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Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 07.03.2017
1 BvR 1314/12, 1 BvR 1874/13, 1 BvR 1694/13, 1 BvR 1630/12 -

Verfassungsbeschwerden gegen landesrechtliche Einschränkungen für Spielhallen erfolglos

Strengere Regelungen stellen keinen unzulässigen Eingriff in Berufsfreiheit dar

Die durch den Ersten Glücksspieländerungsstaatsvertrag und landesrechtliche Vorschriften vorgenommenen Verschärfungen der Anforderungen an die Genehmigung und den Betrieb von Spielhallen sind verfassungsgemäß. Dies hat das Bundesverfassungsgericht entschieden und die Verfassungsbeschwerden von vier Spielhallenbetreiberinnen zurückgewiesen.

Die Befugnis zum Erlass von Gesetzen zum Recht der Spielhallen steht seit der Föderalismusreform im Jahre 2006 den Ländern zu. Der von den Ländern im Jahre 2008 geschlossene Glücksspielstaatsvertrag enthielt zunächst keine spezifischen Regelungen für Spielhallen, weshalb die vom Bund erlassenen Vorschriften zur Regulierung der Spielhallen weiter zur Anwendung kamen. Nachdem die Umsätze bei Spielautomaten außerhalb von Spielbanken deutlich gestiegen waren und Untersuchungen das erhebliche Gefahrenpotential des gewerblichen Automatenspiels belegten, verschärften die Länder im Jahr 2012 mit dem Ersten Glücksspieländerungsstaatsvertrag die Anforderungen an die Genehmigung und den Betrieb von Spielhallen.

Einhaltung von Verbundverbot und Abstandsgebot

Zur Regulierung des Spielhallensektors wurde insbesondere ein Verbundverbot eingeführt, nach dem eine Spielhalle mit weiteren Spielhallen nicht in einem gemeinsamen Gebäude oder Gebäudekomplex untergebracht sein darf. Zudem ist zwischen Spielhallen ein Mindestabstand einzuhalten (Abstandsgebot). Spielhallen, denen vor Erlass der neuen Regelungen des Glücksspielstaatsvertrags und der spielhallenbezogenen Landesgesetze bereits eine gewerberechtliche Erlaubnis erteilt worden war, müssen, um weiter betrieben werden zu können, die verschärften Anforderungen innerhalb bestimmter Übergangsfristen erfüllen.

Berlin sieht auch Abstandsgebot gegenüber Kinder- und Jugendeinrichtungen vor

Bereits im Jahre 2011 hatte das Land Berlin ein Spielhallengesetz erlassen, das ähnliche Regelungen wie der Erste Glücksspieländerungsstaatsvertrag enthält; daneben ist dort auch ein Abstandsgebot gegenüber Kinder- und Jugendeinrichtungen vorgesehen. Die zulässige Gerätehöchstzahl in Spielhallen wurde auf acht Geräte reduziert; weiterhin besteht eine Pflicht zur dauernden Anwesenheit einer Aufsichtsperson.

Spielhallenbetreiberinnen rügen Verletzung der Berufsfreiheit

Die vier Beschwerdeführinnen sind Betreiberinnen von Spielhallen in Berlin, in Bayern und im Saarland. Mit ihren Verfassungsbeschwerden wenden sie sich gegen die landesgesetzlichen Vorschriften zur Regulierung des Spielhallensektors. Sie rügen im Wesentlichen die Verletzung ihrer Berufsfreiheit (Art. 12 GG) und des Gleichheitssatzes (Art. 3 GG).

Verfassungsbeschwerden teilweise unzulässig

1. Die Verfassungsbeschwerden sind zum Teil bereits unzulässig. Die Beschwerdeführerinnen haben insoweit nicht hinreichend dargelegt, durch die von ihnen angegriffenen Vorschriften gegenwärtig und unmittelbar betroffen zu sein. Teilweise werden die Verfassungsbeschwerden zudem dem Subsidiaritätsgrundsatz und den gesetzlichen Begründungsanforderungen nicht gerecht.

Eingriffe in Grundrechte gerechtfertigt

2. Soweit zulässig, sind die Verfassungsbeschwerden unbegründet. Die angegriffenen Neuregelungen sind verfassungsgemäß.

a) Die Länder besitzen die ausschließliche Zuständigkeit für das Recht der Spielhallen, das die Befugnis zur Regelung der gewerberechtlichen Anforderungen an den Betrieb und die Zulassung von Spielhallen umfasst. Der Gesetzgebung des Bundes kommt aus dessen Zuständigkeit für das Bodenrecht und das Recht der öffentlichen Fürsorge keine Sperrwirkung zu.

b) Die angegriffenen Vorschriften zur Zulassung und zum Betrieb von Spielhallen greifen zwar in die Grundrechte der Beschwerdeführerinnen ein. Die Eingriffe sind aber gerechtfertigt.

Verbundverbot und Abstandsgebot dienen zur Vermeidung von Suchtgefahren

aa) Das Verbundverbot und die Abstandsgebote sind mit Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar. Die Regelungen dienen mit der Vermeidung und Abwehr der vom Glücksspiel in Spielhallen ausgehenden Suchtgefahren und dem Schutz von Kindern und Jugendlichen einem besonders wichtigen Gemeinwohlziel. Zweck des Verbundverbots und des Abstandsgebots zu anderen Spielhallen ist die Begrenzung der Spielhallendichte und damit eine Beschränkung des Gesamtangebots an Spielhallen. Das Abstandsgebot zu Einrichtungen für Kinder und Jugendliche dient der möglichst frühzeitigen Vorbeugung von Spielsucht und soll einem Gewöhnungseffekt entgegenwirken. Diese Einschätzungen des Gesetzgebers sind nicht offensichtlich fehlerhaft.

Gesetzliche Beschränkung über Spielbankanzahl

Das Verbundverbot und die Abstandsgebote sind im Blick auf die unter staatlicher Beteiligung betriebenen Spielbanken hinreichend konsequent auf das legitime Ziel der Bekämpfung der Spiel- und Wettsucht ausgerichtet. Auch für Spielbanken sehen die Länder umfangreiche Spielerschutzvorschriften vor; zudem ist die Anzahl der Spielbanken in den Ländern gesetzlich begrenzt, wodurch sie aus dem Alltag herausgehoben sind. Die Länder haben jedoch auch in Zukunft dafür Sorge zu tragen, dass die Reduzierung der Zahl der Spielhallen nicht durch eine Ausweitung des Automatenspiels und eine Vermehrung der Standorte von Spielbanken konterkariert wird.

Verhältnismäßigkeit von Verbundverbot und Abstandsgebot gegeben

Verbundverbot und Abstandsgebote sind auch verhältnismäßig. Sie sind ein geeignetes Mittel zur Erreichung der vom Gesetzgeber verfolgten legitimen Gemeinwohlziele, da sie die Bekämpfung der Spielsucht jedenfalls fördern. Die Einschätzung der Geeignetheit durch die Gesetzgeber der Länder ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. So ist plausibel, dass gerade Mehrfachkomplexe durch die Vervielfachung des leicht verfügbaren Angebots zu einem verstärkten Spielanreiz führen. Mit dem Abstandsgebot wird eine Reduzierung der für die Ansiedelung von Spielhallen zur Verfügung stehenden Standorte und eine Begrenzung der Spielhallendichte bewirkt, was zu einer Beschränkung des Gesamtangebots an Spielhallen beiträgt. Ein milderes, gleich effektives Mittel ist nicht ersichtlich. Insbesondere sind rein spieler- oder gerätebezogene Maßnahmen keine gleich wirksamen Mittel zur Bekämpfung und Verhinderung von Spielsucht. Das Zutrittsverbot für Minderjährige hat nicht die gleiche Wirksamkeit wie das Abstandsgebot zu Kinder- und Jugendeinrichtungen, da es den Werbe- und Gewöhnungseffekt nicht gleichermaßen verringert. Verbundverbot und Abstandsgebote sind auch angemessen. Bei einer Gesamtabwägung zwischen der Schwere der Eingriffe und dem Gewicht und der Dringlichkeit der sie rechtfertigenden Gründe wahren die gesetzlichen Regelungen insgesamt die Grenze der Zumutbarkeit und belasten die Betroffenen nicht übermäßig.

Reduzierung der Gerätehöchstzahl dient der Suchtprävention

bb) Auch die mit der Reduzierung der Gerätehöchstzahl in Spielhallen und der Pflicht zur dauernden Anwesenheit einer Aufsichtsperson einhergehenden Eingriffe in die Berufsfreiheit sind gerechtfertigt.

Mit der Reduzierung der Gerätehöchstzahl in Spielhallen verfolgt der Gesetzgeber das Ziel der Suchtprävention durch Reduzierung der Anreize zu übermäßigem Spielen in den Spielhallen. Die Regelung ist zur Erreichung dieses Ziels geeignet, da der Landesgesetzgeber davon ausgehen durfte, dass Anreize für die Spieler zum fortgesetzten Spielen in Spielhallen umso geringer sind, je weniger Geräte sich dort befinden. Die Reduzierung der Gerätehöchstzahl war auch erforderlich und belastet Spielhallenbetreiber nicht übermäßig. Zwar liegt nahe, dass sich die Reduzierung der Höchstzahl der Geldspielgeräte negativ auf die Rentabilität von Spielhallen auswirkt. Eine bestimmte Rentabilität gewährleistet der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz jedoch nicht.

Anwesenheitspflicht von Aufsichtsperson verhältnismäßig

Die Pflicht zur Anwesenheit einer Aufsichtsperson, die das Erkennen problematischen Spielverhaltens und eine unmittelbare Einflussnahme darauf ermöglichen soll, dient ebenfalls dem besonders wichtigen Gemeinwohlziel der Suchtprävention und ist verhältnismäßig.

Unterschiedliches Gefährdungspotenzial zwischen Spielhallen und Spielbanken rechtfertigt Ungleichbehandlung

cc) Die angegriffenen Neuregelungen bewirken keine mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbare Ungleichbehandlung von Spielhallenbetreibern gegenüber den Betreibern von Spielbanken und von Gaststätten, in denen Geldspielgeräte aufgestellt sind. Zwar werden Spielhallenbetreiber durch die angegriffenen Vorschriften gegenüber den Betreibern von Spielbanken und von Gaststätten ungleich behandelt, da Spielhallen Beschränkungen unterworfen werden, die für den Betrieb von Spielautomaten in Spielbanken und Geldspielgeräten in Gaststätten nicht gelten. Diese Ungleichbehandlung ist jedoch gerechtfertigt. Ein hinreichender Sachgrund für die unterschiedliche Behandlung liegt in dem unterschiedlichen Gefährdungspotential und in der unterschiedlichen Verfügbarkeit der Spielmöglichkeiten.

Fünfjährige Übergangsfrist trotz Eingriff in Berufsfreiheit gerechtfertigt

c) Auch die von den Beschwerdeführerinnen angegriffenen Übergangsregelungen sind verfassungsgemäß.

aa) Die fünfjährige Übergangsfrist für Bestandsspielhallen greift zwar in die Berufsfreiheit der Spielhallenbetreiber ein, ist aber von Verfassungs wegen gerechtfertigt. Sie wird dem Grundsatz des Vorbehalts des Gesetzes gerecht, da sich die wesentlichen Parameter der Auswahlentscheidung in Konkurrenzsituationen zwischen Bestandsspielhallen den Spielhallengesetzen in hinreichendem Maße entnehmen lassen. Die fünfjährigen Übergangsregelungen sind auch mit dem in Art. 12 GG enthaltenen Grundsatz des Vertrauensschutzes vereinbar. Dieser verleiht weder im Hinblick auf die vorherige Rechtslage noch auf die vorhandenen Spielhallenerlaubnisse ein uneingeschränktes Recht auf Amortisierung getätigter Investitionen. Auch ein in umfangreichen Dispositionen betätigtes besonderes Vertrauen in den Bestand des geltenden Rechts begründet grundsätzlich noch keinen abwägungsresistenten Vertrauensschutz. Auch der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist gewahrt. Die Belange der Spielhallenbetreiber sind mit der Einräumung einer fünfjährigen Übergangsfrist genügend berücksichtigt, zumal die Länder die Möglichkeit von Härtefallbefreiungen im Einzelfall geschaffen haben.

Unterscheidung zwischen ein- und fünfjähriger Übergangszeit

bb) Der Eingriff in die Berufsfreiheit durch die einjährige Übergangsregelung für nach dem 28. Oktober 2011 genehmigte Bestandsspielhallen ist ebenfalls mit Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar. Die Unterscheidung zwischen ein- und fünfjähriger Übergangszeit dient legitimen Gemeinwohlzielen und trägt auch dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes hinreichend Rechnung. Die Schutzwürdigkeit des Vertrauens in den Fortbestand der gesetzlichen Regelung und der erteilten Erlaubnisse war spätestens mit dem Beschluss der Ministerpräsidentenkonferenz über den Glücksspieländerungsstaatsvertrag beseitigt oder zumindest erheblich herabgesetzt. Das Abstellen auf die Erteilung der gewerberechtlichen Erlaubnis für diese Unterscheidung ist ebenfalls verfassungsgemäß. Da die von der einjährigen Übergangsfrist betroffenen Spielhallenbetreiber bereits zum Zeitpunkt der Erteilung der gewerberechtlichen Erlaubnis nicht mehr auf den Fortbestand der alten Rechtslage vertrauen konnten, erweist sich die Übergangsregelung auch als verhältnismäßig. Dem Gesetzgeber ist es auch durch Art. 3 Abs. 1 GG nicht verwehrt, zu der möglichst effektiven Bekämpfung der Glücksspielsucht durch eine möglichst schnelle Reduzierung des Spielhallenangebots eine an Vertrauensschutzgesichtspunkten orientierte Staffelung der Übergangsfristen mit einer Stichtagsregelung zu wählen.

3. Soweit die Verfassungsbeschwerde einer Beschwerdeführerin nachträglich auf das Mindestabstandsumsetzungsgesetz Berlin sowie die im Jahr 2016 neu eingefügten Regelungen des Spielhallengesetzes Berlin erstreckt wurde, hat das Bundesverfassungsgericht das Verfahren abgetrennt; es wird einer gesonderten Entscheidung zugeführt.

© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 18.04.2017
Quelle: Bundesverfassungsgericht/ ra-online

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