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Der Bundesgesetzgeber hat seine Verpflichtung zur Beseitigung bestimmter Verfassungsverstöße im Zusammenhang mit dem Atomausstieg trotz Ablaufs der dafür geltenden Frist noch nicht erfüllt, und zwar insbesondere nicht mit der Sechzehnten Atomgesetz-Novelle (16. AtG-Novelle). Dies hat das Bundesverfassungsgericht entschieden.
Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen das Sechzehnte Gesetz zur Änderung des Atomgesetzes vom 10. Juli 2018 (im Folgenden: 16. AtG-Novelle). Im Jahr 2001 erzielte die damalige Bundesregierung mit den Energieversorgungsunternehmen eine Atomkonsensvereinbarung, in der für jedes einzelne Kernkraftwerk eine Strommenge festgelegt wurde, die es ab dem 1. Januar 2000 noch maximal produzieren darf (Reststrommenge). Das Gesetz zur geordneten Beendigung der Kernenergienutzung zur gewerblichen Erzeugung von Elektrizität vom 22. April 2002 (Ausstiegsgesetz 2002) setzte diese Vereinbarung um. In Reaktion auf den Reaktorunfall im japanischen Kernkraftwerk Fukushima im März 2011 wurden mit der im August 2011 in Kraft getretenen 13. AtG-Novelle konkrete Abschalttermine für die einzelnen Kraftwerke festgelegt. Mit Urteil vom 6. Dezember 2016 erklärte das Bundesverfassungsgericht unter anderem die gesetzliche Festlegung fester Abschalttermine durch die 13. AtG-Novelle insoweit für unvereinbar mit Art. 14 Abs. 1 GG, als das Gesetz nicht eine im Wesentlichen vollständige Verstromung der den Kernkraftwerken 2002 zugewiesenen Elektrizitätsmengen sicherstellt und keinen angemessenen
Mit Art. 1 der 16. AtG-Novelle vom 10. Juli 2018 fügte der Gesetzgeber zur Umsetzung des Urteils unter anderem Vorschriften über den
Die Beschwerdeführerinnen rügen mit ihrer Verfassungsbeschwerde eine Verletzung ihres Eigentumsgrundrechts aus Art. 14 Abs. 1 GG durch die mit der 16. AtG-Novelle eingefügten § 7 f Abs. 1 und Abs. 2, § 7 g Abs. 2 Satz 1 AtG sowie dadurch, dass der Gesetzgeber es unterlassen habe, eine
Nach Auffassung des BVerfG sind die Beschwerdeführerinnen in ihren Grundrechten verletzt, weil die 16. AtG-Novelle nicht in Kraft getreten sei und damit keine Regelung existiere, die den durch das Bundesverfassungsgericht mit Urteil vom 6. Dezember 2016 bereits beanstandeten
Aus unionsrechtlicher Sicht sei durch das Schreiben der Generaldirektion Wettbewerb vom 4. Juli 2018 keine verbindliche Mitteilung, sondern lediglich eine unverbindliche Einschätzung erfolgt, so das Bundesverfassungsgericht. Vielmehr handele es sich um eine Einschätzung im Rahmen beihilfenrechtlicher Vorabkontakte, die die Kommission im Verhaltenskodex für die Durchführung von Beihilfeverfahren ausdrücklich als informell und nicht bindend bezeichnet. Dies schließe zwar nicht von vornherein aus, die Tatbestandsvoraussetzung der „verbindlichen Mitteilung“ in Art. 3 der 16. AtG-Novelle abweichend von der unionsrechtlichen Terminologie weiter zu verstehen. Eine solche Auslegung komme hier jedoch aus verfassungsrechtlichen Erwägungen nicht in Betracht, weil sie mit den aus dem Rechtsstaatsprinzip folgenden spezifischen Bestimmtheitsanforderungen an die Regelungen des Inkrafttretens von Gesetzen nicht vereinbar wäre.
Das Bundesverfassungsgericht führte weiter aus, dass Art. 82 Abs. 2 Satz 1 GG dem Gesetzgeber aufgebe, den Tag des Inkrafttretens zu bestimmen. Damit sei zwar nicht schlechthin unvereinbar, wenn der Gesetzgeber das Inkrafttreten von einer Bedingung abhängig macht, ohne ausdrücklich ein Datum zu bestimmen. Bedingungseintritt und Inkrafttreten dürfen jedoch nicht beliebig Dritten überlassen werden und die Bedingung müsse so klar formuliert sein, dass über deren Bedeutung keine Unsicherheit besteht. Es sei dem Grunde nach mit Art. 82 Abs. 2 Satz 1 GG vereinbar, das Inkrafttreten des Gesetzes an die Bedingung beihilfenrechtlicher Maßnahmen der Europäischen Kommission zu knüpfen. Die Bestimmung des zeitlichen Geltungsbereichs einer Rechtsvorschrift müsse jedoch wegen der vielfach weittragenden Wirkung hinreichend genau fixiert sein, damit die Normadressaten den Beginn ihres Berechtigt- oder Verpflichtetseins erkennen können. Dass als „verbindliche Mitteilung der Kommission“ im Sinne des Art. 3 der 16. AtG-Novelle auch eine explizit unverbindliche Mitteilung der Generaldirektion Wettbewerb gelten soll, sei unvorhersehbar und wäre daher nicht hinreichend klar geregelt.
Um den bereits durch das Urteil vom 6. Dezember 2016 festgestellten Verstoß gegen Art. 14 Abs. 1 GG zu beenden, werde es aus Sicht des Bundesverfassungsgerichts nicht ausreichen, die 16. AtG-Novelle unverändert in Kraft zu setzen, da dieser durch § 7 f Abs. 1 AtG nicht behoben werden könnte. Im Urteil vom 6. Dezember 2016 wurde festgestellt, dass die 13. AtG-Novelle in das Eigentumsgrundrecht eingreift, weil sie durch die Regelung fixer Abschalttermine der Kernkraftwerke die Möglichkeit der Eigentumsnutzung begrenzt. Dieser Eingriff sei unter anderem deshalb unverhältnismäßig, weil absehbar war, dass einige der betroffenen Unternehmen die ihnen 2002 zugewiesenen Reststrommengen nicht mehr im Wesentlichen vollständig würden verstromen können. Hierfür müsse der Gesetzgeber zur Wahrung der
Die Grenzen der
Auch die von den Beschwerdeführerinnen hinsichtlich der Reststrommengen zweier Kernkraftwerke beschriebene Gefahr doppelter Anspruchskürzung sei nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts wegen der Regelung des § 7 f Abs. 1 Satz 1 und 2 AtG nicht von vornherein von der Hand zu weisen. Ob die dort vorgesehene quantitative Begrenzung des Ausgleichsanspruchs auf zwei Drittel beziehungsweise auf die Hälfte zu einer verfassungswidrigen Kürzung des Ausgleichs führt, hänge davon ab, wie die weiteren Maßgaben des § 7 f Abs. 1 AtG auf Reststrommengen der Kraftwerke Brunsbüttel und Krümmel angewendet werden. Offenbar haben die Beschwerdeführerinnen, die Bundesregierung und PreussenElektra grundlegend unterschiedliche Vorstellungen, wie die Fragen gelöst werden sollen, die hier aus den gemeinsamen gesellschaftsrechtlichen Beteiligungen zweier Konzerne resultieren, von denen nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2016 nur einer ausgleichsberechtigt ist. Wie diese komplexe Sach- und Rechtslage im Einzelnen zu verstehen ist, könne dabei offenbleiben. Denn selbst wenn die Vorschriften des § 7 f Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 AtG ein Normverständnis erlaubten, wonach insbesondere die Probleme einer doppelten Kürzung des Ausgleichsanspruchs vermieden werden, wäre dies jedenfalls nicht hinreichend klar und operationabel zum Ausdruck gebracht. Gerade wegen des besonderen verfassungsrechtlichen Hintergrunds des Ausgleichs dürfe die Konkretisierung des im Gesetz lediglich rudimentär angelegten Ausgleichs hier nicht den beteiligten Konzernen überlassen werden. Die Regelung wäre daher jedenfalls wegen unzureichender Bestimmtheit verfassungswidrig.
© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 13.11.2020
Quelle: Bundesverfassungsgericht, ra-online (pm/ab)
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