartellrechtliche Verfahren abgewiesen

Ein mehrheitlich von der öffentlichen Hand beherrschtes Stromversorgungsunternehmen in Privatrechtsform kann sich nicht auf die materiellen Grundrechte berufen. Dies entschied das Bundesverfassungsgericht.

Die Beschwerdeführerin zu 1) betreibt das in ihrem Eigentum stehende Stromversorgungsnetz auf dem Gebiet der Stadt Frankfurt am Main, der Beschwerdeführerin zu 2). In einem kartellrechtlichen Verfahren wurde der Beschwerdeführerin zu 1) aufgegeben, mehreren Arealnetzbetreibern in bestimmtem Umfang den Zugang zu ihrem Mittelspannungsnetz zu gewähren. Die von der Beschwerdeführerin zu 1) eingelegten Rechtsmittel gegen diese Entscheidung blieben ohne Erfolg. Mit ihrer Verfassungsbeschwerde begehrt die Beschwerdeführerin zu 1) die Aufhebung dieser Entscheidung. Während des laufenden Beschwerdeverfahrens vor dem Oberlandesgericht beantragte die Beschwerdeführerin zu 2) beim Bundeskartellamt ihre Beiladung zu dem kartellrechtlichen Verwaltungsverfahren gegen die Beschwerdeführerin zu 1). Das Bundeskartellamt lehnte die Beiladung ab. Hiergegen legte die Beschwerdeführerin zu 2) Beschwerde zum Oberlandesgericht Düsseldorf ein. Das Oberlandesgericht Düsseldorf hat bis zur Entscheidung über die eingelegten Verfassungsbeschwerden beider Beschwerdeführerinnen dieses Beschwerdeverfahren ausgesetzt.

Bundesverfassungsgericht weist Verfassungsbeschwerden ab

Das Bundesverfassungsgericht hat beide Verfassungsbeschwerden nicht zur Entscheidung angenommen, weil sie unzulässig sind. Der Verfassungsbeschwerde der Beschwerdeführerin zu 1), einer Aktiengesellschaft, die zu 75,2 % von einer Holding GmbH gehalten wird, die ihrerseits vollständig im Besitz der Beschwerdeführerin zu 2), ist, fehlte die erforderliche Beschwerdebefugnis, während die Beschwerdeführerin zu 2) für die Einlegung ihrer Verfassungsbeschwerde den Rechtsweg nicht ausgeschöpft hat.

Berufen auf materielle Grundrecht ausgeschlossen

Der Beschwerdeführerin zu 1) fehlt die Beschwerdebefugnis, weil sie von einer vollständig im Besitz der Beschwerdeführerin zu 2), einer Gebietskörperschaft des öffentlichen Rechts stehenden Gesellschaft mit qualifizierter Mehrheit von über 75 % des Grundkapitals (vgl. § 179 Abs. 2 AktG), beherrscht wird und daher dem bestimmenden Einfluss eines Hoheitsträgers unterliegt. Das Bundesverfassungsgericht hat die Frage, ob sich ein mehrheitlich in öffentlicher Hand befindliches Stromversorgungsunternehmen auf materielle Grundrechte berufen kann, bereits ausdrücklich verneint (vgl. BVerfG, 3. Kammer des Ersten Senats, Beschluss vom 16. Mai 1989 – 1 BvR 705/88 –). Anlass, von dieser Judikatur abzuweichen, besteht jedenfalls im vorliegenden Fall nicht. Die Beschwerdeführerin zu 1) trägt auch keine besonderen Umstände vor, die ihre Beherrschung durch die Beschwerdeführerin zu 2) trotz deren qualifizierter Mehrheit vorliegend in Frage stellen könnte, sondern sie bezieht sich zur Begründung ihrer Verfassungsbeschwerde auf ein Rechtsgutachten, welches ausdrücklich von einem „faktisch beherrschenden Einfluss“ der Beschwerdeführerin zu 2) ausgeht. Infolgedessen trifft auch auf sie die für Eigengesellschaften der öffentlichen Hand geltende Erwägung zu, dass ein Hoheitsträger nicht durch die Gründung einer juristischen Person des Privatrechts die eigene Grundrechtsbindung abstreifen und mittelbar eine eigene Grundrechtsfähigkeit erwerben darf.

Rechtsweg nicht wie erforderlich ausgeschöpft

Die Verfassungsbeschwerde der Beschwerdeführerin zu 2) ist ebenfalls unzulässig. Der Grundsatz der Subsidiarität fordert nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, dass ein Beschwerdeführer über das Gebot der Rechtswegerschöpfung im engeren Sinn hinaus die ihm zur Verfügung stehenden Möglichkeiten ergreift, um eine Korrektur des geltend gemachten Verfassungsverstoßes zu erreichen oder diesen zu verhindern. Diesem Erfordernis hat die Beschwerdeführerin zu 2) aber nicht genügt. Denn sie hat es unterlassen, gegen den verfahrensgegenständlichen Beschluss des Bundeskartellamts vom 8. Oktober 2003 eine eigene Beschwerde nach § 63 Abs. 2 GWB einzulegen, obwohl dieses Rechtsmittel nicht von vornherein aussichtslos war.

© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 06.07.2009
Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 74/09 des BVerfG vom 03.07.2009

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